36. Fernbeziehung

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Lucas P.o.V.:

Als ich am nächsten Morgen von warmen Sonnenstrahlen in meinem Gesicht geweckt wurde, umklammerte mich Daniel ganz fest. Sein Gesicht war in meinen Haaren vergraben und er schnarchte leise.

Ich fand es zuckersüß.

Vorsichtig streichelte ich über seine Arme, fuhr mit den Fingerspitzen die Linien seiner Tattoos nach. Umständlich drehte ich mich um, um auch die Tattoos auf seinem Bauch und seiner Brust nachzufahren.

Sie passten so gut zu ihm, ich wollte ihn mir gar nicht ohne sie vorstellen.

Mein Blick wanderte langsam nach oben, zu seinem Gesicht. Er sah friedlich aus, wenn er schlief. Seine Nase zuckte manchmal ein bisschen, während er zufrieden ins Kissen gekuschelt war. Er sah wirklich süß aus.

Vorsichtig streichelte ich über seine Wange.

Ich konnte noch gar nicht fassen, dass er ganz offiziell mein Freund war, dass mich wirklich jemand so in seinem Leben haben wollte.

Ich seufzte leise und küsste ihn vorsichtig auf die Stirn, bevor ich aufstand und mir meine Jogginghose und meinen Hoodie überzog. Paul würde sicherlich bald von der Arbeit nach Hause kommen und wenn er nicht sowieso schon einen Herzinfarkt bekommen würde, wenn er Daniel sehen würde - dann mit Sicherheit, wenn wir auch noch beide nackt waren.

Ich legte die Decke noch einmal fest um Daniel und ging dann in die Küche, um Kaffee zu kochen.

Keine fünf Minuten später, spürte ich schon, wie sich von hinten Arme um mich legten.

"Guten Morgen", nuschelte Daniel in mein Ohr, seine Stimme war vom Schlafen noch ganz tief und rau. Es verpasste mir eine ziemliche Gänsehaut.

"Morgen", schmunzelte ich leicht, "Du bist ja eine richtige Schlafmütze."

Er brummte nur beleidigt und klaute mir die erste Tasse Kaffee, lehnte sich gegen die Arbeitsfläche und trank einen großen Schluck. Wir endeten in Schweigen, aber es war sehr angenehm. Schließlich war es auch noch recht früh.

Ich spielte mit dem Henkel meiner Tasse. Irgendwie war es unwirklich, dass wir hier in meiner Küche, in meiner kleinen Wohnung. Ich vertraute Daniel wirklich sehr.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich hörte, wie die Tür aufgeschlossen wurde. Sofort spannte ich mich an und nahm schnell Daniels Hand, der mit dem Daumen beruhigend über meinen Handrücken fuhr und lächelte. "Er wird es schon verstehen."

Bevor ich überhaupt über eine Antwort nachdenken konnte, stand Paul schon vor uns. Er hatte geweitete Augen und sah zwischen uns hin und her. "Wer ist das und was macht er hier?"

Ich schluckte leicht, sah zwischen meinen besten und meinem festen Freund hin und her. Ich fühlte mich leicht überfordert und drückte Daniels Hand etwas fester.

"Das ist Daniel", ich holte tief durch, "Und er ist mein Freund."

Daniel nickte sofort bestätigend und lächelte, während er einen Arm um mich legte und Paul die Hand reichte. "Freut mich echt, dich kennenzulernen!"

Paul ergriff die Hand nicht. Mir wurde schon fast übel.

"Lucky, wie lange kennst du diesen Mann jetzt? Und dann bringst du ihn direkt hier her?", er machte sich direkt wieder viel zu viele Gedanken - aber Daniel unterbrach ihn direkt und strahlte dabei so eine Ruhe aus, dass man ihn nur beneiden konnte.

"Hey, alles gut. Ich werde nichts komisches machen, ich kenn das Problem mit dem Stalking. Nachdem wir auf Tour waren, stand eine Zeit lang auch ständig eine Frau vor meiner Tür und hat mich terrorisiert. Es war schlimm, vor allem für meinen Sohn", er seufzte leise, "Mich hat es aber noch besser getroffen als euch, sie hat nach einigen Wochen einfach aufgehört."

Paul blinzelte ihn überrascht an und nickte dann verstehend. "Du hast ein Kind? Hat er ihn in Ruhe gelassen?"

"Meistens. Manchmal hat sie uns verfolgt, wenn ich ihn zum Kindergarten gebracht habe", bei der Erinnerung sah er sehr traurig aus, aber nur ganz kurz. Als würde er nicht zu lange darüber nachdenken.

Für einen Moment sagte niemand mehr etwas, Daniel strich nur mit seiner Hand über meinen Rücken und küsste mich liebevoll auf den Haaransatz. Er war wirklich sehr sanft dabei.

"Wenn du aber noch Zeit brauchst, um mir trauen zu können, dann verstehe ich das auch", Daniel lächelte beruhigend, "Ich fang nochmal von vorne an: Ich bin Daniel, oder auch Shneezin, also wie du halt möchtest, und ich bin der Typ, der Luca immer die Rosen geschenkt hat."

Jetzt nahm Paul seine Hand und schüttelte sie. Ein scheues Lächeln huschte über sein Gesicht. "Ich bin Paul, Lucas Mitbewohner. Freut mich, dich kennenzulernen."

Während ich noch über Daniels Künstlernamen nachdachte und wie der wohl entstanden war, unterhielten sich die beiden noch eine ganze Zeit lang. Über Jobs, Musik, so etwas halt. Ich hörte nicht wirklich zu.

Ich schloss kurz die Augen und lehnte den Kopf gegen Daniels Brust, lauschte seinem Herzschlag. Wahrscheinlich hatte ich mich noch nie so sicher und entspannt bei einem Menschen gefühlt.

Es fühlte sich an, als wenn ich angekommen wäre.

Als ich die Augen wieder öffnete, sah Daniel ernst aus. Sein Kiefer war angespannt und auch seine Augen leuchteten nicht mehr so schön.

Ich verstand gar nicht, was jetzt los war, aber Daniel nahm einfach meine Hand und zog mich mit ins Wohnzimmer. Wir setzten uns auf die Couch, während Daniel weiterhin meine Hände festhielt.

"Wir müssen noch über eine Sache reden, Luca", seine Stimme war leise, ganz anders, als ich es von ihm gewohnt war. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken und ich malte mir direkt die schlimmsten Sachen aus, die er mir sagen wollte.

Kurz öffnete ich den Mund, entschloss mich aber doch dazu, lieber einfach nichts zu sagen.

"Ich muss irgendwann zurück nach Essen. Dort wohne ich, da ist meine Wohnung, meine Band", er schloss die Augen und schluckte, "Und vor allem ist mein Sohn dort."

"Oh", brachte ich nur hervor und biss mir auf die Lippe. Ich hatte keine Ahnung, wie weit Essen von Berlin weg war, aber ein Katzensprung war es sicherlich nicht.

Daniel nickte leicht, fuhr sich über die Augen. "Mit dem Zug fährst du etwas weniger als vier Stunden zu mir. Mit dem Auto fünf."

Das war viel. Das konnte man nicht einfach mal jeden Tag fahren.

Ich bemerkte gar nicht, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich und mir ganz kalt wurde. Das Zittern war nur unterbewusst.

Aber ich verstand ihn. Er wollte auch sein Leben leben, bei seiner Band und seiner Familie sein.

Er konnte nicht einfach hier bei mir in Berlin bleiben. Auch wenn ich ihn gerne einfach ganz stark festgehalten hätte, damit er nicht gehen konnte.

"Du musst wissen, ob du eine Fernbeziehung willst, Luca, und wenn nicht..."

"Ich will es versuchen. Ich... Ich hab lieber eine Beziehung, in der ich dich nicht immer sehen kann, als gar keine Beziehung mit dir", entschied ich mich sofort, ließ mein Herz sprechen, bevor mein Kopf überhaupt darüber nachdenken konnte, "Und ich verstehe, dass du zu deinem Sohn willst. Das ist doch normal!"

Er sah mich überrascht an, bevor er mich fest in seine Arme schloss. Seine Lippen fühlte ich auf meinen. "Danke, Luca."

Ich verstand nicht genau, warum er sich bedankte, aber es fühlte sich deswegen so an, als wenn ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Zwar wollte ich ihn auf der einen Seite nicht gehen lassen, nicht hunderte Kilometer von ihm getrennt sein - aber ganz von ihm getrennt sein, das wollte ich erst recht nicht.

"Ich bleibe noch etwas in Berlin. Also einen Monat hatte ich noch geplant hier zu bleiben, ich muss ja auch sehen, dass die beiden Chaoten namens Vincent und Dag, das wirklich alles wieder hin bekommen."

Es würde hart sein, wenn er nach einem Monat gehen würde, weil ich mich so an seine Anwesenheit gewöhnt hatte. Das wusste ich.

Aber ich wusste genauso gut, dass es wahrscheinlich die schönste Zeit meines Lebens werden würde.



Die kleine Geschichte von Vincent und dem Lieferboten - SDP FanFictionWhere stories live. Discover now