Selbstbewusstsein

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Ich kann selbstbewusst sein. Allerdings nur in gewissen Bereichen, wo sich das langsam aufgebaut hat, und gerade bei diesen ist Selbstbewusstsein eigentlich nicht wirklich nötig. Gemeint sind vor allem schulische Dinge, allerdings gibt es auch unter diesen Bereiche, wo mir Selbstbewusstsein fehlt, beispielsweise bei Vorträgen. Bei diesen werde ich immer super nervös, spreche zu schnell und verhasple mich. Wenn man also die Situationen anschaut, wo ein Mindestmaß an Selbstbewusstsein dringend erforderlich ist, herrscht bei mir ein gewisser Mangel. Eigentlich wohl eher ein großer Mangel. Ich spreche dabei nicht einmal von den ganz großen Schwierigkeiten, mit denen ich Euch schon in fast jedem Kapitel zuvor belästigt habe, also den Umgang mit dem Schwarm und der Liebe, sondern von ganz Alltäglichem. 

Ein Beispiel: Ich fahre täglich Bus, und in diesem befinden sich immer wieder auch frühere Schulkameraden. Nun habe ich aber mit den wenigsten in den letzten Jahren ein paar Worte gewechselt, sondern wir gehen ohne Gruß aneinander vorüber, dabei hätte ich sehr wohl das Bedürfnis, von ihnen zu erfahren, wie es ihnen so geht, was in ihrem Leben gerade so läuft, aber es ist wirklich so, dass ich mich nicht getraue, sie anzusprechen. Und dies, obwohl wir so lange in derselben Klasse waren! Der Grund für diese Hemmung ist, gefühlsmäßig, dass ich daran zweifle, ob sie überhaupt an mir interessiert sind, ob sie auch gerne ein paar Worte wechseln würden. Bei vielen verhält es sich ein wenig anders: Diese habe ich erst nach der Schule wiedergesehen, nachdem schon einige Jahre vergangen waren, dementsprechend hatten sie sich da ziemlich verändert. Bei manchen ist es mir also beim ersten Wiedersehen passiert, dass ich sie vielleicht erst auf den dritten Blick wiedererkannt habe, und dann war es mir jeweils unangenehm, dann 'Hallo' zu sagen, und damit zu zeigen, dass ich sie nicht wiedererkannt hatte. Das Problem ist, das dieses Gefühl mit jedem Mal stärker wird. Wenn man sich zum nächsten Male sieht, wäre noch komischer, sie nun zu grüssen, nachdem man es ja zuletzt unterlassen hatte. Mit jedem Mal würde es komischer werden, und folglich getraue ich mich nie.

Dass auch von ihnen bislang kein Initiative ausging (nur mit wenigen habe ich gesprochen, bei denen aber auch zum Teil aus eigenem Antrieb), bestärkt mich noch weniger in meinem Selbstbewusstsein, da ich mir dann so denke, dass sie ja ziemlich offensichtlich keinen Kontakt mit mir wünschen, zumal es mir wirklich unwahrscheinlich erscheint, dass auch sie zu schüchtern sind.

Aber was für Gründe kann es dann sonst haben, dass man nach so einer langen Zeit nicht miteinander spricht? Ich meine, mit den allermeisten hatte ich ja kein wirklich schlechtes Verhältnis, mit manchen sogar ein ziemlich gutes. Mir fällt da wirklich wenig an Ursachen ein...

Zu etwas Anderem: Auch wenn ich ja nun schon seit langem zwei enge Freundschaften habe, wobei die Frequenz in der wir schreiben schon lange nicht mehr so hoch ist wie zu Beginn, wahrscheinlich einfach, weil man sich nicht mehr so viel zu erzählen hat, vertraue ich diesen beiden Mädchen noch immer nicht vollständig. Was dies mit meinem Selbstvertrauen zu tun hat, seht ihr an folgendem Beispiel: Als eine der beiden Geburtstag hatte, schrieb ich ihr eine Karte, in der ich ihr dann auch sagen wollte, wie wichtig sie mir ist, ich denke ich habe das auch ganz gut hinbekommen, allerdings hatte ich ein extrem komisches Gefühl dabei und musste mich überwinden, diese ihr dann auch zu geben. Ich hatte Zweifel daran, ob sie solche Gefühle, die ja nicht einmal in die romantische Ebene gehen, überhaupt erwidert und malte mir aus, wie sie zuhause insgeheim auf meinen Brief reagieren würde, wenn ich sie eigentlich voll nerve und sie so gar nichts für mich übrig hat und halt nur zu Beginn neugierig war, in wen ich denn verliebt bin. 

Das andere Mädchen, das nicht vor kurzem die Karte bekam, erzählt mir immer wieder von ihrer Gefühlslage, was bei mir eher Vertrauen schafft, auch wenn ich weiß, dass sie davon zumindest vieles auch ihren Kolleginnen erzählt, doch hat sie schon mal gesagt, dass ich der einzige Freund von ihr sei, mit dem sie über sowas rede. Das Problem ist dann halt, dass das andere Mädchen zwar schon über nicht-Alltägliches mit mir schreibt, aber noch nie über konkrete Gefühle, die sie hat. Sie behauptet, dass sie nicht verliebt sei, wahrscheinlich sollte ich es ihr einfach glauben, doch schweifen meine Gedanken, auch, da ich es mir kaum vorstellen könnte, so lange sich nicht zu verlieben, meistens eher in die Richtung, dass sie mir vermutlich nicht genug vertraut. Dabei bin es ja damit gerade ich, dem das Vertrauen fehlt. Nur kann ich da irgendwie nichts dagegen machen, ich werde solche Gedanken nicht los.

Ich schreibe diese Fragen meinem mangelnden Selbstbewusstsein zu, da ich ja selbst daran zweifle, ob die Menschen, die neben meiner Familie mir am nächsten stehen, wirklich das für mich empfinden, was sie vorgeben. Vielleicht ist es aber auch wieder das, was mir daran hindert, diese Gedankengänge aufzubrechen, allerdings sind sie halt einfach nicht per se irrational oder so, irgendwie ist alles so kompliziert...

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