10. Meinungsverschiedenheit

207 9 12
                                    

Lucas P.o.V.:

"Du hast bitte was gemacht, Luca?", Paul zog mich am Arm in unsere Wohnung und sah mich ziemlich böse an. Bei diesem Blick wurde ich immer kleiner. 

"Ich hab ihm meine Nummer gegeben", nuschelte ich leise und seufzte, "Wie oft denn noch?"

Paul zischte leicht, fuhr sich ziemlich aufgebracht durch die Haare und starrte eine Weile an die Decke. Sein ganzer Körper schien zu zittern und ich wusste nicht ganz, ob wegen der offensichtlichen Wut oder der Anspannung. 

"Meine Güte, Luca", er packte mich an den Schultern und sah mich sehr ernst an, "Warum lernst du denn eigentlich nie irgendetwas dazu? Gerade du weißt doch, dass du nicht einfach einem Fremden deine Nummer geben kannst."

Seine Stimme wurde lauter und ich zuckte zusammen, sah ihn etwas eingeschüchtert an. Ich liebte den Kerl, aber streiten mit ihm gehörte nicht unbedingt zu meinem Lieblingsaufgaben. 

"Ja, aber du hättest ihn mal sehen sollen. Der Typ braucht jemanden", ich atmete tief durch, versuchte meine Stimme möglichst leise zu halten, "Ich weiß schon was ich tue."

"So wie das letzte Mal auch, Luca? Hm?", nun schrie er wirklich und ich presste mich nur gegen die Tür, weil ich eh nicht an ihm vorbei gekommen wäre - aber mein Blick war jetzt mindestens genauso wütend, wie seiner. 

Beim Streiten gab er mir nie Raum, wollte immer gleich alles sofort klären, während ich eigentlich nur zwei Minuten für mich brauchte um in Ruhe über alles nachzudenken. Und genau dadurch eskalierte das Ganze meistens. 

"Fuck, Paul, jetzt lass mich doch mal in Ruhe, ich weiß, was ich tue", knurrte ich leicht, "Und hör verdammt nochmal auf, mich anzuschreien! Ich hasse das."

Er atmete einmal tief durch, lehnte sich leicht an die Wand und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Für eine endlos lange Zeit war es still zwischen uns, ich konnte nur seinen leichten, gepressten Atem hören, während ich mich weiter an die Tür drückte. 

Ich schluckte leicht, wischte mir den Schweiß von der Stirn und atmete etwas zittrig. 

"Gott, Luca, es tut mir leid", er sah mich mit gequältem Gesichtsausdruck an, fuhr sich noch einmal durch sein Gesicht, "Es tut mir so leid, ich wollte dich nicht anschreien. Ich hab nur solche Angst."

"Ich weiß, Paul, die habe ich auch", ich strich vorsichtig über seinen Unterarm und lächelte gequält, "aber das wird nicht nochmal passieren, ich verspreche dir, dass Vincent anders ist."

Er nahm mich in den Arm, vergrub das Gesicht an meiner Schulter und atmete noch immer schwer, während ich leicht über seinen Rücken strich. Für einen Augenblick schloss ich die Augen, stellte mir vor, wie wir anders in dieser Situation agieren würden, wenn das ganze damals nicht passiert wäre. 

Wenn wir nicht aus Bremen weg gemusst hätten, in unserer Heimatstadt hätten blieben können. 

"Ich will nicht wieder umziehen, mir gefällt es hier. Ich mag meinen Job und meine Kollegen", er sah mich mit verzerrter Miene an und ich konnte leichte Tränenspuren sehen, die ich ihm sanft wegwischte, "Ich will nicht wieder von null anfangen."

"Will ich auch nicht und werden wir auch nicht, versprochen", sanft strich ich durch seine Haare, sah ihn aufmunternd an, "Wir werden hier bleiben. Vielleicht haben wir irgendwann sogar genug Geld gespart, damit wir uns was größeres leisten. Wir können hier ein Leben führen."

"Okay", er blinzelte die Tränen weg, "Ich vertraue dir da jetzt."

"Außerdem ist er ja die berühmte Person, von uns. Er müsste viel mehr Angst haben, dass er gestalkt wird."

"Gerade du solltest wissen, dass das überhaupt nichts damit zu tun hat, oder?", er strich sich durch die Haare und atmete tief durch. 

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und knetete meine Hände, spielte leicht mit meinen Ringen und seufzte. Es war kein Thema, über das wir oft sprachen, kein Thema über das man mal locker in einer Unterhaltung sprechen konnte. 

Es war die schlimmste Zeit meines Lebens gewesen und dadurch auch gleichzeitig seine schlimmste Zeit. 

Vermutlich hatten wir das ganze viel weniger verkraftet, als wir immer behaupteten. Und ja, das ganze hatte damit angefangen, dass ich jemanden meine Nummer gegeben hatte.

"Er ist anders, Paul", murmelte ich leise, strich mir nun selbst eine Träne aus dem Augenwinkel, "Ich bin mir ganz sicher."

"Okay", er lächelte, stieß mir leicht in die Seite, "Okay, wir schaffen das."

"Natürlich."

Ich lehnte meinen Kopf gegen die Tür, strich mir noch einmal durchs Gesicht, ehe ich mich von der Tür abstieß, um mir meine Arbeitsklamotten anzog, die Uniform mit zitternden Händen glätte, weil ich nicht mehr dazu gekommen war, zu bügeln. 

Schnell band ich mir noch meine Haare zusammen, strich mir die Tränen aus dem Gesicht. 

"Hey, Luca, meinst du, wenn ich heute Abend gegen circa 22 Uhr Pizza bestelle, können wir die Bestellung so takten, dass du sie direkt mitbringen kannst?"

Und damit wusste ich, dass zwischen uns wieder alles okay war, die angespannte Stimmung war vorbei. 

Vorerst.

Die kleine Geschichte von Vincent und dem Lieferboten - SDP FanFictionWhere stories live. Discover now