Die Tür geht langsam auf. In der nächsten Sekunde steht ein Junge vor mir. Ein kleiner Junge. Ich senke überrascht den Blick, weil ich zuvor mit jemandem gerechnet habe, der naja...mindestens genauso groß ist wie ich.

Der Junge rückt etwas zurück und versteckt sich ein wenig hinter der Tür, als er mich sieht. Fast so, als wäre ich ein Monster, das droht, ihn bei lebendigem Leibe zu verspeisen. Na super. Ich komme sowieso nicht mit Kindern klar und jetzt öffnet auch noch dieser Zwerg mir die Tür.

Was soll ich tun? Leicht panisch gehe ich alle meine Optionen durch - ich könnte mich entschuldigen, so tun als hätte ich mich an der Tür geirrt und auf dem Absatz kehrt machen, von Zuhause weglaufen und ein Leben unter einer Brücke führen...oder ich stelle mich diesem kleinen Drachen und lasse die Strafe meiner Eltern über mich ergehen.

Ohne groß darüber nachzudenken, entscheide ich mich für die erste Möglichkeit. Vielleicht ist ein Brücken-Leben gar nicht so schlimm. Vielleicht öffnet es mir ungeahnte Türen in neue Welten, vielleicht lerne ich nette Brücken-Nachbarn kennen und führe ein schönes, bescheidenes Leben. Ich könnte mir von meinem Ersparten ein paar Kissen und Decken kaufen, vielleicht ein, zwei Jacken und dann könnte es echt gemütlich werden.

Mit einem leisen »sorry« drehe ich mich schnell wieder um und laufe los, bevor ich noch weiter darüber nachdenken kann. Ich schaffe genau drei Schritte, bevor ich jemanden meinen Namen sagen höre und wie angewurzelt stehen bleibe.

»Rebecca, sind Sie das?«

Mist. Großer, übergalaktischer Hundemist. Ich stehe wieder vor genau zwei Möglichkeiten: einerseits könnte ich meinen großen Traum vom Leben unter der Brücke verwirklichen, indem ich so tue, als würde ich mich nicht angesprochen fühlen, andererseits könnte ich mich umdrehen und den Babysitter Job doch noch in Angriff nehmen. Ich wiege meine Optionen ab und drehe mich am Ende doch um, auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt.

Ein dunkelhaariger, großer Mann steht vor mir. Er trägt einen schicken dunklen Anzug und darunter ein weißes Hemd. Sein Lächeln versprüht Wärme und wirkt keinesfalls aufgesetzt oder unangenehm. Er sieht genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt habe und doch ganz anders. Die Wärme, die ich bei unserem Telefonat verspürt habe, sehe ich in seinem Gesicht, aber er sieht viel...attraktiver aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Ich habe ihn mir ein wenig runder, kleiner und irgendwie älter vorgestellt. Er gehört gehört definitiv zu der Sorte Männer, die mit dem Alter wohl attraktiver werden. Wie ein Wein, der mit den Jahren immer besser schmeckt.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln, als er mich immer noch freundlich mustert. »Oh. Hey Mr. Moranis.« Ich lache auf und kratze mich am Hinterkopf, während ich mir passende Worte im Kopf zurecht lege. »Was machen Sie denn hier?«

Wie bitte, was? Das waren definitiv die unpassendsten Worte, die ich hätte bringen können. Innerlich schlage ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. So etwas kann auch nur von mir kommen, oder? Wieso kann ich mich nicht einmal wie ein normaler Mensch benehmen?

Vielleicht könnte ich Mr. Moranis erklären, dass ich dringend nach Hause muss und den Job nicht annehmen kann. Die Ausrede mit dem Hund letztens ist gar nicht so schlecht gewesen, vielleicht würde er mir glauben...oder ich sage ihm die Wahrheit - nämlich, dass ich mit Kindern gar nicht klar komme und sie nicht mit mir. Vielleicht ist das aber auch nicht nötig, weil er nämlich bemerkt wie ungeeignet ich für diesen Job bin, sobald er mich richtig kennenlernt. Sein kleiner Sohn scheint mich jedenfalls jetzt schon nicht zu mögen.

Aber er sagt nichts zu meiner lächerlichen Frage, stattdessen lacht er und tritt zur Seite, während er einladend ins Haus zeigt.

Der kleine Junge, der mir eben die Tür geöffnet hat, steht immer noch da, die Hand seines Vaters auf der Schulter. Ich schlucke. Er wirkt ganz anders als sein Vater, der offen und freundlich ist - der Kleine sieht verschlossen und ziemlich misstrauisch aus. Das fängt ja schon richtig gut an.

BadassWhere stories live. Discover now