kapitel dreizehn - gilbert

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Die Wohnung meiner Kindheit ist tragischerweise über die Jahre hinweg kaum einem Wandel unterlegen – und das, obwohl meinem Vater das Kunststück gelungen ist, einen Sohn ohne den leisesten Protest der schweren Bücherwände oder Mahagoniböden mit dem anderen zu ersetzen.

Gerade von ihnen, diesen unerschütterlichen Konstanten meiner frühen Kindheit bis Jugend hätte ich mehr Widerstand erwartet; immerhin waren sie es, auf deren polierter, mit dicht gewebten Teppichen beschichteter Oberfläche ich meine ersten Schritte getan habe.

Es waren gerade diese Wände, die mit Bücherschränken getäfelten Grenzen meiner frühkindlichen Welt, die meinen Geist von der Sekunde an, in der ich lernte, einen Sinn aus den Buchstaben zu ziehen, mit einem Kuriosum realitätsferner Ungewöhnlichkeiten füllten.

Mein Vater sammelt bereits sein gesamtes Leben lang Bücher. Er legt dieselbe eifersüchtige Schirmherrschaft an den Tag wie ich, was das Hüten und Bewahren von Wissen angeht.

Genauso wie jemand, der in seiner Jugend darum kämpfen musste, eine Bildung zu erhalten, hortet er, seit ich denken kann, ledergraue Bucheinbände in seinen Regalen – ganz so, als würde hinter den hohen viktorianischen Kristallfenstern eine Hungersnot toben und bloß die gebundenen Folianten in den Wänden stünden zwischen uns beiden, und dem sicheren Hungertod.

Weil ich mutterlos aufgewachsen bin, und ehrlicherweise nie eine weibliche, fürsorgliche Präsenz in meinem Leben vermisst habe, waren die Bücher in den Regalen, die jeden freien Abschnitt des grauen Mauerwerks abdeckten, für meine Erziehung verantwortlich.

Indem mein Vater mir das Lesen beibrachte, gab er mir selbst den Dolch in die Hand, mit dem ich eines Tages den prophezeiten Vatermord begehen würde – diese Erwartung bestand vom Augenblick meiner Geburt, wie ich inzwischen fürchte.

Der Unterschied zwischen Ödipus und mir, Theben und der Wohnung im Mayfair, und meinem Vater als dessen König, bestand allerdings darin, dass mein Vater durch eine angeborene Gleichgültigkeit mir gegenüber bestimmt war – eine, die geradezu danach verlangte, dass ich von der scharfen Waffe in meiner Hand Gebrauch machen würde, um ihm damit zu beweisen, dass ich gewissermaßen über die Bemühungen seiner Erziehung hinausgewachsen war.

Mein Vater war bereit, sich auf den Opferstein auszustrecken, wenn es nur bedeutete, dass ich endlich das Messer in die Hand nehmen würde, das er mir vor all den Jahren mit einem Flehen in den Augen in einem Festzug seltener Feierlichkeit überreichte – geradezu darauf bangend, dass ich es richtig zu benutzen wissen würde.

Doch zu seinem großen Leidwesen bin ich nie über ihn hinausgewachsen. Habe nie zum ätherisch behauchten Originalgenie zurückgefunden, das wie in einer armseligen Verdünnungsreihe durch unsere Adern fließt – und habe nie in die fleischliche Form der Erweiterung seiner Selbst gefunden, die er so dringend in mir gesucht hat.

Kleine StreunerWhere stories live. Discover now