Gute Freundinnen

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So, dieser Teil wird hoffentlich etwas hoffnungsvoller als die vorangegangenen, schließlich verspreche ich mir aus den Veränderungen, die aus diesem Jahr hervorgegangen sind, viel Gutes.

Erst seit etwa neun Monaten führe ich mit zwei Mädchen auch Gespräche über (sehr) private Dinge. Das hat so begonnen, dass ich mich verliebt hatte, und mich nie irgendwas getraute, und dann entschloss, dass ich gute Ratschläge nötig hatte. Also habe ich "unauffällig" das Gespräch (also per Whatsapp) mit einer Mitschülerin so in Richtung Beziehungen gelenkt und recht schnell wollte sie halt von mir wissen, in wen ich denn verliebt sei, wie ich es beabsichtigt hatte. Ich habe dann noch eine Weile so getan, also ob ich mich überwinden müsste, und ihr dann den Namen genannt. Darüber, wie es denn mit meinem Schwarm gelaufen ist, werde ich wohl in einem der nächsten Kapitel schreiben, erst mal zum Verhältnis mit diesem Mädchen.

Sie hat mir auch einiges über sich erzählt. Sie ist Muslimin und hat deshalb genau so viel bzw. wenig Erfahrung in Sachen Liebe wie ich. Allerdings würde ich mich wenig vertrauenswürdig fühlen, wenn ich jetzt diese Geschichten hier ausbreitete... Auf jeden Fall war es ein sehr gutes und mir bis anhin noch völlig unbekanntes Gefühl, dass sie mir so viel anvertraute. 

Allerdings war der für mich wichtigste und aber auch schwierigste Teil das Teilen meiner Gefühle. Ich hatte mich jahrelang so abgekapselt aus der Angst, verlacht zu werden, und so ein falsches Bild bei meinen Mitschülern erzeugt. Das Mädchen hat mir gesagt, dass viele wohl daran zweifeln, ob ich denn überhaupt Interesse für das andere Geschlecht empfände, und das nicht einmal mit der Bedeutung "vielleicht ist er ja schwul" sondern eher "der hat halt lieber seine Bücher als Mädchen". Ich bin mir im Gespräch mit ihr bewusst geworden, dass ich in einer Art Teufelskreis steck(t)e. Je länger ich nichts über das Thema verlauten lasse, sondern beschämt versuche, das Thema zu wechseln, desto weniger kann ich in späteren Situationen anders verfahren. Ich habe von ihr gelernt, dass es Menschen gibt, und man solche braucht, denen man so viel anvertraut kann, dass sie einen bis auf die Knochen blamieren könnten, da man durch sie einfach so viel profitiert, zum Beispiel an Selbstvertrauen.

Dass ich aber noch immer nicht öffentlich (außer natürlich hier ;D), oder im Freundeskreis, über solche Themen spreche, also Liebe und Sexualität, zeigt, dass sich durch sie mein Leben und Verhalten auch nicht auf einmal komplett verändert hat, denn ich habe große Probleme, das "Erlernte" umzusetzen. 

Allerdings wäre ich gerne noch einmal in der Situation, die ich mit "Emma" schon einmal hatte: Ich fantasiere, wie ich anders hätte handeln können in den Chats mit ihr, als wir eigentlich schon voll beim Thema waren, während wir eine volle Ferienwoche lang jeden Tag mehrmals schrieben. Ich denke, ich könnte jetzt mit ihr etwas offener reden. Zwar wohl immer noch nicht meine Liebe gestehen, aber vielleicht mehr über mich erzählen, sodass sie sich in mich hineinversetzen kann und sieht, weshalb ich denn keinen richtigen ersten Schritt mache.

Jetzt noch zu der zweiten Kollegin. Wir hatten vorher kaum Kontakt, wurden aber wahrscheinlich von der ersten "zum Labern vermittelt". Sie kommt aus Osteuropa und hat noch einen gewissen Akzent, macht sehr viel für die Schule, so scheint es auf jeden Fall, und ist seltsamerweise in der Parallel-klasse nicht wirklich beliebt, zumindest bei den Jungs. Keine Ahnung weshalb. Auf jeden Fall schreiben wir nun alle paar Tage, und eigentlich auch immer über sehr Privates. Sie ist in vielen Belangen das komplette Gegenteil von mir, sie hatte nämlich schon viele Beziehungen und erzählt auch immer wieder von einem anderen, den sie "süß findet".

Ich habe ihr erzählt, wie "sehnsüchtig" ich auf meine erste Beziehung warte, und habe auch etwas durchblicken lassen, dass ich sie ein wenig beneide um die vielen Dates und Beziehungen, die sie schon hatte. Sie wiederum hat dann gesagt, dass ich doch alles richtig gemacht hätte und vieles, wo sie dabei war, sehr unreif und nicht sehr schön war. Als Beispiel hat sie ihren ersten Kuss angeführt, der im Zuge eines Wahrheit-oder-Pflicht-Spiels geschah. Im Gegensatz zu der ersten  Freundin, der dafür die Erlaubnis der Eltern fehlt, ist sie nämlich ein häufiger Gast auf Partys und geht am Wochenende aus.

Ihr habe ich dann auch einmal die Frage gestellt, weshalb denn die meisten Mädchen anscheinend eher auf die "Coolen", aus meiner Sicht auch häufig auf Arschlö**** stehen. Sie hat dann gemeint, dass das halt die wären, mit denen man feiern könne, und ich müsse mich nur gedulden, die Mädchen kämen dann schon zu den "braven" Jungs, wenn sie älter werden und etwas Ernsthaftes suchen. Ich frage mich, inwieweit das stimmt. Natürlich möchte ich es hoffen, aber ich habe Angst, dass es nur Selbstbetrug ist, damit ich nicht schon heute über meinen eigenen Schatten springen muss. Außerdem fühle ich mich schon heute bereit für meine ersten Erfahrungen und bin der Überzeugung, dass das extrem schwierig werden wird, wenn ich dann mit über zwanzig Jahren immer noch so unerfahren nach einer Freundin suche. Ehrlich gesagt möchte ich es nicht wahr haben ;(

Mir haben all diese Gespräche / Chats mit den beiden extrem geholfen, mich zu öffnen; bevor ich mich dazu entschlossen hatte, hatte ich noch nie jemandem auch nur ein Wort über solche Sachen wie Liebe erzählt. Es hat mir gut getan, auf Verständnis zu stoßen, und ermutigt zu werden, auch wenn es konkret nichts gebracht hat.



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