☑️ Kapitel 4♚

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~Sehe ich in den Himmel, sehe ich zu dir empor.~

Als ich mich in Ruhe fertig gemacht habe schnappe ich mir meine Busfahrkarte die auf dem Küchentisch bereit liegt und schmeiße die Haustüre auf, der Geruch vom Wald liegt in der Luft und lässt mich kurz wohlig seufzen. Ich sperre die Tür hinter mir zu und schultere meine schwarze Schultasche während ich loslaufe.
Der Schmerz an meiner Seite und meinem Fuß, sind schon fast gänzlich verschwunden, lediglich ein komisches Kribbeln bleibt erhalten, was ich aber geläufig zu ignorieren versuche.

Nach schon wenigen Minuten fange ich an im Schnellschritt loszugehen, trotz dessen, dass ich genug Zeit hatte mich fertig zu machen und pünktlich aus dem Haus zu gehen, bin ich trotzdem im Zeitdruck. Ich habe mir einfach viel zu viel Zeit gelassen.

Ich fange bei halber Strecke an zu sprinten und werde mit jeder Sekunde schneller, ich werfe währenddessen einen sehnsüchtigen Blick nach recht, in dem sich der Wald erstreckt. Der verfluchte Wald.
Der Wolf in mir zerrt sich danach.

Meine Lunge fängt sogleich an unangenehm zu brennen, kaum habe ich Zeit zur Ruhe zu kommen, erwische ich noch halb den Bus, der gerade bereit dazu war loszufahren. Wenn ich eines in meinem Leben nicht mit dem Wolf beeinträchtigen kann, dann sind es die Launen der gemeinen Busfahrer, die grimmig aus dem Vorderfenster starren und ganz genau wissen das du noch kommen wirst- aber trotzdem losfahren weil es ihnen anscheinend Spaß macht die verzweifelten Gesichter der Kinder zu sehen.

Okay. Vielleicht jetzt nicht ganz so übertrieben, aber es ist so.

Hechelnd gehe ich mit wachsamen Blick an dem Busfahrer vorbei der mich sogleich prüfend ansieht, lächelnd zücke ich meine Busfahrkarte, die ich kostenlos von der Schule ausgehändigt bekommen habe, raus und zeige sie den grimmigen Mann vor dem Steuer, dessen Blick meine Karte genauestens studiert. Immer noch grinsend trete ich schließlich in den Bus und blicke mich sogleich nach einen freien Platz um.

Dieser Bus ist jeder Morgen aufs neue überfüllt, deshalb wundert es mich auch nicht, dass keiner der Plätze frei ist und ein paar Leute bereits stehen.

Ich blicke mich etwas um und ignoriere währenddessen die Blicke der anderen, entschlossen gehe ich schließlich Richtung vorletzte Reihe und bleibe vor einem Mädchen stehen die sich noch einen Platz ergattern konnte, es dauert einige Sekunden bis sie mich schließlich neben sich bemerkt und aus ihren braunen verwirrt anblickt. Ich realisiere schnell das dieses Mädchen anscheinend ein Neuzugang ist, zudem weil ich sie vorher noch nie gesehen habe und weil sie sich nicht regt, jeder andere in diesem Bus wäre aufgestanden um mir den Platz zu überlassen, entweder verängstigt oder eingeschüchtert. Seufzend schließe ich kurz meinen Augen; dieser Montag fängt schon mal typisch an.

"Ich will hier sitzen", erklingt meine Stimme und scheint im ganzen Bus zu hallen. Es ist nun mucksmäuschenstill.
Der Blick des Mädchens verändert sich augenblicklich zu verwundert. Doch sie lässt sich Zeit und beginnt mich von oben bis unten zu mustern. Sogleich spüre ich die Macht des Wolfes in mir, die gerade verdeutlicht ausgestrahlt wird. Die braunen Augen des Mädchens kommen nun wieder oben bei meinen gelangweilten blauen an. Der ausdrucksvolle Teil meines Körpers- die Augen meines Wolfes.

Kurzweilig weiten sich ihre Augen und ich merke den Schauder, der ihr den Rücken entlang läuft, was mich zum lächeln bringt. Meine Laune hebt sich sogleich. Ich verlagere mein Gewicht aus mein linkes Bein und warte darauf, dass sie endlich eine Reaktion zeigt, schließlich habe ich ja nicht ewig zeit. Und völlig unerwartet kommt ihre Antwort: "Wieso sollte ich?"

Ein freches Grinsen bildet sich in den roten Lippen des Mädchens, und lässt mich die Augenbraunen überrascht zusammenziehen. Im Hintergrund höre ich einige erschrocken die Luft einziehen, manche flüstern sogar zur ihr rüber, dass sie es lassen soll, doch sie lässt sich nicht beirren und starrt mich weiterhin an, ich weiß nicht recht wie ich darauf reagieren soll, ob ich die Lust und vor allem das Recht habe dieses fremde Mädchen jetzt mit Worten runter zu machen. Ich könnte, doch plötzlich redet etwas in mir dagegen, ich merke, wie ruhig mein Wolf bleibt. In so einer Situation bin ich noch nie gekommen. Und insbesondere gefällt mir das einzigartige Feuer hinter ihren Augen.

Ich lasse zu, dass sich mein rechter Mundwinkel leicht hebt, und genau in dem Moment höre ich einige erleichtert ausatmen. Genau gegenüber von ihrem Sitzplatz gehe ich hin, derjenige der da vorher gesessen hat erhebt sich sogleich aus seinen Platz, um ihn mir zu überlassen. Ich setze mich.
Die komischen Blicke von diesen Mädchen ignoriere ich.

Als der Bus nach einer 10 minütigen fahrt, mit quietschenden Reifen vor der Schule, zum stehen kommt, steige ich mit Ach und Krach aus, ich hatte wieder einmal viel zu wenig schlaf um mich wegen dem Gedränge aufzuregen. Meine Beine führen mich gleich zu einer freien Sitzbank, auf der ich mich jeden Morgen niederlasse um dort meine Zeit zu verbringen bevor der Unterricht losgeht.

Mit einer etwas schlechten Laune lasse ich mich auf die Bank fallen und hole geschwind mein geliebtes Tagebuch heraus. Das Tagebuch meiner Mutter. Mit meinen Fingerkuppen streiche ich behutsam über den schwarzen Ledereinband. Ich habe es schon öfters durchgelesen und dennoch kann ich nie genug davon bekommen. Nicht genug von dem Gefühl, dass sie ehrlich da wäre. Ich selber habe noch nicht reingeschrieben, obwohl mir Mutter doch extra ein paar Seiten dafür frei lies, ich konnte mich bis jetzt einfach noch nicht überwinden. Seufzend schlage ich den Einband zur Seite und lasse meine Augen über die ersten Worte schweifen.

Liebes Tagebuch,

Alle sagen es sei ein Fluch, diese eine Sache die dein Leben völlig zerstört und dich vom Grund aus verändert, von den anderen unterscheidet. Wir wurden gelehrt, das Böse in diese grausame Gestalten zu sehen, und furchtbare Angst und Abscheu davor zu haben. Sie sagen, dass du für immer in der Hölle verbannt wärst, wenn du es hast. Die Pest namens: Das Biest. Das du nicht mehr klar denken kannst, das dein wahres ich verdrängt wird.

Doch ich sage etwas anderes, es ist in keinster Weise ein Fluch, eher ein Segen. Du fühlst dich frei, sie haben nie Gefühlt was ich gefühlt habe, sie haben nie gesehen was ich gesehen habe. Jeder, absolut jeder könnte sich glücklich schätzen wenn er der Erwählte wäre!

Doch sie konnten das nicht wissen, denn ich bin die Auserwählte! Ich bin der Mondwolf und bin Stolz darauf! Am liebsten würde ich auf die, mit verkrampften Leuten übersäten, Straßen laufen und es ausschreien, wie unglaublich dieses Gefühl mit dem Wolf ist. Es fühlt sich so an, als wärst du aus der schwarz-weiß Welt rausgezogen, und in eines mit so viel schönen Farben reingeworfen zu werden, jedoch alleine.
So liebe ich mein Leben, selbst wenn ich alleine bin, selbst wenn mich alle verlassen haben, alle Angst vor mir haben. Das ist mir egal, denn ich bin stolz auf das, was ich bin, der Mondwolf.

Ja, richtig gehört liebes Tagebuch!
Ich bin die Auserwählte.

Ab jetzt werde ich mein dasein als Wolf, all meine Erfahrungen mit dir Teilen.
Ab jetzt bis du mein Tagebuch, meine nicht vorhandende beste Freundin die ich Tag für Tag vollquatsche.

In liebe Alice.

Ein lächeln schleicht sich auf meinen roten Lippen.

"Ich vermisse dich, Mama."

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Danke für alle Votes und Feedbacks.

♥♥

Uhh, 200 Menschen haben meine Story schon gelesen! Ich bin so glücklich darüber.

Danke, fühlt euch alle geknudelt >*<


M.

Wolfsmond - Wolf der LegendeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt