Kapitel 12

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Raphael lief nach draußen und ich folgte ihm. Ob ich Angst hatte? Ein wenig. Auch, wenn er mir gesagt hatte, dass ich die vor ihm nicht haben müsse. Die Angst und der Respekt vor Erzengeln steckte einfach zu tief in mir drinnen. So wurde ich erzogen. Das legt sich nicht einfach so. 

Er öffnete die Zimmertür und lief hinein. Weiterhin folgte ich ihm. Ich schloss die Tür auf seinen Befehl hin und sah dann auf den Boden. Vermutlich würde ich nun Ärger bekommen. 

"Mir ist zu Ohren gekommen, dass du heute arbeiten willst", sagte er. Also hatte Dave es ihm tatsächlich erzählt. Doch gefallen schien Raphael das ganz und gar nicht. 

Ich nickte, denn was hatte ich noch zu verlieren? Er wusste es ja bereits. "Nur, wenn Skylar und Cora es müssen. Es wäre unfair, hier zu bleiben, während von ihnen wer weiß was verlangt wird." Es war mutig von mir, hierauf zu antworten. Aber wenn er seine Worte ernst meinte, würde mich nichts allzu schlimmes und grausames erwarten. 

Weiterhin sah ich auf den Boden. Ich konnte hören, dass er näher kam. Mit seinen Fingern hob er meinen Kopf, sodass ich ihn ansehen musste. Er wirkte nicht mehr streng sondern eher verwirrt. 

"Ich erlaube dir einen freien Tag. Manch einer würde sich glücklich schätzen", sagte er und klang ebenso verwirrt wie er aussah. Er musterte mich, als würde er versuchen mich zu verstehen. 

"Cora ist meine beste Freundin. Und Skylar verdient eine Pause. Wenn beide keine bekommen, dann möchte ich sie auch nicht", erklärte ich selbstsicher. Mittlerweile war ich mir fast sicher, dass ich keine schlimme Strafe zu erwarten hatte. Vermutlich würde er mich einfach zu einem Engel schicken, denn so bekam er noch mehr Geld. 

Raphael ließ mein Kinn los, drehte sich um und begann hin und her zu laufen. "Skylar ist eine Sklavin. Sklaven stehen keine freien Tage zu, Citiana." Während er das sagte, sah er mich nicht an. 

Ich musterte ihn kurz. Er trug weiß. Vermutlich wegen der Tagung. Mir war aufgefallen, dass er die vorgeschriebene Kleidung für Erzengel recht selten trug. Lieber schien er zu normalen Sachen zu greifen. 

"Eine kleine Ausnahme würde doch keinen Unterschied machen", erwiderte ich. Ich versuchte es zu vermeiden, ihn direkt anzusprechen, da ich nicht wusste, ob ich ihn duzen oder siezen sollte. 

Raphael blieb stehen und fuhr sich durch sein Haar. Es wirkte als würde er mit sich selbst ringen. Als er seine geschlossenen Augen öffnete, sah er zu mir. 

"Fein. Sie bekommen den freien Tag", sagte er dann. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und am liebsten würde ich ihn dafür umarmen, doch das würde vermutlich eine Regel brechen, weshalb ich es sein ließ. 

Ich bedankte mich aus ganzem Herzen bei ihm und er nickte nur. Das fasste ich als Bitte, nun zu gehen, weshalb ich die Tür öffnete. Doch im Türrahmen blieb ich stehen und drehte mich noch einmal zu ihm um. 

"City", sagte ich und daraufhin wurde sein Blick fragend. "City mag ich lieber als Citiana." Nun bildete sich auch in seinem Gesicht ein Lächeln und ich verließ glücklich den Raum. Meine Meinung zu Raphael hatte sich komplett geändert. 

Ich konnte mich noch gut daran erinnern wie sehr ich mich davor gefürchtet hatte, hier her zu kommen, weil ich nicht wusste, wie Raphael und seine Wachen mit uns umgehen würden. Meine Vermutung war, dass man uns wie Tiere behandeln würde. Oder sogar schlimmer.

Doch dem war nicht so. Ganz im Gegenteil. Die Wachen, vor allem Dave, waren in Ordnung und Raphael war offener für Kompromisse als ich es erwartet hatte. Alles in allem gefiel es mir hier mittlerweile sogar. Ich vermisste mein Leben bei Gabriel überhaupt nicht mehr. 

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