31. Kapitel

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Der Nebel durchwabert den Wald, wie so oft in dem verspäteten Herbst und verschleiert unsere Sicht. Wir dringen immer tiefer in den Wald ein, keine Spur von Menschen oder gefährlichen Raubtieren, leider auch keine von einem Rudel.

Wir laufen hintereinander, Solei ist vor mir und ich achte darauf das er nicht zurückfällt. Ich merke wie er aufblüht und sich immer wohler fühlt. Ich kann wieder jagen und einfach durch den Wald rennen, bis ich nicht mehr kann. Ich bin glücklich, doch ich weiß, das wir den Winter nicht überleben werden, wenn wir kein Rudel finden.

Leica stößt wieder zu uns und schüttelt auf unsere fragenden Blicke nur ihren Kopf. Sie war im Wald und hat nach Spuren gesucht, doch nichts außer ein paar frischen Rehspuren und unser eigener Geruch ist hier. Ich habe keine Ahung wie lange dieser Wald ist und habe auch schon ein ernsthaftes Gespräch mit Leica geführt, die sich aber strickt weigert mich und Yup zu verlassen und mit Solei in die Berge zu gehen, sie sagt dort wäre er auch nicht besser dran da dort ebenfalls auch Schnelligkeit zählt und er würde nur ausgelacht und verstoßen. Ich nenne es nur eine Ausrede bei uns zu bleiben und darüber bin ich erleichtert.

Gedanken verloren laufe ich in Solei der vor mir stehen geblieben ist, perplex starrt er mich an, ich mit zusammengekniffenen Augen zurück.

"Was?" knurre ich misstrauisch.

"Früher wäre dir das nie passiert" antwortet er leise, ich zucke zusammen. Ich mus zugeben das ich mich sehr verändert habe. Ich bin immer weniger gelaufen und habe viel meiner Muskeln verloren, dennoch habe ich nicht abgenommen, mehr zu. Zu meinem Entsetzen habe ich gemerkt wie ich immer mehr Sjard Kendall geähnelt habe. Doch ich durfte nicht laufen und meine Kondition wurde immer schlechter. Ich habe vergessen wie es ist alles mitzubekommen, immer wachsam zu sein und ich bin verletzlich geworden, meine Mauer ist gefallen, eingerissen von Yup und meinen anderen Freunden die ich gefunden und wieder verloren habe...

"Viel hat sich seitdem verändert, ich bin nicht die einzige" knurre ich und stapfe wütend an ihm vorbei, Yup der vor ihm steht tritt einen Schritt beiseite um mich durch zulassen. Das gibt mir den Rest, als ob das nötig gewesen wäre, so fett bin ich nun auch wieder nicht. Knurrend renne ich los, lasse die drei hinter mir und laufe einfach blindlings los.

Blätter stieben hinter mir auf und Bäume zischen an mir vorbei. Wütend hacke ich mit meinen Krallen in den Boden und schleudere mich mit jedem Satz weiter nach vorne, ich erreiche nicht einmal annähernd die Geschwindigkeit die ich früher, vor Sjard und Anarcén erreicht hätte. Ich werfe einen Blick zurück... Yup hält locker mit mir Schritt.

Wütend renne ich weiter, das Blut rauscht durch meinen Körper, meine Lungen hören auf zu arbeiten, ich stopler und mein Herz setzt aus. Mit voller Wucht knalle ich auf den Boden, meine Schulter kreischt auf aber ich springe wieder auf, will weiter rennen, einfach nur weg.

"Warte!" ruft Yup doch als ich nicht reagiere springt er mit einem großen Satz auf mich und wirft mich zu Boden. Wütend knurre ich, flätsche meine Zähne und tobe.

Er kennt mich, ich würde ihn nicht verletzen. Ich tobe herum, versuche mich zu befreien und weg zu rennen, so wie ich es immer tun konnte, doch jetzt zwingt er mich zum bleiben. Ich kann nicht mehr, es gibt diesen einen Moment in dem einfach alle Muskeln versagen und der ist jetzt. Ich erschlaffe und schließe meine Augen. Eine unendliche Trauer bedeckt mich. Ich bin ein Schatten meiner selbst, ich bin weich geworden, das muss sich ändern.

Yup wartet darauf, das ich rasend wieder aufspringe und ihn in einem Überraschungsangriff einfach von mir werfe, doch ich bleibe liegen, habe keine Kraft mehr auch nur meine Augen zu öffnen.

"Bleib liegen", er steht auf und legt sich neben mich, ich bewege keinen Muskel und liege einfach nur seitlich auf dem eiskalten Boden.

"Was ist los?", fragend legt er den Kopf schief, ich bewege mich nicht.
Er atmet tief ein...

"Nein", erschrocken zuckt er zusammen, ich habe so leise geflüstert das er mich kaum verstanden hat.

"Komm näher..." meine Stimme versagt, er hat mich verstanden und rutscht neben mich, sein Fell schmiegt sich an mich und ich genieße einfach nur das jetzt.

Eine sanfte Schnauze weckt mich, ich blicke in seine blauen, strahlenden Augen. Dieser Moment soll nie enden.

"Wir sollten zurück zu Solei und Leica" ich springe auf, mein Körper sagt mir laut das er keine Lust hat, doch ich gehe einfach los, meine Schulter brüllt bei jeder Gewichtsverlagerung und ich laufe einfach immer weiter, gefolgt von einem besorgten Yup.

Wir folgen der Geruchsspur der beiden die immer weiter nach Osten führt. Mein Magen knurrt, ich ignoriere das einfach un trabe weiter, Yups besorgten Blick auf mir.

Heulen, laut und klar wie ein ruhiger See.

Mein Kopf schießt hoch und ich wittere in der kühlen Nachtluft, Yup gähnt und bleibt langsam stehen. Mein Körper ist gespannt und zittert leicht. Mit gesträubten Fell laufe ich wieder los immer weiter in Richtung des Heulens. Das sind viele Wölfe, ein Rudel wenn nicht mehr. Meine Schritte werden immer schneller und gefolgt von einem zerstrubbelten Yup zische ich durch den dunklen Wald.

Es geht immer mehr bergauf und wir kommen kurz vor einer Lichtung zum stehen. Ich unterdrücke meinen schnellen Atem und starre mit glühenden Augen auf die Lichtung. Viele Wölfe haben sich dort versammelt, es ist ein riesiges Rudel. Die jungen Wölfe stehen am Rand und beobachten was im inneren passiert.

"Sie sind nur zu zweit? Bist du dir sicher?" ein Knurren klingt über die Lichtung.

"Du kannst mir vertrauen, es waren nur die zwei, der eine wird so oder so nicht lange überleben können, sie kann vieleicht hier bleiben, helfen jagen oder auf die Welpen aufpassen" Antwortet ein Wolf, ich versteife mich. Ich kenne die Stimme, ich liebe diese Stimme.

Ich trete auf die Lichtung, die Wölfe knurren und fiepsen erschrocken auf und weichen mir aus, ich muss aussehen wie ein Geist mit glühenden Augen der durch sie hindurch auf den Mittelpunkt der Versammlung zugeht.

Leica und Solei liegen am Boden, mehrere Wölfe halten sie in schach, ihre Augen weiten sich als sie mich sehen. Mein Blick wandert zu dem Anführer des Rudels, neben ihm steht ein weiterer, alter Wolf. Ich erkenne ihn sofort und er mich ebenso. Ich starre ihn einfach an. Ich dachte er sei tot, das Ahron auch ihn getötet hat. Seine Augen suchen meinen Blick.

"Was will es?"zischt ein Wolf, ich gehe auf den Alten zu.

"Merlin?" meine Stimme ist leise, fragend. Seine Ohren fahren gespitzt nach vorne.

"Sha... Shakira?" stottert er verwirrt, dann seuftzt er auf und drückt seine Nase an meine Wange, ich lecke über seinen Kopf. Vorsichtig gehe ich wieder auf Abstand und sehe ihn verwundert an.

"Erzähl mir alles"sage ich wissbegierig doch er schüttelt nur lachend seinen Kopf.

"Morgen meine hübsche, ich will jetzt schlafen" antwortet er. Ich trete zu Solei und blicke auffordernd zu dem Vater meiner Mutter.

"Sie sind meine Freunde"

Merlin wendet seinen Blick zu dem entgeisterten Anführer, dieser nickt und ich atme auf als die Wölfe von Solei und Leica ablassen. Ich folge Merlin und werfe einen Blick auf die Büsche, in denen gut getarnt ein schwarzer Wolf steht, und in dessen traurigen, blauen Augen sich das blasse Mondlicht spiegelt.

Der albino WolfWhere stories live. Discover now