Kapitel 5

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Entgeistert stand ich vor dem Ausbildungserlass Nummer vierundzwanzig und ließ meinen Blick ein weiteres Mal über die Zeilen wandern. Alle Schülerorganisationen, Gesellschaften, Mannschaften, Gruppen und Klubs sind mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Der Aushang war mir im Gemeinschaftsraum sofort ins Auge gestochen. Es war zur Routine geworden, dass ich aufstand, duschen ging und mich dann mit einem Buch in einen der gemütlichen Sessel im Gemeinschaftsraum setzte, um den Stoff nachzuholen, der mir fehlte.

Heute fand ich mich vor diesem Aushang wieder und ich wusste genau, dass mich die anderen Schüler, die Samstag auch bei dem Treffen waren, dafür verantwortlich machen würden. Ich musste nur hoffen, dass sie mich alleine erwischten und nicht vor den anderen Slytherins darauf ansprachen. Die würden es nicht so gut auffassen, dass ich gemeinsame Sache mit Potter machte, obwohl es dabei nur ums vernünftige Lernen von Zaubern ging.

Noch ein letztes Mal glitt mein Blick über den Aushang und dann machte ich mich, mit dem Buch unterm Arm, auf den Weg zurück in meinen Schlafsaal. Mir war die Lust nach Astronomie vergangen.

Leise schlüpfte ich durch die Tür ins Innere, wo die anderen Mädchen in Seelenruhe schliefen. Sie hatten noch keine Ahnung, dass eine neue Anordnung im Gemeinschaftsraum hing. Das Buch fand seinen Weg in die obere Schublade meiner Kommode und stattdessen zog ich die Schulsachen für den heutigen Tag hervor. Leise stopfte ich sie in meine Tasche und schulterte diese. Ich schnappte mir meine Robe und verließ den Schlafsaal wieder.

Mit schnellen Schritten durchquerte ich den Gemeinschaftsraum und trat in die kühlen Flure des Kerkers. Die ersten Sonnenstrahlen legten die Gänge in ein schummeriges Licht, während ich mich auf den Weg zur Großen Halle machte. Ich war noch nie so früh im Schloss unterwegs gewesen, obwohl ich immer um diese Zeit wach war. Es war irgendwie gespenstisch ruhig und wirkte fast schon verlassen. Es kam mir unwirklich vor, dass in nur wenigen Stunden diese Gänge mit Schülern gefüllt sein würden.

Die Tür der Großen Halle war noch geschlossen und ich fragte mich, ob ich so früh überhaupt schon Frühstück bekommen konnte. Vorsichtig drückte ich die schwere Klinge herunter und stemmte mich gegen die große Holztür. Ich öffnete sie nur einen Spalt, sodass ich hinein schlüpfen konnte.

Lediglich zwei Personen waren im Inneren. Am Lehrertisch auf der anderen Seite der Halle saß Professor Dumbledore ganz alleine über sein Frühstück gebeugt und Mr. Filch stand neben dem Kamin und war am fegen. Der Schulleiter hob seinen Blick, als er meine Schritte hörte und nickte mir freundlich lächelnd zu. Ich erwiderte sein Nicken und ließ mich dann auf die Bank am Slytherintisch fallen, sodass ich die Tür unauffällig im Blick halten konnte.

Die ersten Schüler trudelten ungefähr eine Stunde nach mir ein. Der Schulleiter und der Hausmeister waren verschwunden, stattdessen hatten sich einige andere Lehrer zum Frühstück eingefunden. Ich hatte längst aufgegessen und eines meiner Schulbücher vor mir auf dem Tisch geöffnet, als Daphne mit Draco, Pansy und Blaise im Schlepptau durch die Tür kam. Sie setzten sich zu mir und ich hob den Blick wieder von den Zeilen.

„Guten Morgen, was machst du schon so früh hier? Ich dachte, wir treffen uns im Gemeinschaftsraum und gehen gemeinsam essen?" fragte Daphne verwundert und setzte sich mir gegenüber. „Morgen", nuschelte ich und senkte den Blick wieder. Mir war im Moment nicht nach einer Unterhaltung zumute. Ich wollte viel lieber in Ruhe zu Ende lesen und darüber grübeln, wie ich, auf die mir bevorstehenden Vorwürfe, reagieren sollte.

"Och, sag nicht du bist auch angefressen, wegen der neuen Anordnung. Du spielst doch gar kein Quidditch, also betrifft es dich nicht mal", maulte Daphne und ihrem Ton war anzuhören, dass die beiden Jungs sich auf dem Weg hier her schon darüber ausgelassen hatten. „Nein, ich würde das nur gerne in Ruhe lesen", erwiderte ich ein bisschen zu schroff. Ich schlug das Buch lautstark zu, klemmte es mir unter den Arm, griff nach meiner Tasche und der Robe und verschwand aus der großen Halle.

Lucinda - The Mask of a SlytherinWhere stories live. Discover now