Überheblich?

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Noten werden heutzutage meist ohne große Geheimniskrämerei preisgegeben. Ausnahmen bilden da meist nur solche, die schulisch weniger leistungsstark sind, aber auch viele "Streber".
Manche werden sich fragen, weshalb denn letztere überhaupt ihre Noten geheim halten sollten, sie haben doch gar keinen Grund dazu?!

Doch, haben sie.
Ich denke jede(r), der, sagen wir mal, Klassenbeste(r) ist, kennt wahrscheinlich das auch unangenehme Gefühl, wenn man nach der Note einer Klassenarbeit gefragt wird. Das Kernproblem ist eigentlich, dass man mit seiner Leistung nicht angeben will, und deshalb werden die wenigsten Streber noch laut Gefühle zeigen beim Erhalten einer Eins. Denn, wenn man dies jedes Mal täte, dann wären einem die Neider sicher, allerdings wirkt es auf die Mitschüler genauso seltsam, wenn man die Prüfung stumm einpackt. Dann denken sie nämlich vielleicht, man wäre nicht so gut gewesen, erfahren dann aber entweder von einem selbst oder auf Umwegen trotzdem von der Note. Dann stellt sich für sie natürlich für sie die Situation so dar, dass solche Noten anscheinend selbstverständlich für einen sind, was irgendwie auch überheblich scheint. 

Ich glaube, man kann einfach nicht verhindern, dass man mit dauerhaft (sehr) guten Noten manchmal etwas abgehoben wirkt. Mir persönlich widerfährt zwar fast nie eine Reaktion, die offensichtlich auf Neid hinweist, aber trotzdem fühle ich mich immer etwas unwohl, wenn mich jemand nach meiner Note fragt, auch wenn mich die meisten nur beglückwünschen oder sagen, wie toll sie das fänden, sogar Bewunderung ausdrücken, dennoch wird das Gefühl der Befremdung dadurch noch stärker. Ich fühle mich dann manchmal so allein, verdammt dazu, glücklich zu sein, doch irgendwie hat man einfach das Gefühl, dass manche beim regelmäßigen Anblick guter Noten etwas auf Distanz gehen, zumindest unterbewusst.

Kann es sein, dass ich mir dieses "Sonderling-Sein" nur einbilde? Projiziere ich gar meine eigenen Gefühle, den Neid, den ich in der Situation des Gegenübers empfände, auf ihn? Wenn man sich nämlich erst mal daran gewöhnt hat, der "Beste" zu sein, wird es schwierig, nicht ein wenig angefressen zu reagieren, wenn das mal nicht gelungen ist. Dadurch, dass ich gar nicht so denken will, wird es auch nicht besser, geschweige denn durch eigentlich nicht böse gemeinte Kommentare der Mitschüler oder Lehrer (Also nein [Name], nur eine 1.5 , ts ts ts...). Ich spüre, wie sich eine Kluft auftut zu anderen Schülern, wenn ich mit solchen Noten nicht richtig zufrieden bin, was ich doch eigentlich gerne wäre...

Ebenso schwierig ist der Umgang mit Personen, die bei einer Prüfung deutlich schlechter, möglicherweise ungenügend abgeschnitten haben. Würde ich ernst genommen, wenn ich sagen würde, dass das doch nicht so schlimm ist, dass es Wichtigeres gebe? Wohl eher nicht. Doch was kann man sonst machen? Umarmen? Äh nein, bei Jungs wirkt das etwas komisch und bei Mädchen bin ich zu schüchtern. Schweigen? "Ja, super Idee!", sagen meine Gedanken, die doch eigentlich nur zu feige sind, überhaupt etwas zu tun. Trotzdem wird diese Idee natürlich sofort umgesetzt. Wie das wohl wirkt? Ich weiß es nicht, aber ahnen tu' ich's.

Ich denke wirklich nicht so, dass ich ein besserer Mensch bin als jemand mit schlechteren Noten. Wie käme ich auch dazu? Genau deshalb ist es für mich auch nicht einfach, mit so viel Lob umzugehen, weshalb ich mein Zeugnis meist nur Wenigen zeigen möchte, üblichere Noten werden einfacher hergezeigt, schließlich sind diese ja auch nicht so bedeutungsvoll. Ich achte darauf, schulisch Leistungsschwächere auch so zu nennen, und nicht "die Schlechteren" oder sowas. Ich möchte mich nicht auf dieser Seite angreifbar machen, da ich überhebliche Leute regelrecht verachte. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur neidisch auf ihr Selbstbewusstsein...

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