15. Der Rausschmiss

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Ich ging selbstbewusst und zuversichtlich auf den Nachsitzraum zu.
Ben saß bereits auf seinem Stuhl und beobachtete mich, während ich mich an den Tisch neben ihn setzte.

"Heute, gibt es Arbeitsblätter. Ihr sollt sie bearbeiten, haben eure Lehrer mir gesagt.", erklärte die alte Frau und tauchte wieder hinter ihr Buch.

Auf unseren Tischen, lagen Stapel an Arbeitsblätter! Das konnte ja was werden.
Und das ausgerechnet vorm Wochenende!

Ich legte den Stapel auf meinen Tisch und zückte meinen Stift.

"Na dann, mal los!", murmelte ich und beugte mich über die Blätter.

Es handelte sich um Arbeitsblätter aus den verschiedensten Fächern. Mathe, Chemie, Französisch, Physik und so weiter.

Gelangweilt versuchte ich die Aufgaben zu lösen. Aber mal ernsthaft! Sehe ich aus aus wie Einstein, oder warum sollte ich sowas lösen können.

"Pssst!", machte Ben und beugte sich 'unauffällig' zu mir rüber.

"Was ist?", fragte ich ihn leise.

"Am Wochenende was geplant?", wollte er wissen.

"Ja, wieso?", log ich.

"Nur so...", antwortete er und beugte sich wieder über seine Blätter.

Ich schmunzelte und biss mir auf die Lippe. Wie süß er doch war!
Doch dann tat er mir leid...

"Was hättest du denn geplant?", fragte ich ihn schmunzelnd und drehte mich zu ihm.

Erst sah er mich irritiert an, doch als er verstand was ich meinte, begann er zu grinsen.

"Ich hatte Lust mal wieder zu sprayen.", erklärte er.

Sollte das eine Einladung sein! Da muss er sich schon mehr Mühe geben!

"Viel Spaß!", antwortete ich und drehte mich wieder um.

"3,2,1...", zählte ich in meinen Gedanken runter.

"Hättest du Lust mich zu begleiten?", schmunzelte er.

Geht doch!
Jetzt nicht zu glücklich wirken!

"OK, klingt gar nicht so schlecht.", murmelte ich.
Obwohl ich innerlich schreien konnte, vor Freude.

"Wenn du keine Lust hast, kann ich auch wenn anders fragen.", schlug er emotionslos vor.

Was? Nein!
Was mach ich denn jetzt?
Ich will auf keinen Fall so klingen, als ob ich es unbedingt will!
Aber sonst fragt er irgendeine Bitch!
Aber ich darf nicht wieder die Kontrolle verlieren...

Ich saß stumm da.

"Ist echt ok, ich frag wenn anders.", flüsterte er und beugte sich wieder über seine Blätter.

Nein...
Ich saß immer noch wie angewurzelt da und sah ihn an. Aber er änderte seine Meinung nicht mehr.

Ich drehte mich enttäuscht zurück zu meinen Blätter.
Wieso habe ich das getan oder auch nicht getan?
Ich konnte es mir selbst nicht erklären...

Die ganze Stunde redeten wir kein Wort mehr mit einander. Er sah mich nicht mal mehr an...
Das tat weh...

Ich trottete zum Zug, obwohl ich ja trotzdem hoffte, dass Ben anbietet mich nach Hause zu fahren... Aber das tat er ebenfalls nicht.

Ich kam nach 15 Minuten an der Wohnung an und kramte mein Handy raus.
20 verpasste Anrufe... Scheiße!

Ich rannte die Treppe hoch und riss die Tür auf.

"Luca?", rief ich.

Er kam um die Ecke gestampft.

"Es tut mir so leid! Ich...", begann ich auf ihn einzureden.

"Spar dir das! Ich hab dich gewarnt! Verschwindest du noch mal ohne uns bescheid zu sagen, verschwindest du! Da gibts nichts mehr zu diskutieren!", schrie er.

"Luca...", seufzte ich.

"Halt die Klappe! Das bringt nichts mehr! Ich rufe Mum und Dad an, die können dich abholen!", stellte er stinksauer klar.

"Geht klar! Aber Ruf sie nicht an. Ich muss nicht abgeholt werden!", schrie ich zurück und rannte auf mein Zimmer.

Was jetzt nicht mehr mein Zimmer war.
Ich warf eine Reisetasche aufs Bett und schmiss meine Klamotten hinein.

Ich warf sie mir über die Schulter und rannte aus der Tür.

"Grace!", hörte ich Luca ermahnend rufen.

Ich rannte die Treppe hinunter, hinaus auf die Straße.

"Grace!", rief Luca mir aus dem Fenster hinterher.

Ich rannte einfach die Straße hinunter und setzte mich in eine Bar.
Luca kam mir nicht hinterher... Es war ihm egal was ich mache.
Ich war ihm egal!

Ich bestellte Alkohol, kippte es runter und ging obdachlos durch die inzwischen dunkeln Straße.

Mit diesem Rauswurf, hatte er mein ganzes Wochenende versaut!
Luca konnte mir gestohlen bleiben! Er war nicht mehr mein Bruder...
Ich hatte zum zweiten Mal meine Familie verloren.

Das erste Mal, als Luca uns verließ, da brach für mich eine Welt zusammen. Zu der Zeit begann ich auch erst Probleme zu bekommen.
Und jetzt habe ich ihn wieder verloren.
Gerade wo ich mich wieder gefunden habe...

Es wurde immer dunkler, immer mehr komische Gestalten begegneten mir und kalt war es auch noch.

Ich kramte mein Handy aus meiner Jacke und tippte Milas Nummer ein.

Mailbox!

Als nächstes Jan.

Ebenfalls Mailbox...

Dani!

Niemand, außer die Mailbox.

Na toll! Wo waren denn alle?
Die werden doch wohl nicht ohne feiern sein!

Und was mache ich jetzt!
Wo soll ich denn schlafen!
Es war viel zu dunkel und zu kalt, um mich auf einer Parkbank einzurichten!
Außerdem war ich angetrunken, da kann ich doch nicht auf der Straße rumhängen... Ich werde noch überfahren!

Die letzte Möglichkeit die mir bliebe... War es meinen Stolz zu verlieren!
Und dazu auch noch die Kontrolle!

Ich tippte zittrig die Nummer ein.
Es nahm jemand ab.
Mein Herz schlug höher als ich seine Stimmer hörte.

"Ben?"









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