Ain't it fun

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Ain't it fun, living in the real world?~

Jungkook

Ich erinnere mich nicht mehr wirklich gut an meine Kindheit. Die meisten Erinnerungen sind verschwommen und schwach. Wirklich an Taehyung kann ich mich dementsprechend auch nicht erinnern. Natürlich habe ich ihn später hin und wieder gesehen, aber dann war er ganze zwei Jahre weg und da hat er sich verändert.

Es gibt nur eine Erinnerung, die beinahe kristallklar in meinem Gedächtnis erhalten geblieben ist. Eine schöne und zugleich ein traurige. Es war Sommer, genau wie jetzt und es war verdammt heiss. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich bei ihm oder Tae bei mir geklingelt hat, aber einer von beiden hat den anderen auf die Strasse geholt. Draussen haben wir uns dann eine ziemlich wilde Wasserschlacht geliefert.

Während der Ältere eine ziemlich teuer aussehende Wasserpistole hatte, habe ich mich mit einem Kessel voll Wasser verteidigt. Zwar war die Wasserpistole für die Entfernung sehr effektiv, aber er wurde definitiv nasser als ich.

Ich weiss noch, wie wir lachend durch das Quartier gejagt sind, immer hat einer den anderen gehetzt. Ich weiss noch, wie Tae stehen geblieben ist und ich ihm triumphierend den Kessel voll mit Eiskaltem Wasser übergeleert habe. Er ist herumgewirbelt, hat mich am Hangelenk gepackt und ist mit mir zurückgestolpert. Ich war allerdings ungeschickt genug, hinzufallen, sodass wir aufeinander gelegen haben und uns lachend angesehen haben, tropfend nass, aber ohne irgendwelche Sorgen.

Und dann wurde Taehyung von mir gehoben, ich wurde auf die Füsse gezerrt und ins Haus gezogen, ohne, dass wir wussten, was los war oder wir uns voneinander verabschieden konnten.

Es war mein Vater und er hat laut auf mich eingeredet. Ich weiss nicht mehr, was er alles zu mir sagte, aber ich erinnere mich noch an den letzten Satz, den er mir sagte und welchen ich mir ganz genau eingeprägt habe.

"Du gibst dich nicht mehr mit diesem Burschen ab!"

Und dann fing sein wortwörtlicher Wahn an, mich in allem zum Besten zu machen.

Einerseits ist die Erinnerung schön, weil sie mich an eine Unbeschwertheit erinnert, die damals in meinem Leben herrschte, die heute niemals wieder sein wird. Diese Erinnerung hüte ich wie ein Schatz, sie bedeutet mir so viel. Mit ihr verbinde ich Glück und Freiheit. Es ist nur der Gedanke an zwei unbeholfene, naive Kinder, die gemeinsam Spass hatten, doch sie ist einer der schönsten Dinge, die ich in meinem Leben weiss.

Andererseits macht sie mich traurig, weil sie das Ende meiner Kindheit bedeutet. Ab diesem Punkt gab es für mich nichts mehr, als Lernen, Klavierspielen und ab und zu etwas Freizeit. Ich habe mich all die Jahre nie darüber beschwert, trotzdem fehlt mir diese Freiheit, die ich mal hatte. Und jetzt, wo ich endlich selbst etwas erleben will, fallen mir all die Regeln meiner Eltern zur Last. Ich ersticke fast daran.

"Jungkook?", reisst mich die Stimme meiner Mutter aus meinen Gedanken. Fragend sehe ich vom Essen auf, in ihre Gesicht, das mich besorgt mustert. "Ist alles in Ordnung? Du siehst bedrückt aus", bemerkt sie ruhig und legt ihre Hand auf meinen Unterarm. Ich ordne rasch meine Gedanken und nicke dann, wobei ich den Ansatz eines Lächelns zeige.

"Mum, wieso mögt ihr die Kims nicht?", platzt es dann aus mir heraus. Nun herrscht erstmal Stille am Tisch. Meine Eltern schauen mich perplex an, bis Vater sich räuspert. "Woher kommt diese Frage auf einmal?", möchte er wissen und verschränkt die Arme vor der Brust.

Ich wiege den Kopf hin und her. "N-na ja", murmle ich unsicher, "Ich frage mich nur, wieso wir überhaupt mit ihnen streiten."

Vater schnaubt, Mum jedoch drückt meinen Unterarm, woraufhin ich zu ihr sehe. "Es ist wegen dem Jungen, oder? Du hast ihn gesehen, nicht wahr?"

"Er scheint ganz nett", werfe ich ein, "Was habt ihr gegen diese Familie?"

"Hast du dir den Bengel einmal angesehen?!", knirscht Vater mit den Zähnen, "Mit seinen Ohrringen, Ringen und den schäbigen Klamotten? Sowas hat nichts mit meiner Familie zutun!" Ich runzle die Stirn. "So heruntergekommen sieht er gar nicht aus, Vater!", verteidige ich den Dunkelhaarigen harsch.

"Du wirst dich nicht in seine Nähe begeben!", blafft mein Vater.

Ich verdrehe die Augen und stehe auf. "Was ist denn schon dabei, wenn wir befreundet sind? Das ist doch nichts Böses! Er hat mir nie etwas getan!", rede ich auf ihn ein.

"Schluss jetzt! Du verkehrst mir nicht mit diesem missratenen Punk, verstanden?!"

Ist es nicht lustig? Eine Familie zu haben, die dich vor der Welt versteckt hält? Eine Familie zu haben, die dich zu Dingen zwingt, die du nicht tun willst?

Eine Familie zu haben, die dir dein Leben genau vorschreibt?

Und ist es nicht noch tausendmal lustiger, wenn man zu schwach ist, um sich dagegen zu wehren?

Wütend sehe ich meinen Vater an, der den Blick genauso zornig erwidere, bevor ich abfällig schnaube. "Mit euch zu reden ist sowieso zwecklos", murmle ich, wirble herum und verlasse das Esszimmer. In Windeseile suche ich mein Zimmer auf, schlage dessen Tür zu und lehne mich erschöpft an diese. Wieso fühlt es sich so an, als verbringe ich mein Leben in einem Käfig? Die ganze Zeit sehe ich die grosse Freiheit durch die Gitterstäbe, spüre den Wind, sehe die anderen, wie sie ihr Leben in vollen Zügen geniessen.

Aber ich bin eingesperrt. Angekettet.

Kraftlos lasse ich mich am Holz hinunter rutschen, bis ich mit angewinkelten Beinen auf dem Boden hocke und meinen Kopf an die Tür anlehne. Während man anderen sogar hilft, sich ein Stück dieser Freiheit zu holen, sperrt man mich weiter ein. Wie gerne hätte ich auch nur ein Krümel dieser Freiheit da draussen?

Aber keiner wird den Käfig je aufmachen.

Forbidden [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt