Rising Dark - Das Erwachen

Kapitel 37

Trällernd liefen meine Geschwister den Gang entlang zu ihren Zimmern. Arien hatte ihnen zwar kleine Gemächer gegeben wie mir, doch war diese trotzdem größer als unser kleines Zuhause, welches wir vorher bewohnt hatte. Zuerst hatte ich James zu Bett gebracht, welcher auch schon eingeschlafen war, bevor ich das Zimmer verlassen hatte. Serina hingegen bat mich, ihr noch eine kleine Geschichte zu erzählen, weshalb ich ihr eine meiner Lieblingsgeschichten erzählte. Diese handelte von Fabelwesen und wurde mir damals von unseren Eltern fast jeden Abend erzählt, bevor ich ins Bett gegangen war. Nachdem ich geendet hatte, war auch sie eingeschlafen, weshalb ich mich langsam aus ihrem Zimmer schlich, um sie nicht zu wecken. Mit einem glücklichen Seufzen schloss ich die Tür hinter mir und machte mich auf die Suche nach einer Zofe, die mich zu den Gemächern des Prinzen führen konnte.

Als ich gerade um die Ecke bog, erblickte ich auch schon mein Opfer! Die junge Elfe war gerade dabei, die Gemälde abzustauben, als ich an sie herantrat. "Hallo?", murmelte ich schüchtern und erschreckte das arme Mädchen, welches geschockt von mir wegtaumelte. Nachdem sie sich gefangen hatte, musterte sie mich neugierig, doch man konnte einen Hauch Verachtung in ihren Augen sehen, was mir einen kleinen Stich versetzte. Zwar waren alle immer freundlich, doch hatte ich die Diener und hohe Gesellschaft immer wieder dabei beobachtet, wie sie hinter davor gehaltener Hand sich über uns das Maul zerrissen haben. Aber ich konnte es ihnen nicht verdenken, da wir anders waren als sie.... Also konnte ich es auch der Zofe nicht übel nehmen, dennoch hoffte ich, dass es irgendwann anders sein würde. "Was kann ich für Sie tun?", wollte die junge Elfe wissen, während sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte. Die Respektlosigkeit in ihrer Geste ließ ich unkommentiert und fragte sie nur nach dem Weg zu Arons Gemächern. Ich bemerkte, wie sie bei dem Namen des Kronprinzen einen kurzen Moment inne hielt, bevor sie mir den Weg beschrieb. "Die Zimmer des Prinzen liegen im Westturm! Den Gang entlang dann zweimal links bis zur Treppe, dann einfach dem Weg nach oben folgen. All die Zimmer dort gehören dem Prinzen.", erklärte sie mir kurz und knapp. Ich bedankte mich höflich und ließ sie wieder allein, da sie wohl kein weiteres Wort mit mir wechseln würde.

Niedergeschlagen blickte ich zu Boden und dachte über die Situation nach, während ich ihrer Beschreibung nach zu Arons Gemächern ging. Schon nach kurzer Zeit war mir jedoch aufgefallen, dass ich noch nie in diesem Teil das Palastes gewesen war. Fasziniert betrachtete ich die Bilder, welche überall die Wände schmückten, denn sie schienen eine Geschichte zu erzählen. Zuerst konnte man blühende Landschaften erblicken, in welchen auch diverse Elfen vorkamen, welche singend und tanzend auf den Bildern dargestellt wurden. Diese idylischen Malereien wurden aber nach und nach immer düsterer, bis auf ihnen nur noch Kriege und Tote dargestellt wurden. Die Elfen auf diesen Bildern waren aber ganz anders, als jene, die ich bis jetzt kennenlernen durfte. Auf einem der Bilder war ein hochgewachsener Elf inmitten einer Schlacht zu erkennen. Dieser hatte dunkle farblose Flügel aber auch seine Haut glich der Farbe der Nacht. Er sah aus, als hätte ihn alles Leben verlassen, doch diese roten Augen hätte ich sofort wiedererkannt. Schlagartig wurde ich in der Zeit zurückgeworfen und erinnerte mich an die Bilder, welche ich gesehen hatte, als ich fast mein Leben im Fluß gelassen hätte. Der schwarze Elf in der Malerei glich dem Elf in meinen Erinnerungen, was einen eiskalten Schauer auslöste, welcher meinen Rücken hinunter lief und eine Gänsehaut hinterließ.

Unwohlsein breitete sich in mir aus, weshalb ich es eilig hatte, weiter zu kommen. Ich rannte geradzu die Treppe zu den Gemächern des Prinzen hoch, da ich das Gefühl hatte, so den Bildern an der Wand und in meinem Kopf zu entkommen. Keuchend blieb ich am Ende der Treppe stehen und stütze mich gegen die Wand, damit ich mich etwas erhohlen konnnte. Währendessen blickte ich mich neugierig um und hielt mein Auge nach dem Prinzen offen, doch mir fiel schnell auf, dass nur eine Tür weit und breit war. Diese musste wohl in seine Gemächer führen, weshalb ich mich aufraffte, zur Tür ging und vorsichtig klopfte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich herein geboten wurde. Zögernd öffnete ich die Tür und glitt in das Zimmer, wobei mir zuerst die rießigen Schränke auffielen, welche über und über mit Büchern bestückt waren. An einem Schreibtisch, welcher an der Wand mir gegenüber stand, saß der Prinz über einigen Papieren und würdigte mich keines Blickes. Statt sich zu mir umzudrehen, wies er mich an, dass den Wein auf den kleinen Tisch gegenüber des Kamins zu stellen. Dies verriet mir, dass er wohl wen anderes erwartet hatte, weshalb ich mich räusperte, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Ich sagte doch, dass ich beschäftigt bin und nicht gestört...."

Weiter kam er jedoch nicht, da sein grimmiger Blick mich endlich entdeckt hatte, woraufhin er verwirrt seine Augenbraue hob. "Dich habe ich hier erst recht nicht erwartet...", murmelte er irritiert und musterte mich abwertend, weshalb ich ihm erklärte, warum er die Ehre meines Besuchs hatte. "Ich glaube, du kannst dir vorstellen, warum ich hier bin, Kronprinz!", spuckte ich ihm regelrecht meine Worte vor die Füße, da ich die Wut nicht zurückhalten konnte, welche sich wegen seines Blickes in mir freigsetzt hatte. Sofort verdüsterte sich der Blick von Aron und ich erwartete schon, dass er mich rausschmeißen würde, doch er tat es nicht. "Ich mach dir ein gütiges Angebot.... Du setzt dich und wir reden ohne jegliche Abneigung miteinander oder du gehst auf der Stelle aus meinen Gemächern. Ich kann nämlich nicht garantieren, dass ich bei deinem nächsten Vergehen Ruhe bewahren werde! Und glaube mir, wenn ich sage, dass das nicht gut für dich ausgehen würde....", zischte er mich an, während er mich kühl musterte und auf meinen nächsten Schritt wartete. Liebend gerne hätte ich ihn hier und jetzt für die Schmerzen bezahlen lassen, jedoch musste ich mich zusammen reißen, da Aron am längeren Hebel saß und ich die Gastfreundschaft von Königin Arien nicht auf Spiel setzten wollte, indem ich ihren Sohn verletzte.

"Von mir aus...", murrte ich also geschlagen und ließ mich auf einen Stuhl sinken, welcher schräg vor dem Kamin stand. Verstimmt schaute ich dem Prinzlein dabei zu, wie er sich auf den anderen Stuhl direkt vor mir setzte. "Möchtest du etwas zum Essen? Oder zum Trinken?", fragte Aron höflich, was mich nur noch wütender machte.... Zwar hatte ich seinem Angebot zugestimmt, doch musste er mich nicht so behandeln, als könnten wir uns leiden! "Nein, danke. Ich möchte dieses Gespräch so schnell wie möglich hinter mich bringen!", antwortete ich deshalb ernst und versuchte, meinen Geichtsausdruck neutral zu halten. Aron hingegen fing an, lauthals zu lachen, was mich völlig aus dem Konzept brachte und dazu führte, dass ich ihn mit großen Augen anblickte. "Entschuldige mein Verhalten, aber normalerweise wirft sich mir jedes Mädchen um den Hals, das sich hierher verirrt!", lachte er und schien, sich kaum noch auf dem Stuhl halten zu können. "Nun ja, ich bin halt keine dieser willenlosen Frauen, welche man mit einem hübschen Lächeln hypnotisieren kann....", murmelte ich genervt, da ich keine Lust hatte, darüber zu reden, was der Prinz mit seinen Errungenschaften hier in seinen Gemächern anstellte. Jedoch hatte mein Kommentar das Gegenteil von dem bewirkt, was er hätte machen sollen, denn das Lachen des Prinzen wurde nur noch lauter. Stumm saß ich also in den Gemächern des Prinzen und schaute dabei zu, wie er sich über mich lustig machte, bis es mir entgültig reichte. Schnaufend stand ich auf und stürmte zur Tür, welche ich aufriss und hinaus trat. Bevor ich diese aber mit Schwung zu schmeißen konnte, drehte ich mich erzürnt zum Prinzen um.

"Sagt mir Bescheid, wenn Ihr normal mit mir sprechen könnt, ohne Euch über mich lustig zu machen wie jede andere Person in diesem Palast! Solltet Ihr mich suchen, ich bin in meinen Gemächern!", sagte ich erbost und stürmte aus dem Raum.... Kurz bevor die Tür zu fiel, konnte ich sehen, wie Aron aufstand und mich enttäuscht beobachtete. Jedoch rannte ich schon die Treppen hinunter, als ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde und er mir folgte...