11. Die Wahrheit

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Dags P.o.V.:

Rauchend saß ich mal wieder auf Daniels viel zu kleinem Balkon, pustete den Rauch in die Nacht hinaus. Es war sicherlich schon meine sechste Zigarette innerhalb kürzester Zeit. 

"Diggi, willst du nicht mal wieder rein kommen?", Daniel streckte den Kopf durch die Tür, sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an, "Ich weiß, ich bin da jetzt nicht unbedingt ein gutes Vorbild. Aber Lungenkrebs bockt nicht so."

"Sagt der Kettenraucher", was mir nur ein Schulterzucken und einen leichten Schlag gegen den Arm einbrachte. Ich grinste leicht, drückte die Kippe dann aber doch in dem überfülltem Aschenbecher aus und betrat die Wohnung wieder. 

Es roch nach Pizza, Daniel hatte bestellen wollen, aber da hatte ich etwas empfindlich drauf reagiert. Deswegen war es doch nur Tiefkühlpizza geworden - sehr zu seinem Missfallen. 

Ich beobachtete ihn leicht grinsend dabei, wie er die Teller ins Wohnzimmer balancierte und dabei höchst konzentriert war. Etwas angepisst sah er mich an, weil ich nicht wirklich Anstalten machte, ihm zu helfen. 

Ich erbarmte mich erst nach einer ganzen Weile, ihm das ganze abzunehmen und auf den Tisch zu stellen. 

"Mensch, Dag, du bist mal wieder eine riesige Hilfe", brummte er, zog den Pizzaschneider hervor und schnitt das ganze sehr sorgfältig, "Danke dafür."

Ich musste leise lachen, gab ihm als Versöhnung einen Kuss auf die Wange, natürlich extra übertrieben, weswegen Shneezin leicht das Gesicht verzog und sich über die Wange wischte. Ein leichtes Seufzen verließ ihn, gleichzeitig musste er aber doch grinsen. 

Wir aßen schweigend, aber es war ein angenehmes Schweigen. Schweigen, dass wir in den letzten Tagen öfters gehabt hatten. 

Daniel hatte irgendwann aufgegeben mich auszuquetschen, einfach, weil ich sehr stur blieb und kein Wort über Vincent und unsere sehr angeknackste Beziehung zu einander verlor. Ich wollte nicht darüber nachdenken und mir vermutlich auch gar nicht eingestehen, dass wir irgendetwas tun mussten. 

Zumindest bis jetzt. 

Langsam brannte auf meiner Seele doch sehr der Wunsch, endlich alles auszusprechen, mir alles vielleicht selbst einzugestehen. 

"Daniel?", murmelte ich leicht, sah auf das Muster der Couch, betrachtete es, als wäre es das interessanteste der Welt. 

"Etwas weggetreten, aber anwesend, was kann ich für Sie tun?", er grinste mich breit ab, weswegen sich auf meine Lippen auch ein Lächeln schlich. 

"Du bist so komisch."

"Das sind die Drogen. Deswegen lasst immer die Finger davon, liebe Kinder", sagte er weise, musste dann aber lachen, "Okay, Spaß bei Seite, was ist los?"

Ich seufzte wieder leise und überlegte, wie ich die Worte richtig formulieren sollte. Das war noch viel schwieriger, als ich gedacht hatte. 

"Vincent und ich hatten Sex."

Er spuckte sein Bier wieder aus, von dem er gerade einen Schluck genommen hatte und sah mich ziemlich schockiert an. "Ihr hattet was bitte?"

Hektisch riss er Küchentücher ab und versuchte das Bier wieder aufzuwischen, ließ mich dabei aber nicht aus den Augen. Seine Augen schienen tellergroß zu sein. 

"Sex. Weißt du noch das Abschlusskonzert von der letzten Tour, als ihr auch noch da wart?", murmelte ich leise, spürte wie mir die Röte ins Gesicht schoss, "Wir hatten zu viel getrunken und plötzlich hat er mich geküsst, keine Ahnung warum. Und dann kam irgendwie eins zum anderen."

"War es gut?"

"Verdammt, ja, war es", ich strich mir durch die Haare und schaute ihn etwas verzweifelt an, "Das ist doch das verdammte Problem. Wir sind beste Freunde, du siehst doch, dass uns das alles kaputt gemacht hat."

Daniel schwieg kurz, sah mich etwas unsicher an, als wüsste er nicht genau, wie er darauf reagieren sollte. 

Ich sah mindestens genauso unsicher zurück und spürte gleichzeitig die beißenden Tränen in meinen Augen und das leichte Zittern. Tränen, die ich schon seit damals weinen wollte. 

"Es ist kein Problem. Es ist nur eins, weil ihr eines daraus macht."

Er tippte auf meine Brust, sah mich sehr ernst an, während mir selbst nun doch die Tränen über die Wangen rollten. 

"Du bist verliebt, Dag, gib es doch bitte endlich zu."

"Natürlich bin ich verliebt - hast du ihn mal gesehen? Aber das ist falsch, er ist mein allerbester Freund, seit wir Kinder sind", meine Stimme zitterte genauso wie meine Hände, etwas sehr hektisch wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. 

"Und wenn er sich genauso fühlt? Warum sonst sollte er dich küssen?", er rutschte näher zu mir, legte einen Arm um meine Schultern, zog mich mehr zu ihm. Vorsichtig legte ich meinen Kopf an seine Schulter und schloss die Augen, versuchte die Tränen zu unterdrücken. 

"Keine Ahnung. Alkohol vielleicht", murmelte ich leise, schluckte und sah ihn wieder unsicher an. In seinem Blick lag Mitleid, während er vorsichtig die Tränen aus meinem Gesicht wischte und mich dann fest in den Arm nahm. 

Ich vergrub das Gesicht an seiner Schulter, hielt mich an ihm fest, als wäre er mein letzter Rettungsanker. Manchmal glaubte ich, dass er das wirklich war. 

Sanft strich er über meinen Rücken und murmelte irgendwelchen beruhigenden Worte, die ich gar nicht wirklich verstand, aber im Endeffekt halfen sie trotzdem . 

Erst nach einer ganzen Weile ließ er mich wieder los, lächelte aufmunternd. 

"Ich glaube nicht, dass es der Alkohol war, Dag."

Ich zuckte mit den Schultern, sah etwas betreten weg und seufzte wieder. 

"Und weißt du, wie du das herausfinden kannst? Redet miteinander. Bitte, versprich mir, dass ihr endlich miteinander redet."

Ich atmete noch einmal tief durch und lächelte ihm dann zaghaft zu. 

"Okay, versprochen. Irgendwann. Wenn mir der Lieferbote nicht zuvor kommt."

Die kleine Geschichte von Vincent und dem Lieferboten - SDP FanFictionحيث تعيش القصص. اكتشف الآن