46 | Das fünfte Rad am Wagen

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• Three Days Grace - Get Out Alive •

»Es ist seltsam zwischen uns«, gestehe ich leise. »Irgendwie anders als vorher. Er hat sich verändert. Ich vielleicht auch, aber vor allem er.«

»Inwiefern?«

»Er ist ruhiger geworden. Verschlossener. Irgendwie...so traurig und in sich gekehrt.« Ich lege den Stift zur Seite und reibe mir mit der Handfläche über das Gesicht. Dass ich den Grund für Alecs seltsames Verhalten wahrscheinlich kenne, verrate ich ihr nicht. »Ich liebe ihn. Ich liebe diese Seite an ihm, so wie ich alles an ihm liebe, aber ich mache mir trotzdem Sorgen.«

»Hat er sich denn komplett verändert?«, fragt sie mit gerunzelter Stirn. Sie beißt ein Stück von ihrer Pizza ab und mustert mich dann kauend.

Ich schaue von Loreen zu Aaron, der sich, wenn es um Alec geht, fast immer heraushält, und dann wieder zu Loreen, bevor ich langsam den Kopf schüttele. »Nein, ab und zu reißt er immer noch die selben idiotischen Sprüche wie damals«, antworte ich und lache. »Wenn er mich küsst oder...« Ich zögere kurz. »...wir miteinander schlafen, fühlt es sich nicht anders an. Er ist immer noch Alec, aber...manchmal merke ich ihm seine Müdigkeit an, die Anspannung und seine Unruhe.«

»Das alles ist aber erst seit ein paar Wochen so, seit dem Gespräch mit Sara, oder? Was hat sie dir noch erzählt?« Loreen beißt noch einmal von ihrer Pizza ab und sieht mich dann mit ihren braunen Augen an. Fast habe ich das Gefühl nicht vor meiner besten Freundin, sondern einer Therapeutin zu sitzen. Ich schüttele den Gedanken schnell wieder ab. »Abgesehen davon, dass sie zusammen gewesen sind, meine ich«, schiebt sie kauend hinterher.

»Nichts«, sage ich schnell. Ich habe den beiden nichts von Alecs Mutter erzählt. Nur davon, dass Alec damals mit Sara zusammen gewesen ist. Leider ist das nicht die ganze Wahrheit, aber was soll ich ihnen auch erzählen? Ich verstehe die Sache mit Alecs Mum selbst nicht einmal richtig. Mir liegen noch viel zu viele Fragen auf der Zunge.

Loreen verengt misstrauisch die Augen. »Du lügst.«

»Tue ich nicht.« Ich versuche ihrem festen Blick standzuhalten, was schwieriger ist, als es sich anhört. Loreen ist eine Meisterin im Lügen und ich...naja, ich nicht so. Sie anzulügen, bringt nichts. Egal was ich sage, ihr wird auffallen, dass ich nicht die Wahrheit sage.

»Oh doch. Immer wenn du lügst, zuckt dein rechter Mundwinkel«, ruft sie und wirft ihren leeren Pizzakarton dann in den Mülleimer auf der anderen Seite der Küche. Überraschenderweise trifft sie sogar.

»Na schön, sie hat mir mehr erzählt, aber das kann ich euch nicht verraten. Es geht einfach nicht. Das wäre nicht okay.« Dass Sara keinerlei Probleme damit hat, den Tod von Alecs Mutter herum zu posaunen, heißt noch lange nicht, dass ich das Recht habe, es ihr gleichzutun. Im Gegensatz zu ihr besitze ich genug Anstand, um es nicht jedem zu erzählen.

Wenn Alec es mir bis jetzt nicht erzählt hat, hat er seine Gründe dafür und ich gehe einfach mal davon aus, dass er nicht möchte, dass es jemand weiß. Also halte ich den Mund und lüge meine zwei besten Freunde an, dass sie wissen, dass ich lüge, macht die Sache angenehmer.

Es sind ein paar Tage vergangen seit ich bei Alec im Wohnheim gewesen bin und wir uns gemeinsam Filme angesehen haben. Nach dem Gespräch mit ihm, über meine Eltern, habe ich meine Sachen gepackt, damit er mich zu ihnen fahren und ich wieder zu Hause schlafen kann. Seine Worte haben mich so sehr getroffen, dass ich trotz ständiger Streitereien nicht länger sauer auf die beiden sein konnte. Jedenfalls nicht richtig. Denn Alec hat recht. So ein Streit ist es nicht wert, den Kontakt mit den eigenen Eltern abzubrechen oder sie aus dem Leben zu streichen. Wenn ihnen jetzt etwas zustoßen würde, könnte ich mir das niemals verzeihen.

BadassWhere stories live. Discover now