24 - Wie man Schmerz zulässt.

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✦ Elmore - One Man Town ✦


Es vergehen Tage, die ich nur im Bett verbringe. Ich bin nicht ansprechbar und möchte nicht reden. Ich kann nicht reden. Als hätte mir jemand die Stimmbänder aus dem Leib gerissen. Ich schlafe viel und habe dann wieder Nächte an denen ich gar nicht schlafen kann. Die Schule lasse ich aus. Ich fühle mich nicht in der Lage, dem Unterricht zu folgen oder mich gar unter Menschen zu mischen. Ich esse nichts, denn ich würde nichts runterbekommen. Ich fühle mich so leer. Und so allein. Alles was ich tun kann ist Musik zu hören. Gerade läuft 'One Man Town' von Elmore.


Es ist ein Donnerstag, an dem mein Vater genug hat. Papa steht an meinem Bett.

"Emma, du musst aufstehen. Du musst in die Schule. Du musst frühstücken."


"Ich kann nicht, Papa. Ich kann einfach nicht, bitte." Meine Depression hat mich wieder. Die Dunkelheit hüllt mich ein. Und diesmal gibt es kein Licht, das mich herausholt. Wie denn auch? Du hast niemanden, der für dich das Rettungsseil wirft. Du hast alle vergrault.


"Aber das geht schon seit Tagen so. Und Malte klingelt Sturm bei uns. Ich wimmle ihn ab, sage ihm, du bist krank. Aber ich bezweifle, dass er es mir glaubt." Ich habe Papa nichts von Maltes Verhalten erzählt, scheinbar merkt er aber, dass ich ihn nicht sehen will.


Ich kann ihn nicht ansehen. Aber ich weiß, dass er versucht, streng auszusehen. Ich nuschle in mein Kissen. Er seufzt und ich weiß, dass ich gewonnen habe.


"Na gut, aber am Montag gehst du wieder in die Schule. Ich möchte nicht, dass du noch mehr verpasst."


Es sind doch nur noch zwei Wochen. Ich vergrabe mich noch mehr in meinen Kissen.


"Aber essen musst du trotzdem etwas." Seine Stimme ist überzogen von Sorge und Schmerz.

"Ich habe aber keinen Hunger."


"Emma, bitte. Bitte."

Er klingt traurig. Als würde sich die Traurigkeit um seine Stimmbänder legen. Ich möchte, dass seine Stimme wieder klingt wie tausend Sonnen. Also gut. Eine Scheibe Brot kannst du ja wohl essen.


"Okay", murmle ich in mein Kissen hinein.

"Danke, Schatz." Er streicht mir kurz über die Haare. Ich habe seit Tagen nicht mehr geduscht.


Ich höre nicht mehr, wie er wiederkommt, denn ich schlafe relativ schnell wieder ein. Auch diesen Tag erlebe ich wie in Trance.




Am nächsten Morgen beschließe ich zu duschen, beziehe mein Bett neu und lege mich dann wieder hin. Es dauert nicht lange bis ich wieder eingeschlafen bin, mein Kopf ist wie leergefegt. Ich fühle nichts und doch so viel auf einmal. Als würde ich untergehen im Meer der Traurigkeit.

Sanft werde ich wachgerüttelt, mein Blick fällt auf den Himmel außerhalb des Fensters. Es muss nachmittag sein. Die Hand bleibt auf meiner Schulter liegen und ich versuche sie abzuschütteln.

Some of us are human | ✓Where stories live. Discover now