48 | Nur ein einziges Mal

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• Amber Run - Machine •

Nachdem ich Alecs Auto aus unserer Einfahrt fahren sehe, bin ich den Tränen nahe. Diesen Streit hätte es gar nicht erst geben sollen. Es hätte niemals so weit kommen sollen. Eigentlich sollten wir immer noch in meinem Bett liegen, ich in seinen Armen, und den Film schauen.

Die Angst, dass diese Geheimnisse unsere Beziehung überschatten, dass er anfangen wird, sich immer mehr von mir zu distanzieren und vielleicht weiter alles in sich hinein frisst, übermannt mich. Ich habe ihn verscheucht. In dem Versuch ihm zu helfen und alles zu retten, habe ich ihn verloren.

Aber es ist nicht nur Angst, die ich verspüre, sondern auch Enttäuschung...und Wut. Wut über Alec und sein blödes Verhalten, seine Art immer davon zu laufen und jeden von sich zu stoßen, der ihm helfen will.

Ich wollte ihn nicht anschreien, ihm keine Vorwürfe machen, mich hat mit einem Mal einfach dieser verdammte Zorn gepackt. Darüber, dass er es nicht schafft, sich mir zu öffnen, dass er sich selber im Weg steht. Er müsste einfach nur einmal über seinen Schatten springen. Ich bin mir sicher, dass es ihm danach besser gehen würde.

Er tut so, als wäre ich hier die Böse, die Komplizierte von uns beiden, dabei weiß er vom ersten Tag an alles über mich, während ich immer mehr das Gefühl bekomme, ihn gar nicht wirklich zu kennen und mir immer noch diese eine Frage stelle: Wer ist Alec Moranis wirklich?

Ich bin ich so verzweifelt, dass ich Loreen anrufe und ihr von Alecs und meinem Streit erzähle. Natürlich erwähne ich nicht, worum es dabei ging und Gott sei Dank hakt sie auch nicht weiter nach, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Bei meinen derzeitigen sprunghaften Gefühlen wüsste ich nicht, ob ich es ihr aus lauter Frustration am Ende tatsächlich erzählen würde.

Stattdessen versucht sie, mich zu beruhigen und mir einzureden, dass ich nichts falsch gemacht habe.

»Hör zu, Becci.« Dieser Spitzname wird nur benutzt, wenn ich traurig bin und sie versucht, mich zu trösten. »Ich weiß nicht, worum es in diesem Streit ging...«, sagt sie und hält inne. Ich weiß, dass sie hofft, dass ich endlich mit der Sprache herausrücke, aber ich halte den Mund und schließlich spricht sie weiter:»...aber du solltest dich auch einmal in Alec hineinversetzen. Ich glaube nicht, dass sich irgendeiner von euch falsch verhalten hat. Es ist einfach so, dass Menschen manchmal in gewissen Situation auch verschieden handeln und mit Dingen anders umgehen. Du hast versucht es auf deine Art zu regeln, ohne zu bemerken, dass Schweigen und das In-Sich-Hineinfressen Alecs Art ist, mit diesem Thema umzugehen. Vielleicht solltet ihr einfach mal versuchen, euch entgegen zu kommen.«

Ich weiß, dass sie recht hat, aber... »Wie soll ich ihm denn entgegen kommen, wenn er keinen Schritt auf mich zugeht?« Die Verzweiflung, die ich in mir verspüre, ist besser denn je aus meiner Stimme herauszuhören.

Loreen seufzt. »Gib ihm Zeit.«

Und das tue ich dann auch. Die ganze Nacht über lerne ich für meine Vorabiprüfungen, die ich direkt nach den Winterferien schreiben werde. Ich kann nicht schlafen, woran wohl am meisten Alec und unser verdammter Streit schuld sind, also sitze ich bis spät in die Nacht über meinen Schreibtisch gebeugt, bis ich endlich gegen vier Uhr morgens auf meinen Büchern einschlafe.

Erst spät am Mittag wache ich wieder auf. Ein Blatt klebt an meiner Wange. Verwirrt reiße ich es von meinem Gesicht und stöhne kurz daraufhin auf. Vielleicht hätte ich mir doch die Mühe machen und die wenigen Schritte zu meinem Bett herübergehen sollen. Mein Körper fühlt sich an, als hätte ich die ganze Nacht Leistungssport getrieben.

Als ich versuche, meinen Kopf zu drehen, durchzuckt mich ein stechender Schmerz. Alles fühlt sich verspannt an, aber nichts tut so weh, wie das beklemmende Ziehen in meinem Brustkorb. Wenn ich ein paar gebrochene Knochen in Kauf nehmen müsste, um dafür den Schmerz in meinem Herzen zu vergessen, würde ich es tun, ohne mit der Wimper zu zucken.

BadassWhere stories live. Discover now