40 | Es tut mir leid

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• Melanie Martinez - Pacify Her •  

»Rebecca, dein Vater und ich gehen jetzt!«, ruft meine Mutter von unten.

Ich antworte nicht, bleibe einfach nur liegen und starre weiter die Decke an.

Heute ist Samstag und meine Eltern sind zu einem Geschäftsessen eingeladen, zu dem ich aber nicht mitgehen möchte. Sie wollten mich unbedingt dabei haben, aber mich kriegen keine zehn Pferde vor die Haustür.

Es sind nur noch zwei Tage bis die Schule wieder beginnt und ich bin noch nie so froh darüber gewesen, mich in Hausaufgaben und Vorträge stürzen zu dürfen. Ich werde Aaron und Loreen sehen, mit ihnen lachen und über unsere Mitschüler und Lehrer herziehen. Selbst der Gedanke an Sara macht mich irgendwie glücklich. Lieber rege ich mich über sie auf, über alles was sie sagt und tut, als an Alec zu denken.

Ich höre die Tür hinter meinen Eltern ins Schloss fallen und rolle mich zu einer Kugel zusammen. Der Einzige, der immer noch zu mir hält und bei mir bleibt, ist Mr. Plüschi, aber der kann ohne seinen Kopf sowieso nirgendwo hin.

Eine Sekunde lang denke ich darüber nach, ob ich ihm seinen Kopf wieder dran nähen soll, doch dazu müsste ich aufstehen und das ist das Letzte, was ich in diesem Augenblick möchte. Ich ziehe meinen MP3-Player aus meinem Nachtschrank, stecke mir die Kopfhörer in die Ohren und drehe die Lautstärke ganz weit nach oben. Mit geschlossenen Augen lausche ich der Musik bis ich einschlafe.

Als ich wieder aufwache, merke ich sofort, dass etwas nicht stimmt. Ich reiße die Kopfhörer aus meinen Ohren und stehe langsam auf. Im ersten Moment fühle ich mich wackelig auf den Beinen. Ich halte mich an meiner Kommode fest und warte einige Sekunden, bevor ich mich sammele und schließlich weiterlaufe.

Langsam ziehe ich meine Tür auf, stecke den Kopf heraus in den Flur und lausche. Ich höre es unten poltern, als wäre jemand in der Küche, aber das ist unmöglich. Meine Eltern sind nicht da und sowohl Aaron, als auch Loreen hätten mir geschrieben, wenn sie vorbeikommen würden.

Panik macht sich in mir breit. Was ist, wenn es Einbrecher sind? Soll ich die Polizei rufen? Aber was ist, wenn es doch keine Einbrecher sind? Wenn Aaron oder Loreen spontan beschlossen haben, vorbei zu kommen?

Ich lehne die Tür wieder an und schaue mich in meinem Zimmer um. Es muss doch hier irgendetwas geben, mit dem ich mich im Notfall verteidigen könnte! Mein Blick fällt über meine diversen Bücher, die wenigen Möbel und meine Klamotten, die sich unordentlich auf einem Stuhl stapeln.

Ich kann schlecht meinen Schreibtisch mitnehmen und die Einbrecher damit erschlagen, aber ich bezweifle auch, dass mein weißes Spitzenkleid sie in die Flucht jagen würde.

Am Ende entscheide ich mich für meine Nagelschere. Sie ist nicht perfekt, aber immer noch besser als völlig unbewaffnet nach unten zu gehen. Ich könnte wenigstens einem der Einbrecher damit ins Auge stechen.

Vorsichtig öffne ich meine Tür wieder. Ich halte den Atem an und schleiche so langsam, wie noch nie in meinem Leben, die Treppen herunter. Mein Herz klopft so wild in meiner Brust, dass ich glaube, dass es gleich herausspringt und davon hüpft. Das Ganze ist so aufregend und nervenaufreibend, dass meine Hände zittern. Ich fühle mich wie in einem oscarreifen Krimi.

Sobald ich unten vor der Küche stehe, höre ich keinen Laut mehr. Ob die Einbrecher wohl wieder gegangen sind? Ich schiebe die Tür einen spaltbreit auf, während ich die Nagelschere in meiner Hand fest umklammert halte. Aber als ich in die Küche komme, ist sie leer. Ohne weiter darüber nachzudenken, laufe ich zu unserem Besteck rüber, lege die Nagelschere zur Seite und schnappe mir das größte Küchenmesser, das ich in die Finger bekomme.

BadassWhere stories live. Discover now