23. Enttäuschung und Verwirrung

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Vincents P.o.V.:

Total erschrocken sah ich ihn an, sah in seine vor Enttäuschung und Wut gezeichneten Augen. 

Im ersten Moment verstand ich gar nicht, was er da überhaupt sagte, was es bedeutete, wenn er so etwas sagte, weswegen ich gar nicht wirklich reagierte.

Ich schluckte leicht, als ich sah, wie sehr er zitterte, wie traurig er eigentlich aussah, 

"Ich habe deine Nummer nicht weiter gegeben", murmelte ich leise, nach gefühlt unendlich langer Zeit. Meine Stimme klang, als würde sie gar nicht zu mir gehören.

Luca schüttelte traurig den Kopf, seufzte leise. "Lüg mich nicht an."

Wieder erstarrte ich, kaute mir auf der Unterlippe herum. Wie sollte ich ihm beweisen, dass ich es nicht war? Und warum sollte ich überhaupt seine Nummer weiter geben?

Mit traurigem Blick sah ich ihn an, versuchte etwas zu sagen, aber ich konnte nicht. Was sollte ich noch groß sagen?

"Woher sonst sollte irgendjemanden, der über dich und Dag reden will?", das verwirrte mich ehrlich gesagt einfach nur, während seine lauter werdende Stimme mich zum Zusammenzucken brachte. 

"Ich weiß es nicht", flüsterte ich mit hauchdünner Stimme, die klang, als würde sie jeden Moment auseinander brechen. Das machte alles einfach keinen Sinn mehr. 

Ich hatte seine Nummer nicht weitergegeben, so viel stand fest, jetzt musste ich nur noch herausfinden, wie derjenige an Lucas Nummer gekommen war. Und zwar sehr dringend.

Ich hatte eine leise Vermutung, wer derjenige war - es gab ja nur noch einen, der sonst von Dag und mir wusste. 

Nachdenklich sah ich auf den Boden, was Luca wohl fälschlicherweise als Schuldeingeständnis verstand. 

"Fuck, man, Vincent, wie verzweifelt bist du eigentlich?", fuhr er mich an, stieß mich an der Brust etwas weg, "Nur weil du den Arsch nicht in der Hose hast, ihm zu sagen, dass du ihn verdammt nochmal liebst und deswegen eure beiden Leben komplizierter machst, heißt das bestimmt nicht, dass du meine Nummer einfach weitergeben darfst."

Bei jedem Wort hatte ich das Gefühl kleiner zu werden, während meine Augen etwas größer wurden. 

Ich drückte mich leicht gegen die Wand, schluckte. "Luca, ich schwöre dir, dass ich deine Nummer nicht weitergegeben habe."

"Hör auf", zischte er, "Hör auf, das zu sagen. Ich hab dir vertraut, Vincent. Du warst der erste, dem ich seit Ewigkeiten vertraut habe."

Etwas verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare, zog etwas daran. Mir wurde alles zu viel, erst Dag und jetzt Luca. 

Nicht einen Menschen konnte ich in meinem Leben behalten, jeder ging früher oder später und ließ mich alleine zurück. Selbst den einzigen Menschen, der seit fast dreißig Jahren in meinem Leben war, hatte ich nicht mehr an meiner Seite. 

Und jetzt ging der nächste, dem ich wieder etwas Vertrauen geschenkt hatte, obwohl ich dieses Mal wirklich nichts dafür konnte. Ich hatte nichts getan, ich hätte sein Vertrauen niemals missbraucht. 

Mir stiegen die Tränen in die Augen, strich sie hektisch weg, bevor sie auf den Boden tropfen konnten. 

"Luca, bitte", brachte ich gepresst heraus, versuchte zitternd nach seinem Ärmel zu greifen, ihn davon abzuhalten, aus meinem Leben zu gehen. Ich konnte nicht mehr alleine bleiben, ich hatte langsam das Gefühl, jegliche Kontrolle zu verlieren. 

"Nein", er sah mich an, bei den Tränen schien er kurz zu stocken, ließ sich aber nicht erweichen, "Ich sollte gehen, Vincent. Du solltest dein Leben in den Griff bekommen, vielleicht fängst du damit an, mal kein Arschloch zu sein."

Das traf mich ehrlich gesagt nur noch mehr, brachte kein Wort heraus, bis die Tür ins Schloss fiel. 

Schluchzend rutschte ich an der Wand herunter und vergrub das Gesicht in den Händen, spürte die Nässe an meinen Handflächen. Mir wurde alles zu viel, war schon davor mit mir und meinen Gefühlen überfordert - aber jetzt wurde es nur noch schlimmer. 

"Fuck", fluchte ich, schlug etwas gegen die Wand, rieb mir fast schon aggressiv mit dem Ärmel meines Pullis über mein gerötetes und brennendes Gesicht. 

Ohne weiter darüber nachzudenken sprang ich auf, stützte mich etwas an der Wand ab und schnappte mir dann meinen Autoschlüssel, ehe ich die Treppen nach unten rannte und zu meinem Auto lief. 

Mein verheultes Gesicht spiegelte sich in dem schwarzen Lack, riss die Tür auf und ließ mich auf den Fahrersitz. Einen kurzen Moment musste ich noch durchatmen, legte den Kopf auf das Lenkrad und schloss die Augen. 

Zu aufgewühlt sollte ich nicht fahren, selbst wenn mir sonst mittlerweile fast alles scheiß egal waren - andere Menschen gefährdete ich ganz sicher nicht. 

Ich krallte meine Nägel in das Polster von dem Lenkrad, zwang mich dazu durchzuatmen, aber es klang eher zittrig.

Erst nach weiteren fünf Minuten stellte ich den Motor an und fuhr los, durch die überfüllten Straßen Berlins, die Lichter der Stadt brannten in meinen überreizten Augen. 

Müde rieb ich wieder darüber und stellte ich mich auf den Parkplatz, auf dem ich immer parkte. Mittlerweile wurde er mir schon freigehalten, die ganzen Nachbarn kannten mein Auto. 

Ich stieg aus dem Wagen, lief zu der Haustür und klingelte bei dem Namen "Kopplin", mein Herz schlug mir bis zum Hals und hoffte einfach nur auf das Beste. 

Einmal öfter war die Tür unten nicht abgeschlossen, weswegen ich ohne auf das Summen zu warten in den Hausflur schlich. Ich ging die Treppen nach oben, wurde aber kurz bevor ich Dags Wohnung erreichte von einem seiner Nachbarn abgefangen. 

Ich hatte seine Nachbarn schon immer gehasst, sie waren der Grund, warum Dag eine Weile bei mir gewohnt hatte - das war nur einige Wochen vor der Tour, bevor wir miteinander geschlafen hatte. 

"Endlich treffe ich mal jemanden von Ihnen", bekam ich ohne ein Hallo oder sonstiges entgegengeschleudert und schon jetzt war ich einfach nur genervt. Manchmal war es echt ungünstig, dass ich hier die meiste Zeit meines Lebens ein uns ausgegangen war. 

"Ihr Freund hat schon seit einer Woche nicht die Hauswoche gemacht, obwohl er dran gewesen wäre. Das geht so nicht. Richten Sie ihm das bitte aus", gab er mit sehr herablassenden und argwöhnisch von sich. Ich verstand sein Problem ja irgendwie, aber ich hatte da gerade keinen Kopf für. 

Ich seufzte leise. "Ja, er ist krank, ich mach das noch."

"Das hoff ich doch", warf er mir noch hinterher, ehe ich mich endlich an ihm vorbeiquetschen konnte und die letzten Stufen nach oben ging. 

Daniel sah mir schon von Weitem entgegen. 

Er hatte sein Handy schon in der Hand.

Die kleine Geschichte von Vincent und dem Lieferboten - SDP FanFictionWhere stories live. Discover now