Alkohol und Wichtigeres

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Ich habe ein Problem im Umgang mit Alkohol. Nein, nicht wie du wahrscheinlich gerade denkst, sondern genau anders herum: Ich habe, siebzehnjährig, noch nie ein eigenes Glas von etwas Alkoholischem getrunken, nur je einmal einen kleinen Schluck Bier und Wein probiert. 

Erst einmal, weshalb ich das (zum Teil) als Problem sehe: Jedes Mal, wenn ich den Konsum von Alkohol auf Anfrage ablehne, fördere ich das Bild vom langweiligen Streber, den andere (momentan zu Recht) von mir haben. Wenn ich an harmlosen Feiern von Mitschülern teilnähme, so würde ich sicher manche Freundschaft vertiefen können und auch von den Mädchen ganz anders wahrgenommen werden, so zumindest eine Hoffnung von mir. Meine Angst vor dem Alkohol scheint ja im Wesentlichen unbegründet zu sein, man kann ja sehr wohl davon konsumieren, ohne gleich betrunken zu sein. Vielmehr als meinen Körper und Ruf zu schützen, isoliere ich mich durch den Verzicht immer mehr.

Die Gründe, weshalb ich keinen Alkohol trinke, sind sehr schwierig zu benennen. Ich kann mich selber einfach nicht einschätzen, wie ich unter dessen Einfluss handelte, und möchte es einfach nicht auf einen Versuch anlegen. Ich möchte bewusst handeln und habe Angst, irgendwie meine "Würde" zu verlieren, auch wenn die anderen dies wohl überhaupt nicht so auffassen würden. Mein Problem ist ein wenig, dass ich dem Bild der anderen über mich gespalten gegenüber stehe: Zwar sehe ich, dass sich etwas damit verändern muss, wenn ich denn zum Beispiel auch als Person mit vollwertigen Gefühlen und damit als potentieller Partner wahrgenommen werden will. Allerdings scheue ich dann doch den ersten Schritt, dieses Bild aufzuweichen, was beispielsweise dadurch geschehen könnte, dass ich mal ernsthaft daran teilnähme, wenn die anderen gemeinsam feiern und Alkohol trinken, was ja immer noch in einem gesunden Rahmen passieren könnte. 

Ich kann mich irgendwie nicht entscheiden, ob ich dieses Image vom unschuldigen und unerfahrenen und nur an Wissen orientierten Jungen behalten will. Und hierfür ist dieser Verzicht auf Alkohol (oder vielmehr die Angst davor) nur ein Beispiel. Auch sonst könnte ich konsequenter nach derjenigen sozialen Integration streben, die ich mir eigentlich wünsche. Doch würde ich das Bild der anderen überhaupt noch groß verändern können? Irgendwie zweifle ich daran und denke, dass ich wohl dann in den Augen der anderen immer noch der Streber wäre, der sich nun auch noch blamiert. Entspricht es vielleicht doch der Wirklichkeit, dass man es als komisch ansähe, wenn ich jetzt trotzdem noch "normaler" werden würde? Wenn ich es mir so überlege, tönt es ziemlich abwegig, aber es ist doch der Grund dafür, dass ich mich bis jetzt noch die dazu durchringen konnte, ernsthaft Bemühungen zu unternehmen, das Bild der anderen von mir ernsthaft zu ändern.

Der StreberkomplexWo Geschichten leben. Entdecke jetzt