Draco stieß mich leicht in die Seite und als ich den Kopf hob, zog er einen Mundwinkel in die Höhe. Wie konnte er in so einer Situation lächeln?

„Das solltest du dir ansehen", meinte er und wippte mit dem Kopf zur Seite. Genau dahin, wo gerade die beiden Gestalten eine weitere Leiche zu den anderen trugen.

„Ich glaube nicht, dass ich das kann", hauchte ich und spürte, wie es mir die Kehle zuschnürte.

„Doch, das kannst du", erklärte Draco leise und legte seine Finger an mein Kinn. Vorsichtig drehte er meinen Kopf zur Seite und ich hielt besorgt die Luft an.

Ich beobachtete die beiden Jungen, wie sie einen in schwarz gehüllten Todesser in den hinteren Teil der Halle trugen und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Aus den schmalen Schlitzen seiner Maske tropfte Blut und sein stämmiger Körper war erschlafft.

„Wer ist das?" fragte ich mit zittriger Stimme, obwohl mir kein Todesser einfallen würde, dessen Tod ich laut Draco sehen sollte.

„Der Ältere war mal der Kapitän vom Qudditchteam der Gryffindors, glaube ich, aber mir geht es um den anderen", erklärte er leise und erst da sah ich zu den Jungen, die den Körper trugen. Ich hatte mich so auf die Leichen konzentriert, dass ich den Lebenden keine Beachtung geschenkt hatte.

Wieder traten Tränen in meine Augen, doch dieses Mal kamen sie von der Erleichterung, die sich in mir ausbreitete. Ich atmete tief durch und lehnte mich erschöpft an Dracos Schulter.

Neville spürte meinen Blick und sah sich suchend um, als er den Leichnam abgelegt hatte. Er fand mich und wirkte nicht weniger erleichtert. An der linken Seite seiner Stirn klebte Blut, welches scheinbar aus einer Wunde an seinem Haaransatz gequollen war und er humpelte kaum merklich. Sonst ging es ihm weitestgehend gut.

Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und ich schniefte leise. Draco hielt mir ein Taschentuch hin und ich nahm es dankbar an. Mein Blick lag weiterhin auf dem Gryffindor, welcher sich von seinem Kollegen verabschiedete und langsam auf uns zukam. Als er Dracos Arm um meine Schultern entdeckte, stockte er für einen Moment.

Plötzlich ging ein Ruck durch meinen Körper und einen Wimpernschlag später saß ich nicht mehr in der Großen Halle. Neville, Draco und all die anderen waren verschwunden. Ich war alleine.

Verwirrt sah ich mich um, doch mich umgab ein weißer Nebel. Weiter nichts. Als hätte sich die Umgebung noch nicht gefestigt.

Ein schrecklich rasselndes Geräusch zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Nebel glitt zur Seite und gab den Blick auf einen Mann frei.

Snape lag am Boden und presste verzweifelt eine Hand auf seinen Hals. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor und ohne weiter darüber nachzudenken, wo ich war und wie ich hierhergekommen war, lief ich auf ihn zu.

Seine dunklen Augen fokussierten nicht mich, sondern einen Punkt neben mir. Genau da, wo er etwas für mich unsichtbares, zu halten schien.

Ich hockte mich zu ihm und presste ebenfalls meine Hände auf seine Wunde. „Was ist passiert?" fragte ich atemlos und spürte ein leichtes Kribbeln an meinem eigenen Hals. Genau an der Stelle, wo Snape verletzt worden war.

„Sir?" Verzweiflung machte sich in mir breit, weil immer mehr Blut den Körper meines Professors verließ. Ich wollte ihn nicht auch noch verlieren. Er war im letzten Jahr immer für mich da gewesen.

„Nimm... es", hauchte er, weiterhin etwas ansehend, dass neben mir zu sein schien. Ich war bei ihm und doch nicht wirklich da. Es war absurd. Als wäre ich ein Zuschauer seines Todes, aber ich konnte ausschließlich ihn sehen.

Meine Hand wanderte in die Innentasche meiner Robe und wollte meinen Zauberstab hervorholen, doch er war nicht da. „Mist", murmelte ich und drückte weiter auf die Wunde. Irgendwas musste ich doch tun.

Lucinda - The Mask of a SlytherinTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon