46 - Wie man in Reue schwimmt.

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"Es wird alles gut, Emma."

Ich schüttle den Kopf, so gut es eben mit der Halskrause geht. Meine Augen füllen sich mit Tränen und ich sehe aus dem Fenster, um zu verhindern, dass Basti Wind davon bekommt. Aber er kennt mich zu gut und zu lange, als dass er nicht mitbekommt, dass ich weine. Seine Hand legt sich sachte auf meine Stirn und streicht mir die Haare aus dem Gesicht, hinter denen ich mich verstecken will. Und ehe ich mich aufhalten kann, purzeln bereits Worte aus meinem Mund. Auf den Boden und füllen das Zimmer. Schweben erdrückend über mir. Nehmen mir die Luft zum Atmen.

"Ich habe ... Dinge gesagt, Basti. Schlimme Dinge. Ich bin schuld, dass wir den Unfall gebaut haben. Wir haben uns gestritten. Und es war kein kleiner Streit. Es war ein böser Streit. Kurz bevor ... kurz ..." Meine Stimme bricht und mich überkommt ein Heulkrampf. Ich bekomme keine Luft und muss husten. Sterne blinken vor meinen Augen.

"Emma. Zuerst einmal bist du nicht schuld an dem Unfall. Das ist der Typ, der die Verkehrsregeln missachtet hat. Jeder weiß, dass da Rechts vor Links gilt und er ist einfach gefahren, ohne zu gucken. So. Und im Streit sagt man Dinge, die bescheuert sind. Die den anderen verletzen. Aber Elias weiß, dass du ihn liebst. Ihr seid füreinander bestimmt. Und ich kenne Elias. Er würde dir alles verzeihen." Seine Stimme legt sich wie Honig um mich, seine Arme halten mich und drücken mich an seine Brust. Langsam beruhige ich mich und werde nur noch hie und da von Schluchzern geschüttelt. Ich schlage die Augen nieder und versuche, meine Atmung zu beruhigen.

"Wo ist Papa?" Meine Stimme klingt immer noch nicht wirklich besser. Liegt vielleicht auch an deinem Heulanfall gerade, Emma.

"Er ist mit Lutz in der Cafeteria. Ich habe sie runtergeschickt, damit sie sich einen Kaffee holen können. Und damit sie einfach mal hier weg sind. Sie verlassen eure Zimmer gerade nicht mehr. Und eine etwas andere Umwelt tut ihnen vielleicht ganz gut. Aber er kommt bestimmt gleich wieder."

"Ich muss mit Lutz sprechen." Ich beiße mir kurz auf die Lippe.

"Emma. Hör bitte auf, dir die Schuld an dem Unfall zu geben." Basti kennt mich zu gut. Und er wirkt böse, wie er seine Augenbrauen zusammenzieht und die Stirn in Falten legt. "Du bist nicht schuld."

"Doch. An dem gebrochenen Herzen seines Sohnes."

"Gebrochene Herzen kann man reparieren."

"Ich habe es schon viel zu oft gebrochen. Ich bin ein schlechter Mensch."

"Nein, verdammt. Das bist du nicht, Emma."

Gerade als ich ansetzen will, zu kontern, wird die Tür geöffnet und ich sehe direkt in Papas Augen. Sie sind mit Sorge gefüllt. In seinem ganzen Gesicht steht das Wort 'Angst'. Meine Augen füllen sich mit Tränen.

"Papa."

"Ich lasse euch alleine." Basti steht auf und geht zur Tür, die er leise hinter sich schließt.


"Emma. Mein Herz, wie fühlst du dich?"

"Mir ist schlecht. Und ich habe Kopfweh. Und mir ist schwindlig. Papa, was ist passiert? Was ist mit mir? Und was ist mit Elias? Ich ... Ich habe so Angst."

"Ich weiß, mein Schatz. Ich weiß." Er setzt sich auf den Stuhl neben meinem Bett und nimmt meine Hand.

"Also. Da ich weiß, dass dich das im Moment am meisten interessiert, fange ich damit an. Elias ist auf der Intensivstation. Er hat ein mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma, eine gebrochene Nase, ein Polytrauma, einen Oberschenkelbruch im linken Bein, Platzwunden und Kratzer. Er wurde operiert und befindet sich jetzt im künstlichen Koma, aus dem sie ihn langsam aufwachen lassen wollen. Er ist aber, soweit ich weiß, über dem Berg. Sobald er gesund ist, muss er erst einmal in eine Rehabilitationsklinik."

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