Kapitel 5

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Mittlerweile war mehr als eine Woche seit unserer Anreise vergangen. Bis jetzt lief alles gut. Raphael sehen wir nur Morgens, wenn er uns unsere Aufgaben für den Tag nennt. Hin und wieder hatte es auch etwas mit seinem Bruder Raziel zutun, welcher noch immer hier war.

Ich lag in meinem Bett und starrte die Decke an. Es war halb fünf, ich hatte also noch eine halbe Stunde. Um ehrlich zu sein; ich wollte nicht aufstehen und ich vermisste mein Leben bei Gabriel. Dort hatte ich mehr als genug Zeit, um mit Cora zu reden, doch hier sahen wir uns fast nur in der Nacht. Und da hatten wir keine Zeit zum reden, wir mussten schlafen. 

Cora schlief noch, doch sie würde in wenigen Minuten aufwachen. Ihr Wecker war auf dreiviertel fünf gestellt. Bis jetzt hatte sie ihn immer gehört. Und sie redete auch kein Wort schlecht über den Ort hier oder Raphael. Cora hatte Angst und das merkte man.

Ich richtete mich langsam auf, schnappte mir meine Sachen und ging in das winzige Bad nebenan. Es gehörte uns, denn Raphael mochte 'saubere Diener', wie er es beschrieben hatte. Das Bad hatte eine Toilette, eine Dusche und ein Waschbecken. 

Ich ging schnell unter die Dusche. Nicht, um mich ordentlich zu waschen, sondern um mich einfach abzuduschen. So wurde ich schneller richtig wach. Dann trocknete ich mich ab und schlüpfte in meine Kleidung. Zähne brauchte ich noch nicht putzen, da es für uns erst halb sieben Essen gab. Danach hatte ich noch einige Minuten dafür Zeit. Zumindest war es in den letzten Tagen so. 

Als ich das Bad verließ, stand das Sklavenmädchen bereits vor der Tür. In der Nacht war sie nicht in ihrem Bett und ich fragte mich, wo sie war. Hatte sie sich etwa raus geschlichen? Wenn ja, dann müsste sie mir den Weg verraten.

Doch sie sah nicht glücklich aus. Es schien, als hätte sie eine ganze Zeit lang geweint. "Hey, alles in Ordnung?", fragte ich sie, als sie sich an mir vorbeischlängelte. Sie sagte kein Wort und schloss dann einfach die Tür. Ich seufzte. Seit dem Tag unserer Anreise hat sie kein Wort mehr mit uns gewechselt. Wirklich gar keins.

Die Sklavin von Raziel hatten wir überhaupt erst einmal zu Gesicht bekommen. Auch sie hatte nicht glücklich gewirkt. Sie war so gut wie immer bei ihm. Was für eine Art Sklavin sie war, wollte ich gar nicht erst wissen. 

Ich ging zum Hauptraum und wartete dort. Setzen durfte ich mich nicht, weshalb ich einfach dort stand und auf Cora wartete. Mittlerweile musste sie aufgestanden sein. Es war kurz von um fünf. Sie machte sich immer erst in der Essenszeit fertig, weshalb sie später aufstand als ich. 

Dann kam Raphael zusammen mit seinem Bruder, doch Cora war noch immer nicht anwesend. Scheiße, sie musste verschlafen haben. Das Sklavenmädchen war mittlerweile schon hier. Raziel kam zusammen mit seiner Sklavin. Der Grund dafür war unbekannt, doch das war auch egal. Um Cora machte ich mir Sorgen.

"Wo ist die andere?", fragte Raphael streng. Ich schluckte und sagte ihm, dass sie wahrscheinlich noch schlafe. Er nickte bevor er zu Raziel sah. Dann sah er wieder zu mir.

"Sag ihr, dass es heute nichts zu Essen für sie gibt", sagte er. Erst wollte ich nicken, verkniff es mir dann jedoch. Was ich jetzt machen werde, würde ich heute Abend bereuen, aber das war mir gerade egal.

"Ich nehme die Strafe für sie in Kauf und werde nichts essen", sagte ich und hob mein Kinn ein wenig. Ich tat es, weil sie gestern Abend so fertig und müde gewirkt hat. Es war eigentlich sogar zu erwarten, dass sie verschlafen würde. Und sie war meine beste Freundin, da war es selbstverständlich, dass ich ihr helfen würde. 

Überrascht sah Raphael mich an. Das hat wahrscheinlich noch keiner seiner Dienerinnen gesagt. Oder eher; das hat noch niemand von ihnen vorher gewagt zu sagen. Aber er war nicht nur überrascht, sondern da war auch noch etwas anderes in seinem Blick. Bewunderung? Vielleicht lag ich falsch, denn das glaubte ich nicht. 

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