Gefühl und Verstand

47 1 0
                                    


Gefühle sind willentlich nur schwer zu beeinflussen. Stimmungsschwankungen gehören zur menschlichen Natur. Es ist sinnvoll, das Auf und Ab der Gefühle einfach zu akzeptieren, um sich nicht selbst ständig unter Druck zu setzen. Der Mensch fühlt nun mal von einem Tag auf den andern völlig anders, auch wenn sich nichts an den Lebensumständen ändert.

Im 17. Jahrhundert erfasste die Protestanten die Bewegung des Pietismus. Dieser sah das Wesen der Religion im Gefühlserlebnis. Die Pietisten wurden von der offiziellen Christenheit belächelt und angegriffen, trennten sich aber nicht von der lutherischen Kirche. Der Pietismus lebt bis heute in Kreisen der Evangelikalen fort. Kritisch ist anzumerken, dass das unstete Gefühlsleben keinesfalls Grundlage des christlichen Glaubens sein kann. Es wäre jedoch ein guter Dienst am Nächsten, ihm an den Tagen mit Hochstimmung etwas von der eigenen Fröhlichkeit zukommen zu lassen.

Auch die Vernunft ist ein Geschenk Gottes an den Menschen. Sie erlaubt es, Probleme besser zu bewältigen. Jesus fordert auf, diese Vernunft zu gebrauchen: „Seid klug wie die Schlangen, und doch frei von Hinterlist wie Tauben" (Matthäus 10,16). 

Der Bestsellerautor Dale Carnegie rät zu folgendem Vorgehen: Zuerst sollte das betreffende Problem klar definiert werden und dann nach 10 bis 20 Ideen gesucht werden, wie man es angehen kann. Diese Möglichkeiten analysiert man genauestens, um dadurch die beste von allen ausfindig zu machen. Die gefundene Lösung sollte man möglichst unverzüglich in die Tat umsetzen.

Der Humanismus war im 15. und 16. Jahrhundert Grundlage der Lebensanschauung in den gebildeten Kreisen. Die Vernunft begann zunehmend eine Rolle zu spielen. Man erstrebte allgemeine Geistesbildung unabhängig von der Tradition und kirchlichen Autorität. Im Mittelpunkt stand das Bemühen um Menschlichkeit.

So wollte der niederländische Theologe Erasmus von Rotterdam (ca. 1469 - 1536) mit satirischen Angriffen die Kirche auf ihre Missstände aufmerksam machen. Er gab ein Neues Testament in der griechischen Urfassung heraus und korrigierte damit etliche „Modifikationen" des Vatikans. Trotz aller Kritik an der katholischen Kirche hielt sich Erasmus von Rotterdem stets von der Reformation fern. Er hoffte auf einen friedlichen Ausgleich zwischen Katholiken und Protestanten. Im deutschen Raum pflegte der Theologe Philipp Melanchthon (1497 - 1560) - eigentlich hieß er Schwarzerd - humanistisches Gedankengut. Er war ein guter Freund und Mitarbeiter Luthers.

Der Franzose René Descartes (1596 - 1650) maß der Vernunft eine noch größere Rolle zu. Er ging von der Welt der Mathematik aus, wo er sich vor allem mit der analytischen Geometrie befasste. Die Methode der Logik wandte er auch auf das philosophische Denken an. Vom Bewusstsein aus wollte Descartes die Welt ergründen: cogito, ergo sum (ich denke, also bin ich). Das Prinzip seines Denkens war der Zweifel. Descartes gilt als Begründer des Rationalismus, der letztendlich die Grundlage für das Zeitalter der Aufklärung bildete. Sie stand für Toleranz und wissenschaftlichen Fortschritt und richtete sich gegen kirchliche Bevormundung.

Der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724 - 1804) relativierte im 18. Jahrhundert den Rationalismus. Kant war der Auffassung, dass die Vernunft nicht ohne die Erfahrung Aussagen über die Dinge machen kann. Damit stellte Kante eine Synthese zwischen Rationalismus und Empirismus her.

Die Aufklärung führte zu einer Säkularisierung der Gesellschaft. Man schaffte das kirchliche Leben zwangsweise ab. Intellektuelle machten sich über die Gläubigen lustig. Da Kirchen und Klöster zerstört wurden, waren die Geistlichen heimatlos und vermissten den ihnen bis dahin entgegengebrachten Respekt. Die führenden Stellen in Wirtschaft und Politik wurden von Atheisten besetzt.

Unter Napoleon I. Bonaparte, Kaiser der Franzosen von 1804 bis 1814/15, nahm die Kirchenfeindlichkeit extreme Ausmaße an. Die napoleonischen Truppen plünderten und verwüsteten auf ihrem Weg durch Europa Kirchen und Klöster. Die Soldaten brachen sogar Särge und Grüfte der Geistlichen auf, um an Gold zu kommen. Die Kathedralen wurden als Pferdeställe genutzt. Wertvolle Handschriften verwendete man zum Feuermachen. Aus dieser demütigenden Situation konnte sich die Kirche erst wieder nach dem Niedergang Napoleons befreien. Wichtig für ihre Erstarkung war die Wiederherstellung des Jesuitenordens 1814, der erneut eine entscheidende Schlüsselstellung innerhalb der katholischen Kirche einnahm.


Was steckt hinter allem?Where stories live. Discover now