27 Kapitel

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Lucas P.o.V.

Ihr Schrei riss mich aus den Gedanken. Ich hörte abrupt auf Isabella zu küssen und drehte mich um. "Hey, Luci! Was ist denn los", schmollte sie beleidigt und streichelte über meine Brust. Ohne sie zu beachten, stieß ich sie von mir und ging auf die große Menschentraube zu. Leon und meine Kumpels folgten mir. Die Deppen aus der Parallelklasse hatten wohl jemanden ins Wasser geschmissen. Diego stand jubelnd bei seinen Freunden. High Five hier, High Five da. Aus der Menge tauchte eine lachende Grace auf. Sofort packte ich sie an den Schultern und rüttelte sie heftig. "Wen habt ihr ins Wasser geworfen", fragte ich eindringlich. "Was geht dich das an", fragte sie dreist. Unschuldige klimperte sie mit ihren langen Wimpern. Angewidert verzog ich das Gesicht. Ihre Alkoholfahne war extrem zu riechen. O Man, dieses Mädchen trieb es echt immer zu weit. "Sag es. Sonst...", natürlich wirkten Drohungen nicht bei ihr und mir fielen auf die Schnelle auch keine passenden Schandtaten ein. "Sonst was", fragte sie provozierend. "Ja Lucas? Sonst was", ertönte nun Diegos tiefe Stimme, welche sich Muskeln angespannt hinter seiner Freundin aufbaute. Und zum tausendsten Mal verfluchte ich diese unfähigen Lehrer. Statt aufzupassen, lagen die faulen Säcke am Strand und genossen die Sonne.

Ich setzte mein liebstes Lächeln auf und sagte gefährlich leise zu der schwankenden Grace: "Dann poliere ich deine ehemalige hübsche Fresse." Sofort schrie Diego auf und stürzte sich auf mich. "Niemand beleidigt meine Freundin!" Seine liebenswerte Freundin riss sich los und rammte mir ihre Faust in den Magen. Selbst besoffen kämpfte sie zielsicher und besser als jeder Typ. Sofort stürzten sich Christian, Leon, Sebastian und sogar Maik mit wilden Geheul auf Diego und seine Freunde. Leider gaben die nicht kampflos bei. Und so prügelten wir uns. Eigentlich war es affig sich grundlos zu verkloppen, aber meine Freunde und Diegos konnten sich nicht leiden, genauso wenig wie wir beide. Vielleicht lag es daran, dass sie Drogensüchtige, Alkohol saufende Freaks waren. Vielleicht auch einfach daran, dass wir zu ähnlich waren um uns zu vertragen.

Eine Faust landete auf meiner Schulter. Wütend wollte ich zurück schlagen, doch ein hoher Schrei ließ uns alle inne halten. Eine wildgewordene Blondine stürzte sich auf Diego und scheuerte ihm eine. "Wie kannst du es wagen Sam ins Wasser zu schmeißen", verblüfft schaute ich Hannah, Leons Freundin und Samathas ehemalige beste Freundin, an. Wie eine Furie baute sie sich vor einem erstaunten Diego auf. Seit wann konnte sie so austeilen? "Wieso denn nicht? Die kleine Steberin hatte es verdient", lachte er gehässig. Ein selbstzufriedenes Lächeln lag auf seinem Mund. "Arme Prinzessin! Sind ihre goldenen Locken nass geworden", spottete Grace und fuhr sich durch die Haare. "Sie kann nicht schwimmen, du Mistgeburt von Schlampe", schrie Hannah und wirbelte nun zu Grace herum. Aber anstatt Schuldgefühle zu bekommen, lachte diese los. "Und? Ist das mein Problem?" Dies war der Moment, wo Hannah komplett explodierte. Schreiend warf sie sich nach vorne, doch Leon packte sie.

Mehr bekam ich nicht mit. Ich riss mir mein T-shirt vom Körper und stürmte in Boxershorts ins Wasser. Kraulend näherte mich der Stelle, wo sie Sam reingeschmissen hatten. Das Wasser kräuselte sich ander stelle noch etwas. Ich holte tief Luft und tauchte unter. Da, da waren blonde Haare. Mit wenigen kräftigen Zügen erreichte ich sie und packte sie an den Armen. Mit aller Kraft zerrte ich sie mit mir nach oben. Wer hätte gedacht, dass ein so kleines Mädchen so schwer sein konnte? Ich nicht!

Sobald ich auftauchte, kam eine kreischende Elli angestürzt und half mir Sam aus dem Wasser zu zerren. Ein kurzer Blick zur Seite zeigte mir, dass Hannah wild mit Diego und den Lehrern diskutierte. "Lucas! Tu was", schrie Elli und schnippste wie wild vor meinen meinem Gesicht rum. Sah ich aus wie ein Gott oder was? Unsicher schaute ich auf das blasse Gesicht von Sam. "Ja was denn?" "Keine Ahnung! Denkst du etwa ich habe jemals in der Schule aufgepasst", fauchte Elli hysterisch. Blanke Panik lag in ihren Augen. "Denkst du ich", knurrte ich wütend zurück. Die Schaulustigen um uns herum wurden immer mehr, doch keiner unternahm was. Was waren wir doch ein Haufen ungebildeter Weiheier. Schließlich stöhnte Isabella auf. "Kann hier überhaupt jemand irgendwas", grummelte sie und trippete zu uns. Elegant ging sie in die Knie und beugte sich über Samantha, wobei ihre blonden Locken zur Seite fielen und uns einen perfekten Blick in ihren Ausschnitt anboten. "Hör auf so zu glotzen! Wie ich dich kenne, kennst du ihren Körper eh schon auswendig", giftete Elli und haute mich wütend. "Hast du überhaupt Ahnung von erste Hilfe", fragte sie nun Isabella misstrauisch. "Nö, aber in den Filmen machen sie es meistens so", meinte diese schulterzuckend und gab Samantha eine Backpfeife. Erst war es still, dann schrie Elli so laut los, dass die Lehrer endlich mal zu uns kamen. "Sag mal spinnst du", wie ein blonder Racheengel sprang sie auf und schmiss Isabella zu Boden. Tolle Rettungsaktion. "Hast du sie noch alle", giftete nun diese. Während Mr. Anders versuchte die beiden zu trennen, kam die junge Lehrerin nun zu mir und kontrollierte Samanthas Atmung. "Schneller konnten sie uns auch nicht helfen, was", entgegnete ich bissig.

Samantha P.o.V.

Stille. Eine friedliche Stille. Am liebsten würde ich ewig so weiter leben. Der Druck auf meinen Ohren war weg. Das Einzige was geblieben war, war die Dunkelheit und ein leises Rauschen. Und das ungewohnte Gefühl von Geborgenheit. Wärme umgab mich. War ich tot? Und wenn ja, wo war ich? Im Himmel? Oder in der Hölle? Nein, die Hölle hatte ich auf der Erde. Zuhause war die Hölle. Hier dagegen war es friedlich. Es muss der Himmel sein. Bitte lass mich im Himmel sein. Nochmal die Hölle zu durchleben, nein, dass würde ich ganz bestimmt nicht überleben. Obwohl. Luzifers Hölle ist wahrscheinlich angenehmer als meine persönliche.

Stimmen drangen zu mir durch. Waren das Engel? Die Stimmen klangen so leise. So sanft. So schön. Es mussten Engel sein! Jemand berührte mich an der Stirn. So sanft wie mich nur meine Mutter immer gestreichelt hatte, wenn ich traurig war. Mein Vater hatte dies früher auch getan, aber jetzt schon lange nicht mehr. Worte drangen zu mir durch. Sanft gesprochene, schöne Worte. Wo war ich? Wieso konnte ich nichts sehen?

"Wach auf. Bitte Sam. Wach auf!"

Wieso sollte ich aufwachen? Ich war doch tot! Oder etwa doch nicht? Bilder durchfluteten meinen Kopf. So viel Wasser. Die Erinnerungen kamen wieder. Eine unsichtbare Last legte sich auf meinen Brustkorb. Keuchend riss ich die Augen auf und fuhr hoch. Licht. Es blendete mich so stark, dass ich wieder zurückfiel. "Sam! Sam! Kannst du mich hören", fragte jetzt jemand ganz aufgeregt. "Nicht so laut", stöhnte ich und krümmte mich zusammen. "Alles gut Sam. Ich bin es. Lucas! Wie geht es dir?"

Lucas. Wieso ausgerechnet der? "Mein Kopf tut weh", nuschelte ich und öffnete zaghaft meine Augen. Ich lag in einem Bett. Ich glaube Ellis. Wieso war ich nicht im Krankenhaus ? "Das ist, glaube ich, normal. Ich meine, du bist fast ertrunken", lachte er leise und fuhr sich durch die leicht nassen braunen Haare. Er war unsicher. Ich nickte und schloss wieder die Augen. Ich wollte zurück in den Himmel. Der war so schön! "Schlaf schön Kleine", flüsterte noch jemand, dann war ich weg.

I'm not living, I'm just survivingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt