Sich Vergleichen & Ausblick

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Der in unser Gesellschaft grassierende Zwang, sich ständig und überall vergleichen zu müssen, stellt leider auch für mich ein großes Problem dar. Wahrscheinlich noch ein größeres als für viele andere, obwohl oder eben gerade weil ich in der Schule, wo extrem viel verglichen wird, meistens sehr gut davon komme.

Problematisch daran ist, dass ich in zu wenigen Bereichen wirklich gelernt habe, zu "verlieren". Im Gegenteil habe ich mich lange fast nur über schulische Leistungen definieren können, weil ich von den meisten Mitschülern darauf reduziert wurde, eben der Klassenbeste oder "Streber" zu sein. Aber wieder würde es der Sache nicht gerecht werden, da jetzt die Schuld nur ihnen zuzuschieben. Ich habe mich auch einigermaßen freiwillig und ziemlich leichtfertig in diese Rolle gefügt.

Problematisch finde ich das, weil früher oder später der Moment kommen wird, wo auch ich wirklich erleben werde, dass es noch andere gibt, die mir überlegen sind, was Schulisches betrifft. Natürlich gibt es auch jetzt schon immer wieder so Momente, wo mir bewusst wird, dass ich eben auch begrenzter bin, als ich es vielleicht gerne wäre; aber noch muss es mir nicht immer wirklich bewusst sein.

Der daraus resultierende Unwille, andere als intelligenter anzuerkennen rührt daher, dass ich ohne diesem Kriterium nicht mehr wirklich benennen könnte, was mich ausmacht. (Was jetzt nicht heißen soll, dass das wirklich meine Antwort in einem Gespräch wäre.) Ich würde in der Mittelmäßigkeit untergehen, was ich bisher nur mit Schlechtem verbinden kann. Solche Gefühle kommen mir dann schon, wenn man nur von etwa Gleichaltrigen hört, die in bisher 'meinen' Bereichen schon viel mehr geleistet haben. Ich kann es ihnen nicht wirklich gönnen, auch wenn sie mir nichts getan haben, nicht einmal in direkter Konkurrenz zu mir stehen.

Diese Gefühle würde ich liebend gern unterdrücken; ich weiß, dass es nicht gerade rühmlich ist, den anderen Leistungen zu vergönnen, nur weil man selbst nichts Solches geleistet hat. Deshalb sind das auch Empfindungen, die ich bisher noch nie mit jemandem geteilt habe, weil ich mich ziemlich für sie schäme; gerade hoffe ich einfach nur, dass es mich nicht allzu unsympathisch erscheinen lässt.

Ich denke, dafür, dass sich diese Situation ändert, gibt es zwei wichtige Voraussetzungen. Die erste ist eine neue Umwelt. Wenn ich in naher Zukunft mein Studium beginne, werde ich sicher mit Leuten in Kontakt kommen, die mich mit ihren logischen Fähigkeiten, Gedächtnis etc. in die Tasche stecken. Die Hoffnung ist, dass ich lernen werde, damit umzugehen, wenn ich einfach damit umgehen muss. Eine zweite Hoffnung an diesen neuen Abschnitt enthält die zweite Voraussetzung: mehr sozialen Kontakt, hoffentlich auch mal das Wissen, dass jemanden gibt, der mich liebt. Das alles könnte mir dabei helfen, ein neues Selbstbild unabhängig von irgendwelcher Leistung zu definieren und richtiges Selbstbewusstsein zu erlangen.

Gleichzeitig bietet der bevorstehende Übergang in einen nächsten Lebensabschnitt, das Studium, das ich wohl in einem Jahr, oder zweien, falls ich noch ein Zwischenjahr mache, angehen werde, auch einige Risiken. So fürchte ich schon jetzt, mich in dieser Zeit zu isolieren. Denn während dem Studium gibt es ja keine Klassen, wo man sich zwangsläufig mit anderen austauscht, sondern wenn man keine Kontakte selbständig knüpft, hat man dann halt einfach keine Kontakte. Darin, auf Menschen zuzugehen, bin ich aber ziemlich schlecht; wie schon früher berichtet ist das für mich auch bei Menschen, die ich eigentlich schon mal kannte, eine ziemliche Herausforderung.

Was das Ganze in meinen Augen besonders kritisch macht: Meine Eltern wollen am liebsten, dass ich während des Studiums, zumindest zu Beginn, zuhause wohnen bleibe und zur Uni pendle. Ich würde eigentlich viel lieber ausziehen, nicht weil es mir hier etwa nicht gefallen würde. Der wahre Grund, natürlich auch gepaart mit der simplen Neugier, die Welt etwas zu erkunden, ist, dass ich diese Gefahr der "Selbstisolation" noch als viel größer einschätze, wenn ich zuhause wohnen bleibe. Ziehe ich aus, habe ich nämlich eher den Zwang, mir neue Freunde zu suchen, wenn ich abends nicht immer ganz alleine sein will. Außerdem würde ich dann mehr Zeit in der Stadt verbringen, vielleicht noch auf dem Campus bleiben, wo ich auch Chancen habe, Freundschaften zu schließen.

Nur weiß ich nicht, wie ich diesen Wunsch meinen Eltern sagen soll. Diese gerade erläuterten Gründe offen darzulegen würde ich wohl kaum wagen; ausreichend Mut zu dieser Ehrlichkeit habe ich wohl leider nur in der Anonymität des Internets. Sie haben dagegen das Argument auf ihrer Seite, dass das Leben in der Stadt die Kosten des Studiums stark erhöhen würde. Dieser Begründung kann ich auch wenig entgegen setzen, da ich mich allgemein schon etwas unwohl fühle, wenn ich bedenke, wie viel Geld sie für mich ausgeben. Da möchte ich ihnen eigentlich nicht noch mehr Ausgaben zumuten, auch wenn ich weiß, dass sie faktisch kein echtes Problem darstellen würden.

Zusammengefasst blicke ich mit sehr gemischten Gefühlen in die nächsten Jahre. Es wird sich vieles verändern, doch tut dies sowohl Chancen als auch Risiken auf. So habe ich Hoffnungen, an der Uni neue Freunde und vielleicht mehr kennen zu lernen und mein Wesen zu öffnen. Oft genug dominiert aber auch die Angst, dass ich mich während dieser Zeit fast völlig isoliere und einen wichtigen Lebensabschnitt in weiten Teilen, nämlich den sozialen, ziemlich verpasse.

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