Vertrag zwischen Erzfeinden

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Wie gerne hätte ich mich jetzt dazwischen geworfen, doch ich war unfähig, mich zu bewegen. Meine Beine zitterten. Ich hoffte inständig, Zhongli würde die Flucht ergreifen, es nicht wagen, den Gott herauszufordern und einfach fliehen.
Mit oder ohne mich.
Osial hätte mich längst umgebracht, wenn es sein Ziel gewesen wäre. Er würde mir nichts antun, oder?
Zhongli, flieh!

In diesem Moment preschte der Braunhaarige, geschützt durch einen Jadeblock, voran und versuchte erneut, seinen Gegenüber aufzuspießen. Doch Osial grinste, Wasserschlangen schossen hervor, um den Speer aufzuhalten.
Auf einmal fing der Speer an zu leuchten, eine goldene Spur zog hinter ihm her und ehe ich mich versah, wurden die Schlangen ohne Gnade durchbohrt, sie zerfielen in tausende von kleinen Tropfen.

Osial zischte. ,,Netter Zug." Sein Arm schnellte hoch, ein Band aus dichtem Wasser schlängelte sich seinen Arm hinab und um seine Hand herum. Gezielt griff er einfach nach dem Speer, verhinderte, dass dessen leuchtende Spitze ihn traf. Währenddessen hatte er den anderen Arm gehoben, ein größer werdender Wasserball sprudelte in seiner Hand, bis er plötzlich auf Zhongli zugeschleudert wurde, den Jadeblock problemlos zerbrach, ihn mit voller Wucht im Magen traf und er so wieder einmal gegen die Wand geworfen wurde.

Bei dem Aufprall keuchte er schwer, Blut lief ihm aus dem Mund. Zhongli warf mir einen flüchtigen Blick zu, ehe er sich aufrappelte und seine Waffe schwang.
Der Meeresgott schlenderte gemütlich auf uns zu, schüttelte gelangweilt den Kopf. ,,Tss, was soll das? Wieso hältst du dich zurück, alter Mann? Zeig mir deine wahre Stärke!"
Mir wurde schlecht, als ich beobachtete, wie Wasserpfeile auf den Braunhaarigen zuflogen. Allerdings schien das für ihn kein Problem zu sein, denn er zerschmetterte sie einfach mit seinem Speer.

Was er nicht kommen sah, war, dass die Pfeile auch mich anvisieren würden. Die nächsten drei Pfeilspitzen schossen auf mich zu und ich blickte ihnen einfach nur starr entgegen. Wie ein Schwächling. Ich war schwach, das wusste ich vorher schon, aber nun traf es mich nochmal anders.
,,Y/N!" Ich schloss instinktiv die Augen, rechnete damit, dass die Pfeile sich in mein Fleisch bohrten, dass ich umfallen würde, gedankenlos, und nie wieder aufwachen würde.
Doch es geschah nicht.

Als ich die Augen wieder öffnete, stand Zhongli vor mir, mit ausgestreckten Armen und leuchtenden Augen. Ich sah direkt in sein wunderschönes Gesicht.
,,Geht es dir gut?" Das Meereswasser hatte das Blut an seinem Mund fortgewaschen.
Geschockt nickte ich, ich bekam den Mund nicht auf.
Zhongli hatte rechtzeitig einen Schild erschaffen, ich war in Sicherheit. Wir waren in Sicherheit.

Oder?

,,Naww, wie süß." Osial klatschte sich amüsiert in die Hände. ,,Ich wusste, dass sie deine größte Schwäche ist. Willst du wissen, wie ich es herausgefunden habe, Morax?" Grinsend beobachtete er, wie Zhongli sich zu ihm umdrehte, ohne den Schild aufzulösen, und hob seine Hand.
Entgeistert betrachtete ich das kleine Schmuckstück auf seiner Handfläche. Unbewusst tastete ich meinen Finger ab, an dem etwas fehlte. Es war ein Ring.
Mein Ring.

Zhongli's Körper spannte sich an, genau wie meiner. Wann hat er ihn mir abgenommen?
,,Gib ihn zurück, Osial!"
Zhongli's Forderung ließ den anderen nur spotten. Osial legte vergnügt eine Handfläche senkrecht an den Mund und flüsterte: ,,Hol ihn dir doch~" Zeitgleich wedelte er mit dem Ring herum als wäre er ein Hundespielzeug.

Zornig ließ der Archon mich hinter sich, hielt wieder seinen Speer in der Hand und stürmte auf seinen Feind zu.
Osial lächelte, alles lief nach Plan. Offenbar wollte er Zhongli nur von mir wegbekommen, denn nun kamen aus allen Richtungen Wasserfäden, schossen auf den Braunhaarigen zu und wickelten sich ungehalten um dessen Gliedmaßen. Erst wehrte er sich verbissen, doch er hatte keine Chance. Der Speer fiel ihm aus der Hand und löste sich auf.

Memories | Zhongli x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt