Geschlechterrollen

530 46 28
                                    

In diesem Kapitel möchte ich auf ein Thema zu sprechen kommen, das ich schon mehrmals angeschnitten habe, doch ich finde, dass es sich lohnt, noch ein paar Worte mehr darüber zu verlieren, auch wenn dies wahrscheinlich genau diejenigen lesen werden, die es sowieso nicht mehr nötig haben...

Also, wie es schon im Titel steht, geht es um Geschlechterrollen. Von vorherigen Kapiteln wisst ihr bereits, dass ich in vielen Bereichen nicht der des typischen, starken Jungen entspreche. Nun geht es mir eigentlich recht gut damit, möchte nicht jemand anders sein, auch wenn manche Konsequenzen aus meinen Charakterzügen mir oft nicht passen. Nun ist es aber so, dass schon ich mich regelmäßig, also vielleicht alle paar Wochen mal, dafür "rechtfertigen" muss, anders zu sein.

"Rechtfertigen" habe ich deshalb in Anführungszeichen gesetzt, da ich keinen Anfeindungen oder so ausgesetzt bin, es handelt sich eher um leicht spöttische Bemerkungen oder um Fragen, weshalb ich denn dies oder das nicht tue. Doch was stört mich daran überhaupt? Seltsamerweise ist diese Frage sehr schwierig zu beantworten. Es ist doch so, dass ich mich einfach als Junge verstanden wissen will, und zwar ohne Einordnung, was für ein typischer oder "guter" Junge ich denn jetzt bin. 

Schlecht ist also der Umgang mit Geschlechterrollen, wenn er irgendjemandem vorschreiben will, wie er zu sein hat. Doch ist es schlimm, wenn es jemanden aus einer Geschlechtergruppe ausschließt? 
Als Gegenposition könnte man anbringen, dass diese Gruppen sowieso nur Vorstellungen sind, und man sich als Ausgeschlossener gar nicht betroffen fühlen muss. Doch ist muss es für mich nicht wichtig sein, als Junge anerkannt zu werden, wenn ich auf Mädchen stehe und wünsche, dass diese, zumeist heterosexuell, auch mich als potentiellen Partner wahrnehmen?
Nicht zwangsläufig, wäre da meine Antwort, da wir uns ja immer in Menschen und nicht in Gruppen verlieben. D.h. ein Mädchen kann sich doch auch in mich verlieben, ohne dass ich in irgendwelche Kategorien gehöre, die irgendjemand im Kopf hat. 

Ein Problem hierbei ist wiederum, dass die Kategorien, die ein Mädchen im Kopf hat, möglicherweise beeinflussen, in wen sie sich verliebt. Ich aber denke, dass es eher umgekehrt ist: Das Mädchen hat vielleicht im Kopf: "Ich stehe auf Jungen." Sie kann jedoch nicht allumfassend definieren, was denn eine Person mitbringen muss, um in diese Gruppe zu passen. Dabei meine ich die Gruppe der Jungen, die gewisse Eigenschaften mitbringen, aufgrund welcher das Mädchen ihn als potentiell interessant wahrnimmt. Das muss natürlich nicht heißen, dass sie den anderen das Junge-Sein abspricht.

Nun vermute ich, dass es eher so ist, dass die Gesamtheit der Eigenschaften, die ihr von einem Jungen (oder sagen wir erstmal neutraler einer Person) bekannt sind, darüber entscheiden, ob er für sie zu den Jungen der attraktiven Kategorie gehören. Es kommt also erst das Interesse, dann die Einteilung, denke ich. Das Junge- oder Mädchen-Sein an sich wird ja auch kaum innerlich in Frage gestellt, sondern nur, ob jemand männlich bzw. weiblich genug ist, um in solche "Beuteschemas" zu gehören.

Puh, ich hoffe, dass ich aus meinen umherspringenden Gedanken da etwas Sinnvolles gewinnen konnte. Wahrscheinlich ist diese "Theorie" noch in vielem angreif- und verbesserbar, dies aus dem einfachen Grund, dass es sehr schwierig ist, ein so emotionales und komplexes Thema in konkrete Worte zu fassen.

Ich möchte aber trotzdem noch einmal einen Blick darauf werfen, was ich bisher so geschrieben habe. Im Prinzip habe ich behauptet, dass Aussagen über Geschlechterrollen deshalb als so problematisch wahrgenommen werden, weil man denkt, zu einem Geschlecht vollwertig dazugehören zu müssen, damit man von den "Richtigen" die (romantische) Aufmerksamkeit bekommt, die man sich wünscht. Da ich aber weiter behaupte, dass diese gar nicht davon abhängt, in was für Kategorien man gepresst wird, sondern dass vielmehr die Kategorie der "Passenden" vielmehr um diese herumgebaut wird, die aus gesamtheitlichen Gründen als passend (zum potenziellen Partner) wahrgenommen werden, kann man schlussfolgern, dass aus dieser Sicht der Dinge die Kategorien von Geschlecht nur Illusion sind. Wenn man die Leute erstmal in interessant und uninteressant eingeteilt hat, ist die Problematik der Geschlechtereinteilung meiner Meinung nach völlig verflogen. Es wird dann zu einer trivialen Angelegenheit, die man klassischerweise nach dem biologischen Geschlecht machen kann, was erst bei Transsexualität auf Probleme stößt. Wenn man diese aber einfach hinnimmt, ist die Einteilung halt nach dem Selbstbild. Allerdings kann das auch ein Scheinproblem sein, wenn sich das Prinzip des Geschlechts so langsam auflöst.

Funktionieren diese Überlegungen? Mal ein Beispiel: Kann man noch immer einem Mädchen vorschreiben wollen, es solle Röcke tragen, wenn man auf diesen Konzepten basierend denkt? 
Man kann nicht mehr gut sagen, dass sie ansonsten von jenem Jungen, den sie sehr mag, nicht als Mädchen wahrgenommen wird. Denn wenn er sie mag, richtet sich seine Kategorie danach aus, dass sie zu der Gruppe der Mädchen gehört, die er zu lieben fähig ist. Nun ist es aber in weiterem Sinne eine Eigenschaft von ihr, wenn sie keine Röcke trägt. Zwar erwarte ich es nicht, aber warum sollte dies nicht beeinflussen können, ob sich der Junge in sie verliebt? 

Klar, das kann es, aber dies ist dann losgelöst von der Frage nach dem Geschlecht. Es geht dann nur noch um persönliche Vorlieben, und die sind unproblematisch. Schließlich kann man es niemandem vorschreiben, in wen er sich verlieben soll, würde ja auch keinen Sinn ergeben. 

So, diese Überlegungen sind natürlich auf meinen Gefühlen und Vermutungen aufgebaut, weshalb sie ziemlich sicher nicht mit euren übereinstimmen werden. Freut mich, wenn ihr mich auf Widersprüche hinzuweisen versucht oder Gegenvorschläge einbringt, selbst ich bin noch nicht so ganz überzeugt von dem, das ich da geschrieben habe...

Der StreberkomplexWo Geschichten leben. Entdecke jetzt