04. Alkohol regelt (nicht) alles

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Vincents P.o.V.:

Ich war betrunken. Definitiv betrunken.

Mein Handy lag offen vor mir und ich starrte es einfach nur böse an. Als wäre mein Handy selbst für die Nachricht, die sich darauf befand, schuld.

Dag; 19:07 Uhr
Ey, Vinnie, bin erstmal ein paar Tage in Essen bei D. :)
Kann noch nicht sagen, wann ich wieder da bin, aber mach nichts dummes, okay?

Diese Nachricht ignorierte ich seit geschlagenen drei Stunden, verschränkte nur trotzig die Arme vor der Brust. 

Nach einer Weile schaltete ich dann aber doch mit einem Seufzen mein Handy aus, nahm stattdessen meinen Laptop und begann von zuhause aus zu arbeiten. In letzter Zeit hatte ich einfach keine Lust ins Studio zu fahren, ohne Dag brachte mir das einfach nichts. 

Es war dann viel zu still, keiner, der mich mit irgendwelchem Dreck zu laberte, über irgendetwas lachte. Das machte er jetzt mit Daniel in Essen. 

Vermutlich dachte er nicht mal an mich.

Ich spürte kurz einen Stich im Herzen, arbeitete aber trotzdem konzentriert weiter, bis ich auf das Ergebnis doch ziemlich stolz war. Auch wenn der Beat viel trauriger klang, als ich zunächst geplant und gehofft hatte.

Ab einem gewissen Punkt hatte ich schon wieder vergessen, dass ich Essen bestellt hatte und das auch nur, weil ich hoffte, dass Luca mir das Essen bringen würde. 

Diese Tatsache hatte ich nach den letzten drei Bier und dem letzten Schnaps wohl irgendwie verdrängt, trotzdem hatte ich in weiser Voraussicht die Kopfhörer abgelassen. 

Dementsprechend überrascht war ich allerdings, als ich die Klingel hörte. Ich taumelte eher zur Tür, als dass ich ging, öffnete die Tür mit einem breiten Grinsen. 

"Hallo", Luca grinste breit, "Mal wieder."

Ich grinste noch breiter, winkte ihm schnell zu. Er wirkte etwas überrascht, winkte aber zurück, ehe er die letzten Treppen nach oben lief und mir mein Essen gab. 

"Ich weiß, 20,17", murmelte ich, sah ihn abwartend ab, aber er lächelte nur nickend. 

Ich wusste nicht genau, warum ich es tat, ich vermutete aber, dass in diesem Moment sehr stark aus mir sprach. "Komm mit rein, ich muss dir was zeigen. 

"Herr Stein", setzte er etwas unsicher an, das Grinsen wurde etwas weniger, erlosch aber nicht. 

"Jetzt nenn mich endlich Vincent, wir sollten schon per Du sein, so oft wie ich bestelle", gab ich etwas genervt zurück und sofort kam das Grinsen gepaart mit einem kleinen Kopfschütteln wieder.

"Okay... Vincent", er sah mich etwas unsicher ein, "Ich bezweifle, dass ich rein rechtlich dazu befugt bin, die Wohnung zu betreten und außerdem..."

"Ich geb mehr Trinkgeld."

Er seufzte leise und zuckte dann mit den Schultern, murmelte irgendetwas von "Meine Schicht ist eh bald vorbei", aber genau verstand ich es nicht. Irgendwie war es mir aber auch egal. 

Ich zog ihn mit in mein Wohnzimmer und setzte ihm so ziemlich sofort die Kopfhörer auf. Er wirkte in diesem Moment sehr überfordert, die Kopfhörer waren viel zu groß für ihn und er musste sie festhalten, damit sie nicht von seinen Ohren rutschte. 

Ich fummelte an meinem Laptop, schloss die Kopfhörer an und spielte ihm dann den Beat vor, sah ihn ganz gespannt an, während er nur scheinbar immer unsicherer wurde. 

Erst nach einer ganzen Weile nahm ich ihm die Kopfhörer wieder ab und sah ihn gespannt an, als würde er sofort eine kunstwissenschaftliche Analyse vortragen - nicht, dass ich das erwartete. 

Luca sah tatsächlich etwas eingeschüchtert aus, schien nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte. Er blickte mich nur sehr unsicher an und schwieg. 

"Und?", fragte ich schließlich, nachdem wie gefühlte fünf Minuten in der Stille festgehangen hatten, "Was sagst du?"

"Gut, aber ich-"

"Es ist etwas trauriger geworden, als ich wollte, aber eigentlich doch ganz gut."

"Ja, aber ich-"

"Ich hab mehr Snares eingebaut, als sonst, passt ganz gut, finde ich."

"Ich-"

"Aber-"

"Meine Güte, Vincent, jetzt hör mir doch mal zu", er sah mich ziemlich eindringlich an, "Ich kenn mich doch mit sowas überhaupt nicht aus."

Ich zuckte nur mit den Schultern. Gleichzeitig griff ich zu meinem Bier und trank ein paar Schlucke und in seinen Augen lag etwas von Erkenntnis. Vermutlich, weil ich vorher den Mund kaum aufbekommen hatte. 

"Das ist egal", murmelte ich, tippte noch irgendetwas auf meinem Laptop ein, um professionell aus zu sehen und schloss ihn dann, "Dag versteht auch nie was von dem, was ich ihm erzähle. Der singt nur drüber, spielt Gitarre und freut sich dann."

"Dag?", er schaute ziemlich fragend und ich konnte mir das traurige Seufzen nicht verkneifen, "Oh."

Er schaute etwas mitleidig, seine Hand zuckte, als würde er mich trösten wollen, aber er hielt sich dann doch zurück. Ich konnte es ihm nicht verübeln, wir kannten uns kaum, ich wusste lediglich seinen Namen und ich hatte das Gefühl, viel mehr wollte er mir über sich auch nicht sagen. 

Luca seufzte jetzt ebenfalls, stand vorsichtig auf, als er auf seine Uhr sah und fuhr sich einmal durchs Gesicht, ehe er sein Lächeln wieder aufsetzte. "Ich muss leider los, aber morgen bestellst du bestimmt auch wieder."

"Bestimmt", brummte ich leicht und schon jetzt sagte mir irgendetwas in meinem Hinterkopf, dass ich das, was ich heute gemacht hatte, morgen sehr stark bereuen würde. Ich hatte schließlich einen völlig Fremden in meine Wohnung gelassen und mein Bekanntheitsstatus reichte zwar nicht an den einer Madonna oder so, aber außer acht zu lassen war er nun auch nicht unbedingt. 

Ganz sanft, sodass ich es kaum spüren konnte, legte er eine Hand auf meine Schulter, sein Lächeln war warm und ganz anders, als das Grinsen, dass er sonst auflegte. 

"Hey, das wird schon wieder", er drückte meine Schulter, ganz sanft, als wäre er zu schüchtern, um mehr Druck auszuüben, "Aber Alkohol regelt nicht alles. Trink nicht mehr so viel."

"Okay", ich seufzte wieder, lächelte zurück und brachte ihm dann zu Tür, gab ihm so viel Trinkgeld, wie ich aufbringen konnte, ehe er auch schon die Wohnung verließ, mir zum Abschied noch winkte. 

Ich lehnte mich gegen die Tür und seufzte leise.

Den Alkohol ließ ich danach für diesen Abend weg. 

Die kleine Geschichte von Vincent und dem Lieferboten - SDP FanFictionWhere stories live. Discover now