Doch nicht so schwach?

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Ungefähr 10 Minuten liefen wir durch Liyue, bis wir irgendwann die sogenannte Yujing-Terrasse, nordwestlich der Hafenstadt und etwas abgelegen vom geschäftigen Treiben, erreichten. Eine kleine Menschenmenge hatte sich dort bereits versammelt und wartete auf den Beginn der Zeremonie. Childe und ich stellten uns ein wenig abseits der Menge an den Rand, hatten dennoch einen guten Blick auf das Geschehen. Eine elegante Frau mit weißen Haaren stand zwischen zwei weiteren Frauen, die beide blau gekleidet waren.

Neugierig wandte ich mich an Childe. ,,Wer ist diese Frau?" ,,Ningguang? Sie ist die Tianquan der Liyue Qixing. Sie leitet das ganze hier."
Auf einmal kam eine seltsam gekleidete Frau zu uns. Sie trug eine Maske, die der von Childe ähnelte. ,,Die Dame aus Inazuma, die du sprechen wolltest, ist soeben eingetroffen und verlangt nun nach dir, Sir."
Childe schaute von ihr wieder zu mir und seufzte. ,,Sag ihr, dass ich gleich da bin."
Sie verbeugte sich leicht und verschwand dann auch schon wieder.

,,Dann muss ich jetzt wohl gehen." Nachdenklich schaute er sich um, bis sein Blick wieder auf mich fiel. ,,Willst du nicht mitkommen? Ich möchte ein so hübsches Mädchen wie dich wirklich nur ungern alleine lassen." Ihm war es sichtlich ernst, aber ich schüttelte ablehnend den Kopf. ,,Ich bleibe hier. Schließlich sieht man das nicht jeden Tag und ich möchte mehr über Liyue erfahren. Diese Chance lasse ich mir nicht entgehen."
Er seufzte noch einmal, ehe er mir den Rücken zudrehte. ,,Dann sehen wir uns später. Geh nach der Zeremonie direkt nach Hause, verstanden? Und warte nicht, bis es vollkommen dunkel ist." Mit einem Winken verließ er die Terrasse.

Im selben Moment trat Ningguang, die Tianquan, nach vorne und alles wurde still. Jedermanns Aufmerksamkeit lag auf ihr. ,,Es ist soweit." Die weißhaarige Frau hob ihre Arme und schuf, mit einer Art Magie, kleine goldene Felsbrocken, die um ihren Körper kreisten. Wie macht sie das?? Staunend sah ich zu, wie sie sich einem kleinen Schrein, der sich in der Mitte der Terrasse befand, zuwandte und die Felsbrocken darauf losschickte. Sie machte eine Handbewegung und wie auf Befehl positionierten sich die goldenen Teile an den Seiten des Schreins. Es folgte eine leichte Druckwelle und ein gewaltiger goldener Lichtstrahl schoss in den Himmel empor.

Eine dicke Wolkendecke bildete sich über uns. Plötzlich färbte sich der Himmel dunkelgrau mit einem leichten Braunstich und eine riesige Staubwolke breitete sich aus. Panisch fing ich an zu zittern. Soll das so sein?!
Um meiner Panik nochmal einen Ruck zu geben, fiel nun auch noch ein riesiger brauner Drache vom Himmel und landete unsanft und mit einem schweren Aufprall auf dem Schrein. Der Staub, den er dabei verursachte, raubte mir die Sicht. Von der Menge kam ein entsetztes Raunen. Die dunklen Staubpartikel wirbelten stürmisch durch die Luft, bis sie meine Sicht wieder freigaben.
Was ich sah, war ein lebloser Drachenkörper. Rex Lapis ist tot.

Plötzlich sackte ich zusammen. Kalte Tränen liefen über meine Wangen und fielen zu Boden. Ich wusste nicht warum, aber bei dem Anblick des reglosen Drachens, durchfuhr mich tiefe Trauer. Schluchzend drückte ich meine Stirn auf den harten und kalten Boden, während ich mir die Ohren zuhielt. Was mache ich da? Verliere ich die Kontrolle über meinen eigenen Körper?!
Es schien auf einmal so, als würde noch mehr Staub auftauchen, als davor. Wo kommt der ganze Staub her? Nach wenigen Sekunden war ich vollständig von einem dunklen Schleier umgeben und sah nichts mehr. Ich wollte aufstehen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Alles, was ich tun konnte, war weinen. Und das tat ich auch.
Ich hörte panische Schreie der anderen, bis jemand meinen Namen rief.

POV: Zhongli

Eilig hastete ich auf Y/N zu. Überall auf der Yujing-Terrasse befand sich Staub im Übermaß, sodass ich ihren zusammengekauerten Körper nur schwer erkennen konnte. Was ist mit ihr passiert?
Bei ihr angekommen nahm ich Y/N vorsichtig in die Arme und versuchte sie zu beruhigen, indem ich ihr Gesicht an meine Brust drückte und ihren Kopf streichelte. Sie zitterte am ganzen Körper und meine Kleidung wurde mit Tränenflüssigkeit befeuchtet. ,,Das habe ich nicht gewollt, verzeih mir Y/N ... " Entschuldigend vergrub ich mein Gesicht in ihren weichen Haaren.

,,Mor- ax."

Ich riss meine Augen weit auf. Weiß sie, wer ich bin? Verdattert hob ich wieder meinen Kopf. Sie sah mich ausdruckslos an. Ihre Augen waren leer und trugen nicht mehr ihren üblichen Glanz. Tränen bahnten sich unaufhörlich ihren Weg über Y/N's zartes Gesicht. Ihre Aura war plötzlich ganz anders und viel mächtiger als zuvor. Sie machte mir ein wenig Angst. Wer ist diese Frau? Starr vor Schreck sah ich zu, wie uns noch mehr Staub einhüllte. Wir müssen hier weg!

Ohne weiter zu zögern, hob ich Y/N hoch und nutzte den dichten Staub zu unserem Gunsten, um zu verschwinden. Der Staub stammt definitiv von ihr. Hoffentlich hat das keiner gesehen.
Mit ihr in den Armen eilte ich durch die Gassen und nahm mehrere Umwege, um niemandem zu begegnen und keine Aufmerksamkeit zu erregen. Währenddessen drehten sich meine Gedanken nur um Y/N. Sie besitzt kein göttliches Auge, warum also kann sie die Geo-Kraft anwenden?

Auf einmal verschwand die unheimlich starke Aura, die von ihr ausging, wieder und ich schaute zu ihr runter. Sie ist tatsächlich eingeschlafen. Ihr Herzschlag wurde immer langsamer, bis er ein normales Tempo annahm. Sie zitterte nun auch nicht mehr.

Ich versuchte die Haustür mit einem Finger zu öffnen, ohne sie dabei aufzuwecken und brachte sie anschließend in meinem Zimmer ins Bett.
Die Vorhänge zog ich zu, dann legte ich eine dicke Decke über ihren Körper. ,,Schlaf schön, Y/N." Ich strich ihr noch die letzte Träne von der Wange, dann beschloss ich, sie ruhen zu lassen.
Doch gerade, als ich mich umdrehte, ergriff sie schwach meine Hand. ,,Nicht ... gehen."
Ihre Augen waren geschlossen und sie befand sich im Halbschlaf.

Lachend nahm ich ihre Hand und hockte mich vor ihr ans Bett. ,,In Ordnung, dann bleibe ich." Ich gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Handrücken und sah, wie sich ihre Lippen zu einem schwachen Lächeln verformten.

Die Sonne fing jetzt erst an, unterzugehen. Ich muss unbedingt wissen, wer diese Frau ist.
Ich beobachtete sie noch eine Weile, während ich ihre Hand hielt. Irgendwann legte ich mich schließlich neben sie und schlief ebenfalls ein.

Fortsetzung folgt ...

Memories | Zhongli x ReaderWhere stories live. Discover now