Epilog

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"Das war sehr köstlich, Susan. Ich bin pappsatt." sagte Daniela und erhielt zustimmendes Gelächter, während sie sich sinnbildlich über ihren Bauch strich. "Aber es folgt doch noch der Nachtisch!" merkte Mom an und schaute auffordernd zu mir herüber. "Eve, würdest du bitte das Dessert holen? Das wäre lieb. Danke, Schatz." Zwar hätte meine Mutter durchaus die Zeit, selbst aufzustehen und den letzten Gang zu holen, doch ich übernahm das gerne für sie. Es war das erste Mal nach mehreren Jahren, dass wir wieder in dieser Konstellation an Weihnachten zusammensaßen und feierten: Mom, Dad, Daniela, Christoff und...Gabriel.

"Ich helfe dir." entkam es ihm auch schon, als ich aufstand und mich zur Küche aufmachte. Mit einer Mischung aus Nervosität und Vorfreude trafen sich unsere Blicke, als er im bemüht gemächlichem Gang zu mir aufschloss. Die Blicke unserer Eltern beachtete ich nicht weiter, stattdessen bemühte ich mich, das aufgeregte Kribbeln in meinem Körper zu ignorieren, welches mich umfasste. Tatsächlich hatten wir uns fast den gesamten Tag nicht gesehen, erst, als die Thiels bei uns vor der Türe standen. Aufgrund der ganzen Vorbereitungen, die meine Eltern treffen wollten, hatte ich als einzige helfende Hand viel zu tun gehabt und war früh aufgebrochen. Und da unsere Eltern noch immer nicht wussten, dass wir nun offiziell zusammen waren, stellte es sich als durchaus schwierig heraus, das Ganze vor ihren Augen geheim zu halten.

Sobald die Küchentür hinter uns zufiel, spürte ich auch schon seine Hände an meiner Taille, die mich gegen die Theke drückten. Sein warmer Atem strich erst über meinen Hals, an dem er langsam Küsse nach oben verteilte. „Gab." kicherte ich, auch wenn ich eigentlich einen Einwand erheben wollte. Schließlich waren unsere Eltern direkt nebenan. „Sie hören uns noch."
„Mir egal." raunte er und küsste mich endlich auf die Lippen. Man sollte meinen, dass ich mich langsam daran gewöhnen würde, aber dem war nicht so. Noch immer spürte ich das aufgeregte Flattern in meinem Herzen, sobald er mich berührte. Wenn seine Finger über meine Haut fuhren, mein Gesicht umfassten und noch näher an sich heranzogen. Wenn sich sein Körper gegen meinen drückte und ich mich vollends aufgehoben fühlte. Als wäre ich endlich angekommen.

Ja, ich liebte ihn wirklich. Mehr als je zuvor.

Als wir uns langsam voneinander lösten, bildete sich automatisch dieses berüchtigte verliebte Lächeln in meinem Gesicht. Gabriel schmunzelte und strich mir sanft eine verlorene Haarsträhne zurück. „Ich liebe dich." hauchte er und schenkte mir damit erneut eine Gänsehaut. „Ich dich auch."
Kurz erlaubte ich es mir, meinen Kopf gegen seine Hand zu lehnen, die mich noch immer berührte. Aber das laute Gelächter einen Raum weiter erinnerte mich daran, dass wir nicht allein waren. „Wir sollten zurück. Die fragen sich bestimmt schon, warum wir so lange brauchen." sagte ich daher und entlockte ihm nur ein resigniertes Seufzen. „Meinst du nicht, dass sie es eh schon ahnen?" erwiderte Gab, als ich mich widerwillig von ihm abwandte und zum Kühlschrank lief. Auch wenn es nicht sehr weihnachtlich war, hatte Mom eine Auflaufform mit leckerem Tiramisu vorbereitet. Passend dazu holte ich sechs große Löffel aus der Schublade daneben und steckte diese wahllos in den weichen Inhalt. „Ja, vielleicht. Keine Ahnung." gab ich zu und wandte mich wieder um.

Heute sah er einfach zum Anbeißen aus. Dem Anlass entsprechend hatte ich ihn überreden können, ein Hemd anzuziehen - wir waren extra vorher einkaufen. Das dunkle Rot war mal etwas Neues im Vergleich zum sonstigen Schwarz, welches wieder an seiner Jeans zu finden war. Die Ärmel hatte er etwas hochgekrempelt und die  Arme darunter lenkten mich leicht vom aktuellen Thema ab. Miriam nannte es gerne die Honeymoon-Phase, in der die rosarote Brille so fest auf der Nase saß, dass man nur noch übereinander herfallen wollte. Ich hoffte nicht, dass es nur eine kurzweilige Phase war, doch nach den ersten zwei Wochen Beziehung konnte ich diesbezüglich noch nichts sagen.

„Erde an Eve."
Gabriel holte mich aus meinen Gedanken und verursachte sogleich eine peinliche Röte auf den Wangen. Es war mir immer noch etwas unangenehm, wenn ich beim Starren erwischt wurde. „Wenn du mich weiter so ansiehst, werfe ich dich vor den Augen unserer Eltern über die Schulter und trage dich nach Hause." fügte er hinzu, wobei ein freches Schmunzeln seine Lippen zierte. Und auch wenn es sicherlich im Spaß gemeint war, so hörte sich seine Stimme inzwischen leicht belegt an. Ich biss mir auf die Lippe und versuchte das erfreute Grinsen zu unterdrücken, welches sich automatisch bilden wollte. „Du versautes Ding." lachte er, bevor er sich das Tiramisu schnappte und mir einen zarten Kuss auf die Stirn setzte. „Los jetzt. Wir wollen doch nicht, dass sie uns auf die Schliche kommen."
„Ey! Ich dachte, du wärst damit einverstanden gewesen." erwiderte ich, als ich seinen ironischen Unterton bemerkte. Kurz nach der Weihnachtsfeier und dem finalen Geständnis hatten wir uns geeinigt, es erstmal nicht an die große Glocke zu hängen. Es war noch alles frisch und teilweise ungewohnt, sodass wir es für das Beste hielten, unseren Eltern erstmal nichts zu erzählen. Zumindest, bis wir uns beide daran - an uns - gewöhnt hatten.

Damals wie HeuteWhere stories live. Discover now