Als ich schließlich oben ankam schnaufte ich erstmal erleichtert auf und bei der Bemerkung, dass der Flur nur halb so voll war wurde meine Laune schlagartig besser. Ich lehnte mich einen Moment gegen das harte Holzgeländer und gab mir eine kurze Zeit um mich auszukurieren.

Nach einer weiteren Pause marschierte ich zufrieden in die Richtung des Sekretariats, als ich von der einen auf die andere Sekunde mein Gleichgewicht verlor. Wild zappelte ich mit den Händen herum und bemerkte, dass mein Schnürsenkel aus meinem Schuh gefallen war und wohl jemand drauf getreten war, jetzt ging alles zu schnell. Ich machte mich darauf gefasst auf den roten Teppichboden zu fallen und mir meine Nase zu brechen, doch zwei starke Hände packten mich plötzlich an meinen Oberarmen. Ich nahm tief Luft und ließ die Augen weiterhin geschlossen.Was zur Hölle war passiert? Mein Herz pochte vor Adrenalin. Ich fühlte keinen Schmerz, also war ich nicht auf dem Boden aufgekracht. Nachdem ich lange genug inne gehalten hatte, schielte ich nach oben und erblickte ein breites Grinsen.

„Hoppla." sagte der unbekannte und half mir nun vollständig auf die Beine.

Meine Miene musste etwas von Verwirrung aufzeigen, um ehrlich zu sein hatte ich selbst keine Ahnung was für einen Gesichtsausdruck ich hatte, ich wusste nur, dass ich mein Gesicht seltsam verzog.

Ich wollte gerade den braunen Gurt aufheben, da meine Reisetasche mir von der Schulter gefallen war, als sich der Junge bückte und wohl den gleichen Gedanken hatte.

„Ich mach das schon." meinte er und reichte mir den Gurt.

Ich wollte ihm antworten, irgendwas sagen, doch ich konnte nicht. Kein einziges Wort brachte ich heraus, stattdessen nahm ich ihm den Gurt einfach ab. Seine grünen Augen hatten meine volle Aufmerksamkeit, dass ich vergaß, wie man sprach. Er hat merkwürdige Augen, sie leuchten viel zu hell, wahrscheinlich waren das Kontaktlinsen. Der Fremde kam mir bekannt vor, doch es war unmöglich, dass ich ihm jemals begegnet sein konnte. An seine Augen würde ich mich erinnern Sein Grinsen, welches ich je länger ich es mir ansah immer bescheuerter fand, war immer noch nicht aus seinem Gesicht verschwunden. Er musterte mich von oben bis unten, als ich gerade etwas erwidern wollte, ertönte eine hohe, jedoch männliche Stimme.

„Oh mein Gott, es tut mir so Leid. Ist dir irgendetwas zugestoßen?" hörte ich plötzlich die Person hinter mir quietschen. Ein weiterer großer Junge mit hochgegelten blondem Haar stellte sich nun vor mich, direkt neben dem unbekannten, dessen Grinsen mich auf seltsamerweise wütend machte. Der blonde Junge hielt sich schockiert eine Hand vor den Mund.

Das ist also der Kerl, der mir auf den Schnürsenkel getreten war.

„Kein Problem, ist ja nicht deine Schuld, wenn ich zu faul bin um mir meine Schuhe zu binden." beruhigte ich ihn und erwiderte sein lächeln das nun auf seinem Gesicht erschienen war. Obwohl ich mit ihm redete, musste ich ununterbrochen zu dem anderen Jungen starren, der mich aufgefangen hatte. Sein kompletter linker Arm war tätowiert, mit irgendwelchen Motiven, die ich obwohl ich so nah an ihm stand nicht erkennen konnte. Er war noch etwas größer als der andere Junge, der neben ihm stand und hatte im Gegensatz zu ihm dunkelbraune Haare. Jetzt viel mir erst auf, dass neben ihm ein Mädchen stand. Ihr kurzes braunes Haar trug sie offen, hatte eine schwarze Lederjacke und eine dunkelblaue Jeans an. Ihr genervter Ausdruck im Gesicht, versprach nichts gutes. 

Sie hielt die Hand von dem Typ, der mich aufgefangen hatte. Der braunhaarige Junge wollte gerade etwas sagen, als das Mädchen ihn heftig an seiner Hand zog und an mir vorbei stürmte.

„Du hättest sie nicht auffangen müssen!" hörte ich sie noch hinter mir schimpfen.

„Beruhige dich, hätte ich sie hinfallen sollen lassen oder was?" antwortete er mit einem leicht aufgebrachtem Ton.

Ich beschloss mich nicht umzudrehen, sondern stattdessen die Hand von dem blondhaarigen Jungen zu schütteln, die er mir entgegenstreckte.

„Ich bin Blake und schwul." stellte er sich vor und grinste mich fröhlich an.

Einen Moment hielt ich inne und riss die Augen weit auf.

„ Ever." erwiderte ich unsicher und zog eine Augenbraue nach oben.

Er bemerkte wohl meinen Schock, aufgrund seiner, nennen wir es speziellen Vorstellung, doch Blake lächelte noch mehr.

„ Ich stelle solche Sachen lieber früher klar, nicht jeder toleriert meine Vorliebe zum selben Geschlecht." 

Allein an diesem Satz erkannte ich, dass Blake mit seiner sexuellen Orientierung schon sehr viele schlechte Erfahrungen gesammelt haben muss. Er wirkte zwar selbstbewusst, aber ein kleiner Teil von ihm wirkte erwartungsvoll, als könnte er meine Reaktion nicht abwarten.

„Ich habe damit kein Problem." stellte ich klar.

Er seufzte erleichtert und blickte hinter mich.

„Sorry nochmals, dass ich auf deinen Schnürsenkel getreten bin, ich hatte garnicht auf den Boden geachtet. Zum Glück, hat dich dieser heiße Kerl gerettet, bevor du dir deine kleine süße Nase zerstört hättest." 

Ich lachte nur auf, weil ich sonst nicht wusste wie ich reagieren sollte. „Heißer Kerl" ? , nicht wirklich.

Blake hatte ein rot-weiß gestreiftes Tanktop an, dazu eine ¾ Jeans und weiße Sneakers. Seine Sommersprossen waren deutlich in seinem gebräunten Gesicht zu sehen. 

„ Was studierst du?" fragte ich, doch Blake drehte sich nach einem Jungen um, der an uns vorbei lief.

„ War der Kerl eben geraden nicht scharf?" erwiderte Blake nur und ging nicht auf meine Frage ein.

Ich fing an zu lachen, sodass meine Bauchmuskeln stark beeinflusst wurden und ich mir die Hand an den Bauch halten musste.

An der Highschool kannte ich keine schwulen Jungs,beziehungsweise hatte nie jemand den Mut aufgebracht sich zu outen. Blake war schon allein von seiner Wortwahl und seiner Art wie er sich fortbewegte etwas ganz besonderes.

„ Was ist?" hakte er nach und biss sich leicht lächelnd auf seine Unterlippe.

Ich fing mich wieder und wandte mich während des Gehens zu ihm.

„ Beantworte du mir erst meine Frage." 

Blake starrte gedankenverloren auf die Decke und schien über mein Frage, die ich vor fünf Sekunden gestellt hatte nachzudenken. Seine Miene erhellte sich plötzlich und er drehte sich ebenfalls zu mir.

„ Ich studiere Chemie im Hauptfach und du?" 

„ Englisch." antwortete ich knapp.

„ Also wieso hast du gerade so gelacht?" hakte er nach.

„ Nichts es ist nur die Art wie du redest. Es ist so...man merkt das du schwul bist, aber ich mag das." sagte ich achselzuckend.

Blake grinste zufrieden und hielt mir die Tür zum Sekretariat auf. Bevor ich reinging beugte er sich kurz zu mir runter.

„ Ich glaube wir werden noch sehr gute Freunde werden." flüsterte er mir mit einem hörbaren lachen zu, ehe ich vollständig hineinlief.


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