Trojanisches Pferd

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Im ersten Moment hatte ich gedacht, dass sei ein Scherz und ich hatte meinen Retter nicht richtig verstanden, denn ich kannte Fynn, ich wusste, wie er aussah. Und der Mann, der vor mir stand, in einer schwarzen Lederjacke, Jeans und einem dunkelbraunen T-Shirt bekleidet, war definitiv Fynn.

Ich würde den Mann, dem mein Herz gehörte, immer erkennen, egal wo, wann und unter welchen Umständen. Es gab keine Zweifel.

„Ich-ich versteh nicht ganz," murmelte ich, als sich die beiden Mienen der Typen nicht zu lachenden Gesichtern verzogen, wie ich erwartete, „was soll das heissen? Flavio? Ich - Das ist Fynn!"

Die beiden Männer sahen mich kurz an, ignorierten jedoch meine Frage eiskalt. Fynn drehte sich zu dem anderen um, als hätte er meine Verwirrung nicht mitbekommen und wollte wissen: „Wieso ist sie so nass?"

„Die anderen haben sie bei der Befragung gefoltert," antwortete ihm der Typ, der mich gerettet hatte, in einem tiefen und bedrohlichen Tonfall, während ich immer noch dastand und meine Welt nicht mehr Begriff.

Was war das hier für ein Theater? Wo war die versteckte Kamera?

„Hallo?!" fragte ich wütend, „ich bin auch noch da! Kann mir mal bitte jemand sagen, was hier los ist?!"

Aber auch diese Frage wurde links liegen gelassen, als die beiden Gangster in einem Flüsterton weiter miteinander sprachen, bis sich mein Retter zu mir umdrehte, nickte und aus dem Raum verschwand.

„Und bestraf sie auch noch!" rief Fynn ihm noch hinterher, „so leicht sollen die beiden Idioten mir nicht davon kommen! Niemand legt Hand an mein Mädchen!"

Ich war so perplex, dass ich nichts anderes tun konnte, als Fynn - oder Flavio - mit offenem Mund anzustarren. Das musste alles ein riesiges Missverständnis sein, anders konnte ich mir das nicht erklären.

Warum nahm mein Retter Befehle von Fynn entgegen, der doch zu den Red Moons gehörte, und warum hatte er ihn seinen Anführer genannt? Den Anführer der Anacondas?

„Prinzessin," meldete sich nun die viel sanftere Stimme von Fynn, der auf mich zukam, „du hast sicher eine Menge Fragen." Kurz bevor er mich erreichte, wich ich vor ihm zurück und hielt meine Hände schützend vor meinen Körper, um ihm zu signalisieren, dass er sich von mir fern halten sollte.

„Du meinst wohl eher, du hast viel zu erklären! Was sollte das? Warum denkt der, du heisst Flavio?! Was für ein Spiel spielst du hier, Fynn?!"

„Ich schwöre, ich kann dir alles erklären, wenn du mich nur ausreden lässt und du mir zuhörst," sagte Fynn ruhig, ich sah ihm aber an, dass er nervös war. Er versuchte erneut, einen Schritt auf mich zuzugehen, mein böser Blick hielt ihn aber wieder davon ab, mir näher zu kommen.

„Vielleicht hab ich aber keine Lust dazu," fauchte ich erzürnt und mein Geduldsfaden war kurz vor dem reissen, als ich noch hinzufügte: „Und ausserdem, weisst du was diese Typen gerade mit mir gemacht haben? Hmm?! Weisst du es Fynn?! Denn um ehrlich zu sein, hab ich gedacht, sie machen mit dir das Gleiche, aber nun stehst du vor mir und bist wohlauf, und mehr noch, dieser Anaconda Gangster bezeichnet dich auch noch als seinen Anführer!"

„Bitte hör mir einfach zu," bat Fynn flehend und wies mir an, mich auf einen Stuhl an einen Tisch zu setzen, doch ich schüttelte vehement den Kopf. Ich hatte keine Lust, nachzugeben.

„Nein, ich setze mich ganz sicher nicht hin! Red jetzt Klartext, sonst bin ich weg! Bist du der Anführer der Anacondas oder nicht?!"

Der Mann, den ich über alles liebte und der mir noch als Einziges geblieben war, sah zu Boden, rieb sich die Hände und mied meinen Blick, als er seinen Kopf zum Fenster wandte und langsam, aber doch sichtbar nickte.

Gangs - Taken Innocence Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt