New World

Epilog

Zehn Jahre später

"Fang mich, Mama", rief meine Tochter kichernd und rannte in unserem Garten vor mir davon. Ich schmunzelte und lief ihr nach. Natürlich langsamer. Aus ihrem Rücken ragten kleine Flügel, doch nutzen konnte sie diese noch nicht. Ein Glück. Sonst würden wir sie öfter suchen müssen als alles andere. 

Als ich sie dann endlich gefangen hatte, ließ sie sich ins Gras plumpsen und ich setzte mich zu ihr. Mit einem Lächeln sah sie mich an. Das Lächeln hatte sie eindeutig von ihrem Vater. Die Augen dagegen waren meine. Hellblau. Vielleicht sogar etwas heller als meine. Und sie war ein kleiner Wirbelwind. Ganz anders als ihr Bruder.

Dieser kam gerade mit seinem Vater nach draußen. Er war zwei Jahre älter. Also bereits sechs. Unsere Tochter war vier. Oder besser; sie wird heute vier. Nicht viele wurden eingeladen. Nur unsere engen Freunde. Unser Sohn, er heißt Troy, freute sich besonders auf seinen Onkel Raziel. Wenn er hier war, waren die zwei ein Herz und eine Seele. 

Als Zweitnamen hatte Troy Dave. Wir mussten ihn einfach irgendwie in Erinnerung behalten und fanden diese Art praktisch. Troy besuchte nun eine Schule. Vor zehn Jahren hätte ich nie gedacht, dass das einmal möglich wäre. Doch seit fünf Jahren gibt es in ganz Europa und Asien wieder öffentliche Schulen und Kindergärten. So, wie ich es in meinen Büchern über die Vergangenheit einmal gelesen hatte. 

Raphael selbst führte die Engel in Europa noch immer an. Die Europäischen Staaten jedoch hatten für die Menschen eine eigene Regierung. Raphael fand es sinnvoller. So sei ein friedliches beisammen leben auf Dauer gewährleistet. Es gab Verträge untereinander. Und es hielt tatsächlich. 

Azzurra bekam unter Raphael einen Ministerposten. Genauso wie noch einige andere Engel, die allesamt gewählt wurden. Ohne sie konnte Raphael nichts bestimmen, was vielleicht ganz gut so war. In Asien verfolgt Raziel eine ähnliche Strategie. Asien hatte sich in mehrere Länder geteilt. Meist die Ursprungsländer. Und er selbst stand den Engeln vor. Jedoch nur auf dem Papier, denn er ließ die Minister allein regieren. 

Wie genau es in Amerika läuft, wusste ich nicht. Nordamerika war eigenständig, soweit wir es hier mitbekamen. Und Michael war lockerer als Gabriel. Wir waren uns in den Beratung immer sicher gewesen, dass auch Michael Menschen und Engel gut behandeln wird, jetzt wo Gabriel tot ist. Und so schien es auch zu sein. 

Cora sah ich regelmäßig. Sie arbeitete als Lehrerin. Und sie liebte ihre Arbeit. Rein theoretisch arbeitete ich nicht. Doch ich half Raphael jeden Tag bei seinem Papierkram. Und in zwei bis drei Jahren, wenn auch meine Tochter in die Schule ging, würde auch ich mir eine Arbeit suchen. Vielleicht eröffne ich eine Bibliothek. Es gab wenige, doch es gab sie. Bücher aus allen Zeiten und aus aller Welt werden dort aufbewahrt und vervielfältigt, um sie drucken zu lassen. 

Brooke lebte noch immer bei uns. Sie war in der Armee und blieb auch dort. Was aus Freya geworden ist, wusste keiner. Wir hatten nie wieder was von ihr gehört, nachdem sie in ihr Haus gezogen ist. Doch vermutlich war sie glücklich, genauso wie wir es waren. Was aus meiner Mutter geworden ist, weiß ich nicht. 

Es gibt Tage, an denen ich an sie denken muss. Ich vermisste sie sehr, schließlich war sie meine Mutter und würde es auch immer sein. Raphael hatte nach ihr suchen lassen, doch es war nichts zu finden. Vielleicht war sie tot. Oder sie lebte irgendwo in Nordamerika mit meinen Geschwister in Frieden. Letzteres redete ich mir immer ein. Vielleicht, weil es mir dadurch besser ging.

Unser Leben war nicht immer einfach. Es gab harte Momente. Schicksalsschläge. Doch wir haben es gemeistert. Und wir leben. Wir würden auch in Zukunft leben. Würden unsere Kinder aufwachsen sehen. Und wir würden sehen, wie sie eine bessere Welt aufbauen. Ich war also dankbar für mein Leben. Mit all seinen Höhen und Tiefen. Es hat mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin. Und dadurch durfte ich Raphael kennenlernen. Genauso wie all die anderen wunderbaren Fremden, die zu Freunden wurden.

A/N: So, das war's mit dem ersten Teil. Wie gefiel er euch? :) Das erste Kapitel von Teil zwei kommt heute Abend. :)