2 Kapitel

46.3K 1.3K 109
                                    

Samantha P.o.V.

In der Schule ging ich erstmal zu meinem Spint und holte meine Bücher. Inzwischen war es 7:25 Uhr und die Schüler waren fast alle da. Ich schleuderte die Spinttür zu und machte mich auf zum Klassenzimmer, wobei das bei diesem Gewühl echt schwer war. Als laufender Meter nahm mich kaum jemand wahr und so würde ich andauernd umher geschubst. Zu spät bemerkte ich das Bein, was man mir stellte. Zwar konnte ich mich noch retten, indem ich nur ein paar Schritte stolperte, doch meine Bücher flogen allesamt auf den Boden. "Ups, das tut mir aber leid", vernahm ich eine männliche Stimme. Ich biss die Zähne auf einander, ballte die Hände zu Fäusten und drehte mich langsam um.
Ruhig bleiben Sam, ganz ruhig.
"Lucas!", sagte ich so ruhig es ging und starrte ihn an. Lucas war das Arschloch an unserer Schule. Fast jedes Mädchen stand auf ihn und das war ihm ziemlich zu Kopf gestiegen. Arrogant und selbstverliebt waren noch die netten Charaktereigenschaften von ihm. Früher war er mal nett gewesen, aber ab einem gewissen Zeitpunkt war bei ihm mächtig was schief gelaufen. Aber zugegeben, er sah schon geil aus. Braune Augen und echt tolle Muskeln.
Warte was? Stop Gehirn stop!
Ich verpasste mir innerlich eine und sah ihn zähneknirschend an. "Na Duncan. Lange nicht gesehen", höhnte er. Automatisch ging ich einen Schritt zurück. "Hör auf mich beim Nachnamen zu nennen, Night. Was willst du", giftete ich ihn schnippisch an und sich vorsichtshalber noch mal ein paar Schritte zurück. "Was ich von dir will? Du bist doch die, die nicht aufpasst wo sie lang läuft." Hab ich schon erwähnt, dass er total leicht reizbar ist? Es ist als würde man einem Baby seinen Lieblings Teddy Bären weg nehmen. Das flennt auch gleich rum.

"Dein Fuß war im Weg, daran bin ich nicht schuld", erklärte ich gleichgültig. Wenn es nach mir gehen würde, würde ich meinen Kopf nun im Boden versinken lassen und nie wieder herauskommen. Er schaute mich aufmerksam aus seinen braunen Augen an. In dem Moment klingelte es und sofort huschten alle Schüler in ihre Räume. Hauptsache weg von hier. Es war ihnen egal, ob ich hier fertig gemacht wurde oder nicht. Hauptsache war, dass es sie nicht traf und sie hatten später was zum Lachen. Leider verzog Lucas sich mit seinen drei Freunden nicht. Es war eher das Gegenteil. Denn jetzt kam er bedrohlich auf mich zu und schubste mich gegen einen Spint. "Was hast du gerade gesagt?", fragte er gefährlich leise und stemmte sich mit den Händen rechts und links von mir gegen den Spint.

Ohne mit den Wimpern zu zucken erwiderte ich seinen Blick. Er sollte ja nicht merken, dass er mir gerade total Angst machte.
Hau ab. Bitte...
"Sam? Bist du hier", vernahm ich die unsichere Stimme von Hannah. Anscheinend war sie auch zu spät dran. "Pass auf, was du mir gegenüber sagst", zischte Lucas noch und verschwand dann mit seinem Clan an Hohlköpfen. Endlich. Zitternd sank ich zu Boden und umklammerte meine Knie. Nicht mal hier hatte ich Ruhe. "Sam? O man! Ist alles ok'", rief sie und stürmte in ihren neuen Adidas Schuhen zu mir. "Ja, alles ok", schnaufte ich und erhob mich. "Wirklich? War es Lucas? Was hat der Arsch jetzt wieder gemacht", schimpfte sie und streichelte über meinen Arm. Schnell entzog ich mich der Berührung. "Schon ok Han, ich lebe noch. Er hat mir nur ein Bein gestellt und mir gedroht. Das Übliche eben", sagte ich gespielt unbekümmert und hob zittrig meine Bücher auf. Kurz sah sie mich an, dann nickte sie und vergaß die Situation gekonnt in dem Moment wieder. "Okay, lass jetzt zum Unterricht gehen, sonst gibt es noch mehr Ärger." Ich nickte noch einmal zur Bestätigung und ging so selbstsicher wie möglich vorweg. Hinter mir hörte ich Hannahs eilige Schritte. "Übrigens Han, wie hast du es geschafft so schnell wieder so genial auszusehen", fragte ich nur um sie abzulenken. Sie lachte: "Schminke und kaltes Wasser bewirken Wunder!" Ich musste grinsen. Das war eben meine Hanna. Sie ließ sich nicht unterkriegen, im Gegensatz zu mir.

Mittagspause. Wie ich diese zwanzig Minuten hasste. Oder waren es sogar dreißig? Keine Ahnung, es war einfach zu lange. Klar, andere waren froh über so wenig Unterricht wie möglich, aber ich nicht. Im Unterricht konnte ich wenigsten unauffällig sein und wenn ich was sagte, war es allen egal. Sie nannten mich einfach nur Streberin, aber das war in Ordnung. Doch in der Pause war ich wortwörtlich den wilden Tieren ausgesetzt. Den wilden Tieren der High School! Ich glaubte, sogar jedes echte wilde Tier aus der Natur hatte Angst vor denen.

Unauffällig huschte ich hinter Hannah her, die sich gerade wieder aufregte, was für ein Idiot Leon sei und wie er ihr das antun könne.
Was hat sie anderes erwartet? Er gehört zu den Bad Boys! Eh ein Wunder, dass er sie wahrgenommen hat!
Ich seufzte. Aber Hannah konnte im Grunde zu den Beliebten gehören, hätte sie nicht mal eine Zeit als Party Girl verbracht. Seitdem hatte sie den Ruf eine Schlampe zu sein schlecht hin. Sogar die richtigen Schlampen nannten sie so, was irgendwie eine gewisse Ironie war. "Also Darling! Hast du dir schon was überlegt", fragte sie mich jetzt. "Hm", nuschelte ich nicht sehr geistreich und ließ mich auf einen Stuhl an einem leeren Tisch fallen. Ich hatte mal wieder nicht zugehört. "Ich hab dich gefragt ob du schon irgendeine Idee hast, ob und wie ich es Leon heimzahlen kann", sagte sie vorwurfsvoll und starrte angewidert auf das Essen. Da ich ihr nicht meine Meinung sagen wollte, interessierte ich mich jetzt auch für das Essen. Ja was war das eigentlich? "Das sollen Fleischklößchen mit Kartoffeln sein", klärte Hannah mich auf. "Aber jetzt zu unserem eigentlichen Problem, Leon", setze sie nach, bevor ich darauf eingehen konnte. "Also ich finde die Essenszustände sind hier ein wirkliches Problem. Man erkennt nicht mal was man vor sich hat", wich ich aus und probierte zaghaft. "Sieht nicht gut aus, schmeckt aber halbwegs", kommentierte Hannah und sah mich erbost aus ihren blauen Augen an. "Aber jetzt hör auf mir auszuweichen!" Ergeben ließ ich mein Besteck sinken und sah sie genervt an. "Na gut, meiner Meinung nach solltest du ihn vergessen. Ist eh nur ein Arschloch wie die anderen hier.", brummelte ich und kaute hoch konzentriert auf dem Kartoffelstückchen. "Ja, vielleicht hast du recht...Aber ich kann ihn nicht vergessen", rief sie dann aus und haute auf den Tisch. Zum Glück schien das keiner zu bemerken. "Wen kannst du nicht vergessen? Mich? Kann ich verstehen", hörte ich eine selbstgefällige Stimme hinter mir. Lucas, schon wieder. Irgendwie tauchte der Idiot immer im meiner Nähe auf. Ich drehte mich um und sah ihn kalt an. "Was willst du", fragte ich genervt. "Wir dachten uns..." Begann er wobei schnell klar war, wen er mit 'wir' meinte: seine Gang und die Schlampen, die immer bei ihnen waren.
"...ob ihr nicht heute Abend auf die Party kommen wollt. Ist bei Leon. Startet um 20 Uhr." "Klar kommen wir, warum denn nicht", erwiderte ich und sah ihn unberührt an.
Verdammter Mist. Warum habe ich das getan?
Er grinste nur zufrieden und verschwand. Und Hannah ging in die Luft. "Was hast du gerade getan? ICH. WILL. NICHT. ZU. IHM. NACHHAUSE!" Panisch fuhr sie sich durch das Haar. "Pech", sagte ich ungerührt und aß weiter. Manchmal musste man sie zurück auf den Boden der Tatsachen holen. Sie würde sich eh wieder an ihn ran schmeißen, warum dann nicht gleich heute? Und ich konnte einen weiteren Abend weg von Zuhause sein.

I'm not living, I'm just survivingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt