Meine Heimat?

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Ich erinnerte mich nur noch vage daran, aus welcher Richtung wir kamen, aber wir würden schon Vuk's Haus finden. Schließlich war es nicht allzu weit entfernt.

Während wir liefen, nahm Zhongli kein einziges Mal den Arm von meiner Schulter.
,,Stimmt etwas nicht, Zhongli?"
Er hatte die ganze Zeit intensiv die Umgebung studiert und schüttelte jedes Mal angewidert den Kopf, wenn er tief durch die Nase atmete. Nun sah er mich an. ,,Die Luft hier ist sehr verunreinigt. Es wird wohl eine Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe." Damit drehte er wieder den Kopf weg und musterte die hohen Häuser.
Es stimmte. Die Luft hier war deutlich anders als in Liyue.

Plötzlich ertönte ein lautes Dröhnen, welches von Zeit zu Zeit lauter wurde. Irgendetwas näherte sich uns. Der Weg vor uns wurde auf einmal von einem hellen Licht erleuchtet. Je lauter das Dröhnen wurde, desto größer wurde auch das Licht.
Zhongli schaute irritiert um sich, seine Finger krallten sich in meine Schulter. ,,Was ist das?"

Es schien nur noch wenige Meter von uns entfernt zu sein.
Mein Begleiter griff hastig nach meinem Arm und zog mich schützend hinter sich. ,,Alles wird gut, Y/N." Doch ich hatte keine Angst. Ich war in diesem Moment wohl weniger aufgebracht als Zhongli. Was war es noch gleich?

Das Etwas brauste lautstark an uns vorbei. Es handelte sich um ein metallenes Gefährt, in dem gerade so noch die Silhouette einer Person zu erkennen war.
Uns kam ein ekelhafter Gestank entgegen, weswegen Zhongli sich die Nase zuhielt und den Kopf wegdrehte. Da das Fahrzeug durch die tiefen Pfützen fuhr, die durch den Regen entstanden sind, flog das Wasser in alle Richtungen und traf letztendlich auf unsere Hosenbeine. ,,Was auch immer es war, ich hoffe, dieses Ding ist ein Unikat."
Seelenruhig schaute ich den Braunhaarigen an. ,,Nein, es gibt viele davon."

Entsetzt, aber auch überrascht zugleich, drehte er zu mir. ,,Du weißt, was das war?"
Nachdenklich rieb ich mir das Kinn, während ich langsam nickte. ,,Ich glaube, man nennt es 'Auto'." Woher weiß ich das?
Ich ahnte, dass Zhongli diese Frage auf der Zunge brannte. ,,Woher ich das weiß? Keine Ahnung."

Doch gegen meinen Erwartungen wollte Zhongli diese Frage scheinbar überhaupt nicht stellen. Er wirkte gar nicht mehr überrascht. Weil er die Antwort bereits wusste.
,,Das wundert mich ehrlich gesagt nicht ganz so sehr. Schließlich ist es deine Heimat." Gelassen nahm er meine Hand und brachte mich dazu weiterzulaufen. Hätte er das nicht getan, wäre ich wohl noch eine Weile starr dort stehengeblieben. Was hat er da gesagt? Meine Heimat?

Verdutzt schaute ich Zhongli an, wobei ich nur seinen Hinterkopf sah. ,,Was meinst du? Ist das wirklich meine Heimat?" Meine Gedanken flogen durcheinander in meinem Kopf herum, wohl auf der Suche nach anderen Gedanken, mit denen sie zusammen einen Sinn ergeben würden. Doch sie fanden sich nicht. Meine Heimat soll HIER sein? Warum war ich in Liyue? Wie kam ich hierher? Woher weiß Zhongli das? Was passiert hier?

Ich war kurz davor, an meinen Gedanken zu zerbrechen, als Zhongli mich aus diesem Durcheinander rausholte. ,,Bald wird alles klar werden, Y/N. Ich weiß auch nicht so viel, aber Guizhong schon." Wer ist Guizhong denn jetzt? ,,Zhongli, du machst mich fertig!"
Dieser schmunzelte und schaute sich um. ,,Müssten wir nicht bald bei diesem Haus angekommen sein?"

Und tatsächlich. Ich erkannte das schäbige kleine Haus sofort, übernahm die Führung und zog Zhongli hinter mir her. Schnell ins Warme, damit wir endlich mal ordentlich reden können und Klartext schaffen!
Nachdem wir das Haus betraten, ließ ich Zhongli's Hand los und nahm ihm den Regenschirm ab. Während ich diesen in die Badewanne legte, schaute Zhongli sich im Wohnzimmer um.

,,Ist dieser Vuk eigentlich ein Fan von Horrorgeschichten?", fragte er mich, als ich mit einem Stapel Sachen zu ihm kam. Belustigt schüttelte ich den Kopf. ,,Ich weiß es nicht. Er meinte, er würde das Haus nicht renovieren wollen, da jedes einzelne Möbelstück mit Erinnerungen verbunden sei."
Während ich ihm einiges erklärte, führte ich Zhongli ins Bad, damit er sich umziehen konnte.
Zweifelnd beäugte ich den Mann von oben bis unten und dann die Sachen in meiner Hand. Dann seufzte ich: ,,Du bist größer als Vuk. Hoffentlich passen die Sachen..."

Als ich mich dem Gehen zuwandte, stoppte Zhongli mich, indem er wieder mein Handgelenk ergriff. ,,Wohin gehst du?" Als ich mich wieder zu ihm umdrehte, ließ er mich los. ,,Wohin schon? Ins Wohnzimmer." Prüfend blickte ich ihn an. Dann weiteten sich meine Augen. ,,Du willst doch nicht etwa, dass ich hier im Raum bleibe, während du dich umziehst?!"

Doch Zhongli blieb ruhig und zuckte nicht mal mit den Wimpern. ,,Ich will dich nicht noch einmal aus den Augen verlieren. Solange wir hier festsitzen, stehst du unter meiner Beobachtung, nicht nur zu deinem, sondern auch zu meinem Wohl." Er lenkte seine Aufmerksamkeit währenddessen auf die Kleidungsstücke und betrachtete jedes einzelne davon.

,,Zu deinem Wohl? Was passiert, wenn du mich verlierst?" Der Kerl sorgte nur für mehr lästige Fragen!
Seine leuchtenden bernsteinfarbenen Augen bohrten sich wieder in meine. ,,Du bist der Schlüssel, Y/N. Durch dich konnte ich erst durch die Tür gehen. Ohne dich... komme ich nicht mehr zurück."

Es vergingen wenige Sekunden, in denen wir intensive Blicke austauschten, dann wandte er sich wieder den Sachen zu und fuhr fort: ,,Jedenfalls möchte ich auf keinen Fall den Rest meines Lebens an diesem Ort verbringen, hab also bitte etwas Nachsicht." Er schaute mich kurz wieder an und legte den Kopf schräg. ,,Möchtest du mir beim Umziehen zusehen?"

Mir stockte der Atem. ,,Ja- ich m-meine nein! Ich-" Mit roten Wangen gab ich das Reden auf und drehte mich ruckartig um.
Unter klopfendem Herzen und nervösem Fußstampfen lauschte ich dem Rascheln hinter mir. Beruhige dich, Y/N! Unter Mitbewohnern ist das doch total normal, oder?
Das Rascheln verstummte und wurde durch ein Seufzen ersetzt. ,,Abgesehen von der Unterwäsche ist mir alles etwas zu kurz. Würdest du mir bitte ein Handtuch holen?"

Das kann doch nicht wahr sein.
Ohne mich umzudrehen schleppte ich mich aus dem Badezimmer, um ein Handtuch zu holen.
,,Mache Geräusche beim Laufen, damit ich weiß, wo du bist!", rief Zhongli mir noch hinterher.
Nachdem ich geseufzt hatte, stieß ich ein langes "LALALALALALA..." aus. Unser Zusammenleben wird mich wohl einiges an Kraft kosten...

Fortsetzung folgt ...




Memories | Zhongli x ReaderTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon