☑️ Kapitel 31♔

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~Probleme für's Leben zu groß, für's sterben zu klein.~


Ein amüsiertes Lachen ertönt seinerseits.
"Ach? Bist du nicht?"
Langsam geht er zu einem der Bücherregale zu seiner rechten, ohne mich aus den Augen zu lassen. Er lehnt mit der Schulter dagegen und vergräbt seine Hände in die Hosentaschen. Ich schlucke und mir wird mit einem Mal wieder allzu bewusst, wie gut er aussieht. Und das wir alleine sind.

Eine kleine Falte erscheint auf seiner Stirn.
"Du solltest in der Nacht nicht draußen sein. Du kennst doch bestimmt diese ganzen Gerüchte.. mit dem Mondwolf", seine Stimme klingt beinahe kalt in meinen Ohren. Ohne jegliche Emotionen blickt er mir entgegen.
Ich versuche meine Gefühle der Zuneigung in das letzte Eck meines Gehirns zu verbannen.
Und tatsächlich finde ich meine Schlagkraft zurück. Ich blicke ihn mit dem ironischstem Lächeln an, das ich drauf habe.

"Gegenfrage; wieso bist du in der Nacht draußen? Hast du keine Angst vor dem Mondwolf?"
Auffordernd hebe ich meine Augenbrauen und verschränke meine Arme ineinander. Ein Lächeln bildet sich auf seine Lippen und ich versuche verbissen, nicht darauf zu schauen.

Er senkt seine Augen und blickt zu Boden.
"Nein", ertönt seine Antwort ohne jegliche Erklärung. Weiß er überhaupt, dass er dem Mondwolf schon öfters begegnet ist?
Doch. Er weiß es ganz genau, sonst würde seine Antwort nicht so klingen. So belegt und endgültig. Also hat er keine Angst Übernacht raus zu gehen. Natürlich nicht. Denn der Mondwolf hat ihm bisher nicht ein Haar gekrümmt.

Als ich aus meiner Tagträumerei aufschrecke, fällt mir erst die Stille auf, die schon etwas zu lange zwischen uns herrscht. Diese Stille ausnutzend setze ich mich in Bewegung und trete an Jason vorbei, der nach wie vor in Gedanken versunken scheint.

Gerade als ich auf seiner Höhe vorbeigehe, streckt er den Arm aus und versperrt mir dadurch den Weg.
Erschrocken zucke ich zusammen.
"Du hast meine Frage noch nicht beantwortet", sagt er.
Seine tiefe Stimme jagt mir Schauder über den Rücken und sein Geruch umgibt mich wieder schleichend.
"Welche Frage?", kommt es aus meinem Mund und ich versuche die Vernebelung, die sich in meinem Kopf bildet, abzuschütteln.

"Hast du etwa keine Angst vor dem Mondwolf?" wiederholt er seine Frage noch einmal. Ich wende ihm meinen Kopf zu und er lässt seinen Arm wieder fallen.

Nein, weil ich der Mondwolf bin. Idiot.

Ich schlucke und beiße mir auf die Innenseite meiner Wange, als mir bewusst wird, wie nah er mir ist.
"Doch. Aber ich muss bis morgen ein Referat fertigstellen. Das hatte ich vollkommen vergessen, deswegen musste ich jetzt recherchieren", presse ich die Lüge hervor.

Grüne Augen mustern mein Gesicht so misstrauisch, dass mir bewusst wird, wie lausig meine Ausrede klingt.
Während sich die Stille zwischen uns ausbreitet, versuche ich den neutralsten Gesichtsausdruck aufzusetzen, dass ich gerade zustande bekomme. Er hebt nach einigen Sekunden die Augenbrauen und ich spüre die verräterische Hitze auf meinem Gesicht.

"Und dafür setzt du dein Leben auf's Spiel?"

Ich kneife meine Lippen zusammen.
"Das könnte ich dich auch Fragen. Ich bin ja schließlich nicht die, der 'keine Angst' vor dem Mondwolf hat. Ich bin nicht die einzige hier, die ihr Leben gerade aus Spiel setzt," erwidere ich eine Spur zu aufgebracht, als gut wäre.

Was denkt er sich eigentlich? Das er mich schön Ausfragen kann, während ich ihn außen vor lasse?
Als er seinen Mund aufmacht und anscheinend etwas erwidern will, unterbreche ich ihn mit erhobener Hand.
"Lassen wir es lieber mit dieser Fragerei. Wir sind beide zu stur, um eine Antwort zu bekommen. Wir sollten das hier einfach vergessen und nach Hause gehen", untertrete ich ihm mein Angebot, wenn auch zu meinen Gusten, und zeige zur Bibliothekstür.

Er überlegt kurz und scheint noch etwas erwidern zu wollen, entscheidet sich jedoch dagegen und nickt mit einem Schulterzucken.
„Na schön."
Ohne irgendein weiteres Wort zu verlieren geht er vor zur Ladentür. Erleichtert atme ich aus.
Das war einfacher als ich dachte.

"Du denkst doch nicht etwa, dass ich dich jetzt hier alleine lasse. Komm mit", ertönt Jason's Stimme an der Türe. Sie dulden kein nein.

Ergebend schnaufe ich auf.
Wäre auch zu schön gewesen um wahr zu sein.
„Gut. Ich muss nur kurz etwas holen."
Bevor ich die Worte auch nur ausgesprochen habe, bin ich schon auf den Weg und hole es.

Zwei Klingeltöne sind zu hören, als wir nacheinander die Bibliothek verlassen.
Ich hole den Schlüssel aus meiner Tasche und sperre die Türe zu.
Danach lege ich ihn wieder unter die Fußmatte, wo ich ihn gefunden hatte.
Ich spüre dabei, wie er mich beobachtet, doch das versuche ich zu ignorieren.

Überrascht muss ich feststellen, dass Jason nicht von meiner Seite weicht, bis wir an meiner Haustüre ankommen.
Den ganzen Heimweg ist er neben mir her gegangen.

Ich war auch so auf seinen sinnlichen Duft fixiert, dass es mir entfallen ist ihn zu fragen, wieso er mich nach Hause begleitet.
Macht er sich etwa sorgen um meine Sicherheit? Trotz unserem holprigen Start?
Verlegen blicke ich zu ihm auf und bringe ein leises ‚Dann mal.. Tschüss' heraus.
Mit einem Nicken verabschiedet er sich ebenfalls und ich beeile mich in das Haus zu kommen, bevor unsere Situation noch eigenartiger wird.

Ich atme tief durch und lehne mich an die geschlossene Türe.
Dann hole ich das Buch unter meinen Mantel hervor, dass ich vorher noch mitgehen lassen habe.

Mondwolf- von Anfang bis Ende







Danke❤️

M.

Wolfsmond - Wolf der LegendeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt