„Hä was?" erwiderte er und sah aus, als wäre er gerade in einem Paralleluniversum gewesen.

„Ach nichts." murmelte ich und stieg ohne auf seine Reaktion zu warten in das Auto. Ich zuckte bei dem Geräusch, als die Tür hinter mir zu fiel. Nando baumelte mit seinen Füßen hin und her und sah mich voller Fröhlichkeit an, als würden wir in einen Freizeitpark fahren. Damian drehte den Schlüssel, worauf der Motor des Porsches ansprang, der so leise war, dass man ihn kaum hörte. 

„Es ist so cool, dass du mich heute dabei bist! Du musst öfter mitkommen. Damian bringt mich so gut wie jeden morgen in den Kindergarten." sagte Nando und strich sich einige Locken, die ihm im Gesicht hingen weg.

Ich zog eine Augenbraue hoch und sah nach vorne. Damian's Augen fixierten mich im Rückspiegel. 

„Ich dachte Damian bringt dich nur manchmal in den Kindergarten."

Nando schüttelte hastig mit dem Kopf. Er war eindeutig aufgedreht. 

„Nein du Dummerchen" Nando lachte und ich auch, weil es aus seinem Wort einfach zuckersüß und garnicht gemein klang

„Damian bringt mich eigentlich fast jeden Tag in den Kindergarten nur ganz selten nicht und Lorenzo holt mich dann immer mit seinem Motorrad ab. Es ist so cool auf einem Motorrad zu fahren! Bist du schon einmal auf einem Motorrad gefahren?" 

„Nein." antworte ich abweisend, da in meinem Kopf schwirrte eher das Thema herum, weshalb Damian nie erwähnt hatte, dass er Nando in den Kindergarten brachte. Vielleicht war es für ihn was ganz alltägliches, so dass er garnicht daran dachte und mir deshalb nie etwas erzählt hatte. Ich machte mir unnötig Gedanken.

Doch Moment mal. Ich hatte immer gedacht, dass irgendein Mädchen bei ihm gewesen wäre und er deshalb jeden Tag zu spät kam. Melia hatte mir zwar eindeutig unter die Nase gerieben, dass sie manchmal für eine morgendliche Nummer vorbei schaute, doch das waren dann die wenigen Tage, in denen er Nando nicht in den Kindergarten brachte.

Nando zerrte an dem Ärmel meiner Jacke und erhielt somit wieder meine Aufmerksamkeit.

„Kommst du an Weihnachten zu uns?" fragte Nando und sah mich mit seinen strahlend braunen Augen an. Obwohl ich auch braune Augen hatte, waren meine bei weitem nicht so schön wie seine.

„Ich kann leider nicht. Ich ähm..." komm schon Ever, lass dir eine gute Lügen einfallen, auch wenn es schwer ist bei Nando's wartenden Blick.

„Ich fahre zu meiner Familie." beendete ich den Satz. Ernsthaft Ever? Etwas dümmeres konnte dir nicht in den Sinn kommen oder? Nando zog die Augenbrauen zusammen, als würde er an meiner Antwort zweifeln. Ich konnte Damian's Miene nicht erkennen, da er mit dem Rücken zu mir saß und sein Blick brav auf die Straße gerichtet war.

„Wo wohnt deine Familie denn?" hakte Nando nach und wandte sich in seinem Kindersitz zu mir.

Ich atmete hörbar aus. Nicht weil er mich nervte, sondern weil ich auf dieses Thema zugesteuert hatte.

„In Michigan." erwiderte ich und zwang mich zu einem lächeln.

Nando dachte über meine Antwort nach und starrte auf die Klimaanlage neben ihm, die das Auto ganz schön erwärmt hatte. Seine Augen blickten wieder zu mir. 

„Hast du eigentlich Geschwister?"

Mir wurde mit der Faust direkt in den Magen geschlagen. Diese Frage traf mich so überrascht, dass ich den Atem anhielt. Ich verschränkte die Finger miteinander und legte sie auf meinem Schoß. Meine Unterlippe begann zu zittern und eine eiserne Kälte überfiel mein inneres. Ich schloss die Augen und beruhigte meine Atmung in einen normalen Rhythmus zu bringen. Nicht weinen! Nicht weinen! Die Frage hatte ich so lange nicht mehr gehört, dass es mir vorkam, als würde ich sie das erste mal hören.

DefenselessWhere stories live. Discover now