Der Leistungsdruck

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Regelmäßig ertappe ich mich dabei, wie ich andere Leute beneide, die schulisch etwas weniger gut sind als ich, dabei werden diese es wahrscheinlich anders sehen, was ja auch logischer erscheint. Für mich aber ist es ganz eindeutig so, dass es diejenigen besonders leicht haben, die eigentlich immer so "zu den fast Besten" gehören. Als Klassenbester hat man nämlich immer großen Druck, häufig durch nicht ganz ernst gemeinte Bemerkungen, wenn man halt mal nicht der Beste ist. Klar werde ich wohl bei den meisten kein allzu großes Mitleid hervorrufen, was ich auch absolut nachvollziehen kann, aber Ihr könnt es mir ruhig glauben: Mit jedem Mal, wenn man die beste Note hat, steigt der Druck, der von den Mitschülern impliziert wird, und damit (zumindest bei mir) auch der eigene. Als ich so 12-14 war, konnte ich mit "nur guten" Noten sehr schlecht umgehen, mehrmals bin ich fast in Tränen ausgebrochen, obwohl doch eigentlich alles völlig in Ordnung war. Ihr könnt euch ja vorstellen, dass das nicht gerade zu meinem Ansehen beigetragen hat...

Heute kann ich damit schon viel besser umgehen. Was aber eigentlich immer noch übertrieben ist: Ich mache mir viel zu viele Gedanken über die Noten, rechne herum, was für Noten ich denn noch schreiben muss, um eine Eins im Zeugnis zu erreichen. Als ob das für mein späteres Leben sooo wichtig wäre! Das Problem ist aber, dass ich das jetzt und hier zwar niederschreiben kann und davon auch überzeugt bin, aber trotzdem wiederholen sich meine Gedankenmuster. Immer und immer wieder. Allerdings habe ich einige Gegenstrategien entwickelt:

Wenn ich eine Note erwarte, die wahrscheinlich niedriger ausgefallen ist, als mein Schnitt, versuche ich, möglichst aus zeitlichem Abstand auf die Szene zu schauen. Dann erkenne nämlich sogar ich, wie absurd meine Gedanken und Gefühle eigentlich sind. Ich stelle mir dann vor, wie ich wohl in ca. 20, 30 Jahren über diesen Tag denken würde: Natürlich besser, wenn ich heute damit locker umgehe; schließlich wird mein Werdegang von einzelnen Noten, die immer noch gut, wenn auch nicht sehr gut sind, nicht wirklich abhängen, da ich auch nicht im Sinn habe, etwas zu studieren, das einen richtig hohen NC hat.

Eine zweite: Ich summe (gedanklich oder halt zumindest leise) ein Lied vor mich hin, dass ich mag. Im Moment mein Favorit: Narcotic von Liquido. Das transportiert so wunderbar die Wahrheit, dass das Leben weitergeht, was auch passiert. (außer natürlich man stirbt.... ;-))

Nochmals kurz zu meiner Behauptung, dass es die "fast Besten" besser haben: Vielleicht ist das auch nur ein Produkt des Phänomens, dass so ziemlich jeder manchmal genau das gerne hätte, was er nicht haben kann, auch wenn es eine Person, die es hat, es genau umgekehrt sieht. (Bsp: Leute mit lockigem Haar hätten (manchmal) lieber gerades, und umgekehrt.) Allerdings sind dies die Vorteile, die ich bei ihnen sehe: Niemand bemerkt es, wenn sie mal etwas weniger gut waren als normalerweise, wenn sie es nicht erzählen. Dagegen gibt es viele Lehrer, die bevorzugt dann bekanntgeben, welche Schüler die besten Noten geschrieben haben, wenn es mal andere gewesen sind. Ich selbst finde es eigentlich nie gut, wenn der Lehrer irgendwelche Noten laut sagt, vor allem auch, da es sehr schwierig ist, als "Streber" angemessen zu reagieren, wenn man wieder genannt wird. Ich finde es dann viel zu schwierig, weder alle zu nerven, indem man die Note voll feiert, noch den anderen das Gefühl zu geben, solche Noten seien für einen selbstverständlich, indem man zu wenig Freude zeigt.

Gerade habe ich etwas Angst, dass das jetzt viel zu weinerlich tönt, dass ich denn Eindruck erwecke, einfach mit nix zufrieden sein zu können. Ich hoffe, dass ihr seht, was für einen "Preis" ich dafür zahle: Ich denke nämlich eigentlich auch, dass ich glücklicher sein sollte, aber ich muss mich meistens dazu zwingen, und dass ist echt scheiße :-(.

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