32 | Safe House

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Arvid zitterte am ganzen Körper

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Arvid zitterte am ganzen Körper. Er konnte nicht glauben, was gerade geschah. Nicht nur, dass der alte Mann – der sich schließlich als Herbert Langenroth vorgestellt hatte – sie nicht hintergangen hatte. Nein, er glaubte ihnen die Geschichte genauso, wie Maria es getan hatte. Natürlich wollte auch er zunächst die Beweise sehen, doch er schien keinen Zweifel zu haben, dass alles stimmte, was sie aussagten.

Jetzt saßen sie in seinem Auto auf dem Weg zu einem Safe House, von dem sonst niemand wusste. Ein kleiner Teil von Arvid befürchtete immer noch, dass Herbert sie in Wirklichkeit direkt an seine Familie ausliefern würde, doch er versuchte, den Teil zu ignorieren. Er wollte mit der Sache abschließen. Er wollte ein neues Leben anfangen. Und zwar am liebsten schon heute.

Vielleicht war das unvorsichtig und dumm. Aber er konnte sich nicht helfen. Er wollte Lucinda sagen, dass er sich in sie verliebt hatte und für immer an ihrer Seite bleiben wollte. Er meinte es ernst, dass er den Rest des Lebens mit ihr verbringen wollte, und jetzt, wo er sie gefunden hatte, konnte dieser Rest des Lebens nicht schnell genug anfangen.

Lucy neben ihm auf der Rückbank wirkte deutlich angespannter. Sie hatte sicherlich dieselbe Angst wie er, aber anders als er schien sie nicht loslassen zu können. Mit einem Lächeln griff er nach ihrer Hand. »Hey. Lucy. Es ist okay. Nach allem, was wir durchgemacht haben, dürfen wir ruhig an das Bisschen Hoffnung glauben, das uns geschenkt wurde.«

Sie erwiderte das Lächeln nicht, aber sie drückte seine Hand. »Ich weiß. Ich kann nicht aus meiner Haut, ich bin zu misstrauisch.«

Herbert warf ihnen durch den Rückspiegel einen Blick zu. »Zu misstrauisch gibt es in unserem Beruf nicht, Lucy. Es ist gut, dass du immer noch Zweifel hast. Zeigt, dass du klar denken kannst.«

»Ich weiß nicht, ob dich das mehr oder weniger vertrauenswürdig macht, dass du das so offen sagst«, warf Arvid grinsend ein.

Er wollte nur noch den USB-Stick loswerden und das Recherchieren und Auswerten der Daten anderen überlassen. Wenn alles gut ging, wurde seine Familie endlich zur Rechenschaft gezogen. Wenn nicht, dann musste er das Land verlassen. Was ihm vor wenigen Tagen noch unmöglich erschienen war, wirkte jetzt plötzlich gar nicht mehr so schlimm. Was eine Frau an seiner Seite nicht alles anstellen konnte.

Das Auto hielt in einer Straße, die von einem Meer aus Reihenhäusern umgeben war. Herbert stieg aus und öffnete Lucy die Tür, während Arvid mit beiden Rucksäcken in der Hand ebenfalls ausstieg. Der alte Mann deutete auf eines der Häuser. »Da, die Nummer zweiundvierzig. Die Nachbarn sind es gewohnt, dass hier regelmäßig junge Leute einige Tage verbringen, ich nutze es nämlich oft als vermietetes Ferienhaus. Ist eine gute Tarnung, damit die echte Funktion nicht auffällt.«

Er kramte in seiner Hosentasche und zog einen Schlüsselbund hervor, von dem er einen Schlüssel abmachte. »Hier, der Schlüssel. Im Haus findet ihr Anleitungen, wie alles zu benutzen ist. Es ist ein klassisches Ferienhaus. Nur mit dem Unterschied, dass ich die Umgebung mit Kameras überwachen kann und alle Türen und Fenster absolut einbruchsicher sind. Wenn ihr sie nicht reinlasst, kommt niemand ungebeten an euch ran.«

Arvid nahm den Schlüssel mehr als dankbar an, während er gleichzeitig eine mentale Notiz machte, dass sie das Huas vermutlich nicht unbemerkt verlassen konnten. Falls Herbert sie am Ende doch betrog, mussten sie sich darüber im Klaren sein.

»Vielen Dank. Für alles.«

»Dank mir nicht zu früh, junger Mann. Noch ist nichts sicher. Die Daten auszuwerten, wird dauern. Und auch, wenn ich einige Mitarbeiter habe, denen ich absolut vertraue, wird es schwer sein, alle in der Organisation davon zu überzeugen, dass die von Thulens keine ehrenwerten Geschäftspartner sind. Das Netzwerk ist riesig und ich weiß nicht, wie viele unwissend und wie viele sehenden Auges loyal zu dieser Verbrecherband stehen. Ich kann euch nur versprechen, dass ich mein Bestes geben werde.« Er klopfte Arvid auf die Schulter, ehe er Lucy in eine Umarmung zog. »Ich wünsche euch beiden viel Glück und viel Geduld. Es wird Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern, bis ihr euch wieder frei bewegen könnt.«

»Darauf waren wir von Anfang an gefasst«, erklärte Lucinda munter. Arvid schaute sie misstrauisch an, doch sie tat so, als könnte sie kein Wässerchen trüben.

Noch einmal schüttelte er die Hand des alten Mannes, dann wendeten sie sich um und steuerten auf ihr neues temporäres Heim zu.

***


»Raus mit der Sprache.« Arvid hatte Lucy mehrere Stunden Zeit gegeben, um anzukommen, noch einmal zu duschen und sich bei einem Becher Tee zu entspannen. Doch jetzt konnte er seine Ungeduld nicht länger zügeln.

Sie schaute ihn aus unschuldigen Augen an. »Was meinst du?«

»Ich hab doch gesehen, wie angespannt du im Auto warst. Und dann bist du plötzlich fröhlich und optimistisch? Was ist wirklich los?«

Augenblicklich lief sie hochrot an, doch sie stellte sich stur. »Ich bin einfach nur erschöpft, da bin ich manchmal unausgeglichen.«

Arvid stand von dem Sessel auf, in dem er bis eben Zeitung gelesen hatte, und setzte sich demonstrativ neben Lucinda auf das weiche Sofa. »Ich mag dich erst zwei Tage kennen, aber ich weiß, wann du versuchst, etwas zu verheimlichen. Also, raus mit der Sprache.«

Er konnte sehen, wie sie mit sich rang. Was auch immer sie belastete, es fiel ihr offensichtlich nicht leicht, es auszusprechen. Aber er würde sich davon nicht beirren lassen. Er wollte ihr zeigen, dass er es ernstmeinte, dass sie ihm gehörte. Er wollte für sie da sein und ihr helfen und ihr bis an das Ende seines Lebens zurückzahlen, dass sie ihm zweimal das Leben gerettet hatte. Sie stand jetzt unter seinem Schutz.

Endlich hörte er das frustrierte Seufzen, das üblicherweise ankündigte, wenn Lucy es aufgab, etwas vorzuspielen, und beschloss, die Karten auf den Tisch zu legen. Gespannt schaute er sie an.

»Ich weiß einfach nicht, wie das werden soll. So lange mit uns beiden unter einem Dach. Wir haben beide unsere eigenen Leben, in die wir zurückkehren sollten. Ich hatte einfach nicht erwartet, dass das hier so von Dauer sein würde.«

Arvid fühlte sich, als hätte sie ihm einen Schlag in die Magengrube versetzt. Ungläubig starrte er sie an. Hatte er alles, was heute zwischen ihnen war, so falsch interpretiert? Waren ihre Worte beim Sex am Ende nur das, bedeutungslose Aussagen, die in der Hitze des Moments entstanden waren, ohne echt zu sein?

Er schluckte. So hatte er sich das nicht vorgestellt.



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