Jede Nachricht, die Alec mir auf den Anrufbeantworter spricht, lösche ich, ohne sie überhaupt abzuhören. Manchmal fange ich an, sie zu hören, weil ich seine Stimme vermisse, aber sobald ich auch nur das erste Wort aus seinem Mund vernehme, steigt die Wut und Scham in mir wieder auf und ich drücke auf Löschen, bevor er überhaupt den ersten Satz beendet hat.

Am liebsten würde ich mein Handy gegen die Wand pfeffern, da meine Eltern mir aber nie im Leben ein neues kaufen werden, muss ich mich wohl zurückhalten und stattdessen in mein Kissen schreien oder meine Wut an Mr. Plüschi auslassen, der zwar kopflos ist, aber immer noch zwei Arme und Beine hat, die ich jedes Mal, wenn ich mir vorstelle, dass er Alec ist, abreißen möchte.

Ich lösche auch die ganzen Kurznachrichten, die er mir schickt, ohne sie zu lesen. Es kostet mich viel Überwindung, sie nicht alle nacheinander zu lesen und ihm zu antworten, ihm zu schreiben, dass ich ihn vermisse und mir wünsche, dass er vorbeikommt, aber ich schaffe es. Was auch immer er zu sagen oder schreiben hat, ich möchte es nicht wissen, ich sollte es nicht erfahren. Er wird bloß versuchen, Ausreden zu finden, damit er nicht wie das letzte Arschloch dasteht.

Auf der einen Seite hasse ich ihn, doch auf der anderen Seite kann ich ihm nicht wirklich böse sein. Viel mehr bin ich wütend auf mich selbst, auf alles was ich getan und geglaubt habe. Die Person, die am meisten Schuld an allem trägt, bin ich. Alec hat mir nie wirklich das Gefühl gegeben, dass das, was zwischen uns gewesen ist, über einen Flirt hinausgeht. Vielleicht war er ab und zu nett zu mir, hat liebe Dinge gesagt und getan, aber das heißt noch lange nicht, dass er etwas für mich empfindet. Er hat mir nie gesagt, dass er mich liebt und doch habe ich daran geglaubt. Ich habe zu viel in alles hineininterpretiert. Ich bin naiv gewesen. Ich habe gehofft. Und das ist fatal gewesen.

An meiner Mutter, die die Haustür überwacht, kommt Alec ebenfalls nicht vorbei. Auch wenn ich mir sicher bin, dass sie nichts lieber täte, als ihn hereinzulassen und auf mein Zimmer zu schicken, damit wir das unter vier Augen regeln. Sie mag es nicht, wenn man Konfrontationen aus dem Weg geht, aber sie weiß immerhin auch nicht, was zwischen Alec und mir passiert ist.

Wie kann ich ihm jemals wieder unter die Augen treten, ohne mich wie ein Häufchen Elend zu fühlen, das man benutzt und weggeschmissen hat?

Nachdem ich ihn den ganzen Tag nach seiner eiskalten Abfuhr ignoriert und auf keine Nachrichten reagiert habe, ist er vorbeigefahren und wollte unbedingt auf mein Zimmer kommen und mit mir reden, aber ich habe meiner Mutter ausdrücklich gesagt, dass sie ihn auf keinen Fall ins Haus lassen soll. Das sind so gut wie die einzigen Worte, die ich in den letzten Tagen mit meiner Mutter – oder überhaupt irgendeinem Menschen - gewechselt habe.

Ich habe nicht das Bedürfnis, mich mit irgendjemanden zusammenzusetzen und über das, was geschehen ist, zu reden. Am liebsten würde ich für immer hier liegen bleiben, vor mich hin gammeln wie ein faules Stück Obst, und niemanden in mein Zimmer lassen.

Ich möchte nicht über Alecs harte Worte und sein kaltes Verhalten nachdenken, mich nicht daran erinnern, wie er sich den Mund abgewischt hat, als ich ihn geküsst habe und wie wütend er mich angesehen hat, nachdem ich ihn geschlagen habe. Ich möchte all das am liebsten einfach vergessen, aber ich kann nicht und das weiß ich. Immer wieder gehe ich die letzten Tage und Wochen in meinem Kopf durch, suche die Schuld bei mir – vielleicht habe ich etwas falsch gemacht? War es wegen dem Tattoo? Wegen dieser Evelyn, über die er nicht sprechen möchte? War ich ihm zu anhänglich? Zu nervig? Zu kindisch? Diese Ungewissheit macht mich ganz verrückt.

Wenn ich nicht zu stolz wäre, würde ich Alecs Anruf annehmen, einfach nur, um zu wissen, was er zu sagen hat, aber als die sanften Klänge meines Klingeltons ertönen, schaue ich auf das Display und drücke den Anruf bei Alecs Namen schnell weg. Noch bevor ich es mir anders überlegen könnte, schalte ich mein Handy komplett aus und werfe es in die hinterste Ecke meines Zimmers. Und dann weine ich wieder.

BadassWhere stories live. Discover now