13 - Wie man wilde Kerle findet.

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✦ Simple Minds - Don't You (Forget About Me) ✦


Der Sonntag war ein ruhiger Sonntag. Voller Bücher und Musik. Voller Gespräche mit Lea. Voller fallendem Schnee. Voller Tagebuchschreiben. Ich verließ mein Zimmer nur zwischendurch zum Essen oder um das Bad aufzusuchen. Papa war auf dem Revier und kam nur einmal kurz in der Mittagspause nach Hause. Wir aßen die von ihm mitgebrachten Döner und dann war er auch schon wieder verschwunden. Es war ein sehr angenehmer, ruhiger Tag.

Bis jetzt. Ich sitze im Bett und zittere. Ich habe einen Panikanfall und bekomme keine Luft. Mamas Mantra funktioniert nicht. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein. Aus. Emma, komm schon. Du kannst das. Es funktioniert nicht. Und es ist niemand da, der mir helfen könnte. Du musst es ganz alleine schaffen, Emma. Komm schon. Komm schon. Streng dich an. Du kannst das. Du bist stark.

Ich schließe die Augen und konzentriere mich, entspanne meine Muskeln und lege mich ganz flach aufs Bett. Meine Hände zittern und mein Herz schlägt wie verrückt. Meine Lungen füllen sich mit Luft, aber ich kann sie nicht halten. Die Angst sickert durch meinen Körper wie Säure, die sich durch meine Adern frisst. Es bleibt nichts von meinem Körper übrig. Ich habe das Gefühl, als würde mich mein Bett in sich einsaugen. Und ein bisschen wünsche ich es mir.

Morgen ist der erste Schultag. Und ich habe gerade so Angst vor dem morgigen Tag, dass mich die Panik überrollt wie eine Welle im wogenden Meer. Fremde Menschen, viele Menschen und eine neue Umgebung. Es macht mir Angst, weil ich einfach nicht weiß, was mich erwartet. Gerade jetzt, in dem Moment, kann ich mir nicht vorstellen, überhaupt einen Fuß ins Luitpold-Gymnasium zu setzen. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein. Aus.  Ich beruhige mich ein wenig.

Mein Handy kündigt eine Nachricht an und ich bin froh, meine Gedanken auf etwas anderes konzentrieren zu können. Es ist Elias, der fragt, wann ich morgen abgeholt werden möchte. Ich runzle die Stirn, denn ich habe ihn nicht darum gebeten. Das schreibe ich ihm auch und bevor ich das Handy weglege, schicke ich ihm vorsichtshalber noch kurz eine Uhrzeit. Müde reibe ich mir die Augen und lege das Handy weg. Es ist bereits nach Mitternacht und ich sollte schlafen. Die Panikattacke hat mich müde gemacht und ich schlafe schließlich erschöpft ein. Ich träume wieder wirres Zeug, das mir das Herz schwer macht, als wäre es ein Anker, der unaufhaltsam zum Grund des Meeres sinkt.

Meine Augen sind so schwer, als hätte sie jemand mit extrastarkem Klebeband zugeklebt. Ich kann sie kaum öffnen und sehe dementsprechend wenig, als mein Wecker mich aus meinem Schlaf reißt. Ich bin dankbar für den Wecker, er erschreckt mich immer wieder so sehr, dass ich etwas schneller aus dem Bett komme. Nur leider hilft das alles nichts, wenn meine Augen, aufgrund der Müdigkeit, so klein sind, als hätte ich Marihuana konsumiert.

Du siehst wirklich fertig aus, Emma. Meine braun-grünen Augen blicken mir müde aus dem Spiegel entgegen, meine Haare sind verwuschelt und ich werde lange brauchen, bis ich sie gebändigt habe. Zuerst entwirre ich die Knötchen meiner Haare und steige in die Dusche. Das Wasser ist warm und ich fühle mich sofort wohl. Als würde mich jemand in seinen Armen halten, so wohlig warm ist es. Am liebsten würde ich ewig so stehen bleiben und mich von dem Wasser ertränken lassen.

Es klingelt, als ich gerade fertig bin mit meinem Frühstück. Ich reiße die Tür auf und Elias steht vor der Tür. Neben ihm ein Mädchen mit erdbeerrotem Haar, das so weich aussieht, als hätte sie Weichspüler darübergekippt. Sie sieht gepflegt aus, trägt Lippenstift und ist dezent geschminkt. Um ihren Hals schlingt sich eine dezente Kette mit einem Herz. Das hat ihr bestimmt Elias geschenkt. Ich fühle mich plötzlich absolut hässlich in meinen normalen Klamotten. Sie sieht bezaubernd aus. Sie ist ja auch bezaubernd, im Gegensatz zu dir, Emma.

Some of us are human | ✓Donde viven las historias. Descúbrelo ahora