Schach und Matt

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Die Falle und der Köder waren somit ausgelegt. Bereit, zuzuschnappen, wenn es sein musste. Alles war so, wie ich es mir in meinem Kopf ausgemalt hatte. Flavio würde gar nicht wissen, was geschieht, bevor es schon zu spät sein würde.

Ob ich hingegen bereit dafür war, diesen Schritt zu gehen, das wusste ich wohl erst, wenn es soweit war. Aber es gab nun keine Zeit für Rückzieher mehr, schliesslich ging es nicht nur um mich, sondern um meine Freunde, die mich brauchten.

Und wenn ich für sie solch ein Opfer bringen musste, dann würde ich es mit einem leicht schweren Herzen tun.

Komme, was da wolle.

Der Kampf war für den heutigen Tag angesetzt worden, ein Dienstag, Draussen regnete es in Strömen, doch das kümmerte mich wenig. Was hier drin ablief, war viel besser und interessanter.

Es war genau die Situation eingetroffen, die ich heraufbeschworen hatte: Jeder der Anacondas wollte unbedingt diesen legendären Kampf sehen. Niemand wollte ihn verpassen.

Und hier, meine Damen und Herren, war der grosse Fehler im System dieser Gang, den ich gefunden und schamlos ausnützen würde.

Sie alle wollten den Kampf sehen, den ich nicht gewinnen konnte, das war mir bewusst. Flavio war mir körperlich sowie auch in seiner Kampftechnik bei weitem überlegen, aber das hielt mich nicht davon ab, ihm gegenüber zu treten.

Alle wollten sehen, wie er mir in den Arsch treten würde und nicht bemerken, was hinter ihrem Rücken geschah.

Ich hatte alles, den Code für die Tür, das Handy, die von mir geklauten und sichergestellten Informationen und, das Wichtigste, das perfekte Ablenkungsmanöver.

Niemand schöpfte Verdacht, wieso auch, man erwartete ja nicht, von seinem Feind ein Messer in den Rücken gerammt zu bekommen.

Die Anacondas gingen davon aus, sie hatten den Kampf der Gangs schon längstens siegreich hinter sich, in Wirklichkeit hatte er aber gerade erst begonnen und einen Sieger, den gab es nicht - noch nicht jedenfalls.

Die Black Devils und die Red Moons hatten meinen Brief mit allen Instruktionen erhalten, ich hoffte bloss, sie würden sie auch befolgen. Aber ich vertraute Candice und meinen Jungs.

Sie waren nämlich die einzigen Freunde, die mir noch geblieben waren, die einzige Familie, die ich noch hatte.

Seien wir ehrlich, ich wäre alleine auf dieser Welt ohne sie, nun, wo mich Flavio hintergangen und gedemütigt hatte.

Ich überprüfte gerade mit meinem Handy ein letztes Mal alle eingestellten Funktionen und jegliche Alarme, die ich vorbereitet hatte, als Theo in mein Zimmer eintrat und mich mit einem besorgten Blick betrachtete.

Ich liess mein Telefon wie von einer Tarantel gestochen in meiner Hosentasche verschwinden, stand auf und stand vor meinen Besucher, der seine Augen nicht von mir nehmen konnte.

„Was ist?" fragte ich so gelassen wie möglich, da ich bemerkte, wie unwohl Theo war. Er verhielt sich äusserst merkwürdig.

„Willst du das wirklich durchziehen? Weisst du, was das für dich bedeutet?" wollte er in einer Gegenfrage wissen und ergriff meinen Arm, aber ich zog ihn schneller zurück, als ihm lieb war.

„Ja, die Risiken sind mir durchaus bewusst, aber sie treffen nur ein, wenn ich verliere."

Theo verdrehte die Augen und sah mich skeptisch an: „Cierra, es gibt nicht den Hauch einer Chance, dass du heute Abend gewinnst. Du wirst verlieren und somit alle Freunde von dir mit in den Abgrund ziehen."

„Flavio hätte sie ohne mich doch schon längst beiseite geschafft, so haben sie wenigstens noch ein paar Stunden mehr zu leben, selbst wenn ich verliere."

Gangs - Taken Innocence Where stories live. Discover now