Tag für Tag

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Jesus gab seinen Zuhörern den Rat, jeden Tag für sich zu nehmen: „Deshalb sorgt euch nicht um morgen - der nächste Tag wird für sich selber sorgen! Es ist doch genug, wenn jeder Tag seine eigenen Schwierigkeiten mit sich bringt" (Matthäus 6,34).

Wenn man nur dem heutigen Tag lebt, wird man davon verschont, dem Vergangenen nachzutrauern und sich vor dem Kommenden zu fürchten. Jeder neue Morgen bietet auch die Möglichkeit, seinen Weggefährten im Leben neu zu begegnen, den Familienangehörigen, Freunden und Arbeitskollegen. Nach biblischer Aussage kann man sich darauf verlassen, dass Gott jeden Tag aufs Neue führt. Die alte Weisheit, den heutigen Tag so zu leben und erleben, als ob er der letzte wäre, gibt ihm sein besonderes Gewicht.

Ein Tagebuch, das auch viele berühmte Persönlichkeiten wie Goethe führten, oder ein einfacher Handzettel, auf dem man sich den Tagesplan zurechtlegt, können eine Hilfe sein, dem jeweiligen Tag ein größeres Gewicht zu verleihen. Der römische Dichter Horaz gab in seinen Oden den Ratschlag „Carpe diem" (wörtlich: „Pflücke den Tag"), was heißen soll, jeden Tag zu nutzen und nicht sinnlos verstreichen zu lassen.

Die Tage sind zwar gezeichnet von Aufgaben und manchen Problemen, die auftauchen, aber es gibt immer wieder Glücksmomente, auch wenn sie manchmal selten scheinen. Der Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi sieht das Glück im sogenannten Flow, dem Zustand, in dem man sich selbstvergessen einer Tätigkeit hingibt und dabei nicht an die Zeit denkt. Viele Gartenfreunde oder Heimwerker können diese Aussage über das Glück bestätigen. Dabei handelt es sich bei diesem „Hinfließen" der Zeit um nichts anderes als den Augenblick im Hier und Jetzt zu leben.

Es ist wohl besser, vom Leben von vornherein nicht zu viel zu erwarten. So kann man sich größere Enttäuschungen ersparen. Ein normaler Lebensweg gleicht eher einem Zug durch eine Wüstengegend in der Hoffnung, bald die nächste Quelle zu erreichen. Dort kann man etwas Ruhe finden, ehe man seine Wüstenreise fortsetzen muss. Und dennoch können Gläubige jedem Tag mutig entgegentreten, da sie die höchste Macht auf ihrer Seite haben. Für sie gilt Vers 24 aus Luthers Lieblingspsalm 118: „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein."

Um die Lebenswanderung leichter zu machen, ist es sinnvoll, das Leben immer wieder daraufhin zu durchforsten, was einem wichtig ist und worauf man verzichten kann, und den unnützen Ballast abzuwerfen. Je einfacher das Leben, desto überschaubarer ist es und desto freier fühlt man sich. Der Pfarrer und Autor Werner Tiki Küstenmacher beschrieb in seinem Buch „Simplify your life" („Vereinfache dein Leben") verblüffend einfache Methoden zu einem verbesserten Leben. Das Buch hatte eine Weltauflage von über vier Millionen.

Gedanken über das anspruchslose Leben finden sich schon in der griechisch-römischen Philosophenschule der Stoa. Das Ideal ist hier ein Leben im Einklang mit der Allnatur, wobei man den Gütern des Lebens gegenüber gleichgültig ist.

Der Ablauf des Lebens hat sich im Gegensatz zu früher gewaltig verändert. Wo der Mensch einst eine zusammenhängende Lebensgeschichte hatte, besteht das Leben heute meist aus einer Aneinanderreihung verschiedener Abschnitte. Der Mensch muss in jeder neuen Lebensphase wieder ganz von vorn anfangen, egal, ob es sich dabei um eine neue Partnerschaft oder einen neuen Job handelt. Daher hat der heutige Mensch oft nur eine flüchtige Beziehung zu Gegenständen und seinen Mitmenschen.

Was steckt hinter allem?Where stories live. Discover now