5 | Babysitten mit Links

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• Daughter - Youth •    

»Hey«, stöhne ich, als Loreen am frühen Morgen in unserer Küche sitzt und auf mich wartet. Sie weiß wo wir unseren Ersatzschlüssel verstecken und schleicht sich manchmal gerne einfach so ins Haus.

Mein Vater hat Gott sei Dank schon lange das Haus verlassen und ist zur Arbeit gefahren. Nur Mum ist noch zu Hause und die steht in diesem Moment unter der Dusche, um sich frisch zu machen.

Loreen wirkt ebenso unmotiviert wie ich. Die Aussicht darauf in die Schule zu gehen, schmeichelt uns wohl beiden nicht gerade. Wie kann man sich auch auf die Schule freuen, nachdem man sechs Wochen Zeit hatte zu faulenzen und einfach nur nutzlos zu sein? Sechs Wochen lang habe ich nichts getan und jetzt muss ich mich um meine Zukunft kümmern.

Am liebsten würde ich mir die Decke über den Kopf ziehen und so tun, als wären noch Ferien. Ich will mir gar nicht vorstellen, wieder in den stickigen Klassenräumen sitzen und den langweiligen Vorträgen meiner Lehrer zu hören zu müssen. Lieber würde ich mich wieder in mein Zimmer verkriechen, mir meinen Laptop schnappen und mich mit ungesundem Zeug und Serien vollstopfen, stattdessen stehe ich aber hier, stecke mir mein Pausenbrot noch schnell in den Rucksack und verlasse mit Loreen im Schlepptau das Haus.

»Ich habe dich soooo vermisst!«, begrüßt mich Loreen schließlich, nachdem ich die Haustür hinter mir geschlossen habe. Seit sie ins Haus gekommen ist, hat sie nichts gesagt, aber es tut gut, sie endlich wieder sehen und hören zu können. Sie wirft sich auf mich und drückt mich fest an sich. Ich schlinge meine Arme ebenfalls um sie und vergrabe mein Gesicht an ihrer Schulter und in dem langen, dunklen Haar.

Unsere Eltern haben uns die gesamte letzte Woche über den Kontakt verweigert und Loreens Eltern, die eindeutig strenger sind als meine, haben ihr auch jegliche elektronische Geräte weggenommen für diese Woche. Daher hatte ich seit der Party letztens keine Chance mehr, mit ihr zu reden. Kein Wort. Ich konnte ihr weder schreiben, noch mit ihr telefonieren, geschweige denn dass ich bei ihr vorbei gedurft hätte.

Irgendetwas Gutes hat die Schule also doch, denn endlich kann ich meiner besten Freundin von dem jungen Mann erzählen, der mir seit einer Woche einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen möchte. Obwohl ich getrunken habe und kaum zurechnungsfähig gewesen bin in seiner Gegenwart, was vermutlich nicht ausschließlich am Alkohol lag, sondern auch an seiner Ausstrahlung, erinnere ich mich nur zu gut daran, wie er ausgesehen hat. Dunkelhaarig, groß und unglaublich attraktiv. Kurz und knapp: wie der Mann meiner Träume. Genau so hat er ausgesehen.

Einerseits würde ich ihn gerne wiedersehen, andererseits hätte ich auch ein wenig Angst davor, wie dieses Aufeinandertreffen aussehen und vor allem ausgehen würde. Würde alles wieder damit enden, dass wir uns gegenseitig die Kleider vom Leib reißen oder ganz anders?

»Loreen, ich muss dir was erzählen«, flüstere ich leise, ziehe sie von unserem Haus weg und während wir nebeneinander her zur Schule laufen, überlege ich, wie ich es ihr am besten erzählen soll.

Ich räuspere mich schließlich und sehe sie kurz an. »Also...auf dieser Party, da habe ich jemanden...naja, kennengelernt. Keine Ahnung, ob man das kennenlernen nennen kann...« Und dann beginne ich damit, ihr vom Abend zu erzählen, von allem woran ich mich erinnere, wenn auch teilweise nur sehr wage, versuche ich dennoch mein Bestes zu geben, um so gut es geht, alles wiederzugeben.

Sie starrt mich einerseits vollkommen fassungslos, aber gleichzeitig auch grinsend an. Ich weiß nicht, was mir mehr Sorgen bereiten sollte.

Die Geschichte klingt so abgedreht, dass ich sie selbst kaum glauben kann. Ehrlich, wenn ich nicht dabei gewesen wäre, dann hätte ich mir selbst den Vogel gezeigt.

BadassWhere stories live. Discover now