14. Schmerz

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Dags P.o.V.:

"Mailbox: Sie haben 5 neue Nachrichten von Vincent 2. Bitte rufen Sie...", weiter konnte ich gar nicht lesen, da klingelte mein Handy erneut, aber ich drückte ihn wieder weg.

Ich strich mir die Tränen aus dem Gesicht, lief stur weiter zu meiner Wohnung. Die ganze halbe Stunde konnte ich nicht aufhören zu weinen, auch wenn ich es wirklich versuchte. 

Irgendwann hatte ich angefangen zu rennen, ich rannte, bis ich keine Luft mehr bekam und selbst dann rannte ich noch weiter. Der Regen klatschte mir ins Gesicht, vermischte sich mit den Tränen. 

Irgendwann sah ich alles nur noch verschwommen vor mir, stützte mich an der Wand an und hustete, meine Lunge war vermutlich froh, dass sie endlich wieder mit Luft befüllt wurde. 

Kraftlos sank ich gegen die Wand, starrte nur in das verschwommene Etwas von bunten Lichtern, Ampeln die von rot auf grün und dann wieder auf rot schwammen. Mit verzerrtem Gesichtsausdruck schloss ich die Augen, mein Kopf pochte. 

Ich bemerkte nicht, wie sehr ich weinte, erst, als meine kompletten Klamotten und Haut schon durchnässt waren und das nicht nur wegen dem Regen. 

Meine Augen brannten und meine Wangen waren ganz verklebt von den schon getrockneten Tränenspuren. 

Wäre die Situation eine andere gewesen, dann wäre ich in diesem Zustand sofort zu Vincent gegangen oder hätte ihn wenigstens angerufen. Aber das konnte ich jetzt nicht mehr. 

Ich sah wieder auf mein Handy, mittlerweile hatte ich schon acht verpasste Anrufe, aber ich ignorierte sie noch immer, achtete nur auf die Uhrzeit. Weit nach Mitternacht, Daniel würde ich mit Sicherheit also auch nicht mehr erreichen. 

Fluchend schob ich mein Handy wieder in die Hosentasche, wurde deswegen von einigen, schick angezogenen Menschen angesehen, die wer weiß wo herkamen. Ich dachte eigentlich, solche Leute schliefen um diese Uhrzeit schon längst.

Einer murmelte sogar etwas von "Polizei" vermutlich wegen den knallroten Augen, die ich mittlerweile vom Heulen hatte. 

Das war mein Stichwort, um weiter in die Richtung von meiner Wohnung zu laufen, meinen Schlüssel schon fest in meiner Hand, so fest, dass er sich in meine Handfläche bohrte. 

Etwas hektisch schloss ich die Tür auf, rannte an den Türen der Nachbarn vorbei, mit denen ich eh nichts zu tun hatte, außer, dass sie sich ständig bei dem Vermieter über mich beschwerten, wegen den unnötigsten Sachen. 

Ich verfluchte, dass meine Wohnung im obersten Stockwerk war, atmete wieder schwer, als ich oben angekommen war, meine Hände zitternden so stark, dass ich den Schlüssel gar nicht erst ins Schloss bekam. 

Ich hustete wieder, als ich die Tür schließlich endlich aufbekommen hatte, mich kraftlos daran herunterrutschen ließ. 

Alles zog sich in mir zusammen, ein Teil von mir befürchtete, dass ich direkt vor mir auf den Boden kotzen würde. 

Ich zog die Beine an meinen Oberkörper, schlang die Arme fest darum, um das Zittern vielleicht etwas unter Kontrolle zu bekommen. Aber das klappte nicht, wieso sollte es auch. 

Ein leises Schluchzen brach aus mir heraus, das mit der Zeit immer lauter wurde. Fest biss ich die Zähne zusammen, um es zu unterdrücken, aber es gelang mir nicht. 

Ich weinte die ganzen Tränen, die ich vorher unterdrückt hatte, die ich nicht zu lassen wollte, um nicht genauso schwach zu wirken, wie ich letztendlich war. 

Mein Handy begann wieder zu klingeln, zog es hervor und konnte wieder Vincents Namen lesen. 

Ich ließ es klingeln, sah auf den Namen und kaute so lange auf meiner Unterlippe herum, bis ich plötzlich den Geschmack von Blut in meinem Mund, zischte leise. 

Mit brennenden Augen starrte ich auf das Bild, das kam, wenn er anrief. Es wurde irgendwann aufgenommen, nach einem Konzert. Wir beide waren komplett verschwitzt, aber strahlten so glücklich in die Kamera, dass ich genau dieses Gefühl immer noch spüren konnte, wenn ich es sah. 

Bei dem Stich in meinem Herzen zuckte ich zusammen, krümmte mich leicht, so schlimm war der Schmerz. 

"Ach, Vince, warum muss nur alles so kompliziert sein?", murmelte ich leise, lehnte meinen Kopf gegen die Tür und schloss meine brennenden Augen, spürte die Müdigkeit in meinen Knochen - aber ich wusste, dass ich nicht schlafen konnte. 

Es war schon vor dem Streit mit Vincent schwierig gewesen, aber jetzt war es nahezu unmöglich. 

Ich seufzte, öffnete die Augen wieder Kurz warf ich einen Blick auf mein Handy, sah eine der Nachrichten von Vincent, aber mein Gehirn konnte sie nicht richtig erfassen. 

Vielleicht wollte ich sie auch nicht erfassen, vielleicht wehrte ich das alles einfach ab. 

Und vielleicht war es wirklich meine Schuld  und ich hatte mir einfach zu viele Hoffnungen nach Daniels Worten gemacht. Zu viel Hoffnung, dass wir vielleicht gegenseitig ineinander verliebt waren und wir vielleicht eine Chance hatten, glücklich zu werden. 

Ich seufzte leise, die Schuld nagte an mir. 

Ich hätte ihn nicht küssen dürfen, nicht wieder küssen dürfen, wenn doch das erste Mal nicht hätte passieren dürfen. 

Müde stand ich vom Boden auf, quälte mich Richtung Bett, aber dort fühlte ich mich nur noch einsamer, noch schuldiger. Wieder nahm ich mein Handy in die Hand, tippte auf Daniels Kontakt. 

Für einen kurzen Moment hatte ich den Text "Was muss ich tun, dass du jetzt hier her kommst?" schon in das Textfeld eingegeben, bevor ich ihn doch wieder löschte. Da musste ich jetzt alleine durch. 

Ich rollte mich fest zusammen, legte das Bild von Vincent und mir so hin, dass ich sein Lächeln nicht mehr sehen konnte. 

Aber nur Sekunden später, hatte ich es mir gekrallt und drückte es an meine Brust, spürte die Tränen wieder aufsteigen, bevor sie nur Sekunden später über meine Wangen liefen und mein Bettlaken nass machten. 

Wieder fing ich an zu zittern, was dieses Mal aber auch daran liegen konnte, dass ich meine vom Regen durchnässten Klamotten noch nicht ausgezogen hatte und sie wie eine zweite Haut an mir klebte. 

Bei meinem Glück wurde ich jetzt noch richtig krank und hatte nicht einmal mehr Vincent, der sich sonst immer über fürsorglich kümmerte. 

Wieder musste ich seufzen, sah auf das Bild, das von der Nässe leicht verschleiert war, aber man konnte trotzdem alles perfekt erkennen. 

Sanft strich ich mit einer Hand darüber und konnte mir das leise Wimmern nicht verkneifen. 

"Ich vermisse dich jetzt schon, Vinnie."

Die kleine Geschichte von Vincent und dem Lieferboten - SDP FanFictionWhere stories live. Discover now