ZUSATZ: Drunk Kiss (Gabriel)

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November 2023, Club Rebels

Den Babysitter zu spielen, war eine Sache. Den Babysitter für eine betrunkene Freundin zu spielen, in die man unsterblich verknallt war, eine gänzlich andere. Nach unserem kleinen Zusammenstoß im Club habe ich sie direkt zurück zum Tisch geführt, wo unsere restlichen Freunde und ihre Arbeitskollegen warteten. Mit einer gewissen Genugtuung gab ich Bescheid, dass ich Eve nach Hause bringen würde - dabei natürlich besonders bedacht, dass der Schwachmat Mike dies auch mitbekam. Schließlich war dieser mir schon den gesamten Abend ein Dorn im Auge und hiermit konnte ich final mein Revier markieren. Ich würde definitiv nicht zulassen, dass er Eve zu nahe kam oder gar die Chance dazu erhielt. Zumal sie in ihrem jetzigen Zustand alles andere als zurechnungsfähig war und demnach nicht mehr klar denken konnte. Ihre holprigen Schritte waren ein sicheres Zeichen, sie endlich ins Bett zu verfrachten. "Pass bloß auf sie auf, Gab! Ich frag sie morgen, ob sie gut nach Hause gekommen ist - ich erfahre also eh alles." posaunte Miriam mir noch hinterher, wobei sie mich mit einem verschwörerischem Zwinkern verabschiedete. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Tom ihr von meiner Beichte erzählt hatte und sie demnach Bescheid wusste. Oder es war einfach so offensichtlich, dass sie es ohnehin herausgefunden hatte, wer weiß. Kurz machte mir dieser Gedanke Angst, schließlich könnte sie ihre Vermutung auch Eve stecken und somit alles durcheinanderbringen. Doch selbst wenn sie es wohl schon ahnte, hatte sie ihr noch nichts erzählt, sonst würde sich Eve bestimmt ganz anders gegenüber mir verhalten. Es wäre typisch für sie, bei solch einem Thema erstmal die Flucht zu ergreifen - besonders, wenn sie sich dessen selbst noch nicht bewusst gewesen war.

Mit einem belustigten Augenverdrehen verließ ich schließlich die Gruppe, Eve dabei vor mir her schiebend. Ihre nackten Schultern fühlten sich warm an unter meinen Handflächen, als ich sie weiter durch die Menge führte und endlich den Ausgang anvisierte. Es war mittlerweile fast drei Uhr nachts und die tanzende Meute hatte sich etwas reduziert. Dennoch schien sich an der Lautstärke und dem Alkoholpegel nichts verändert zu haben, eher wurde es nur schlimmer. Mit leichtem Ärgernis versuchte ich den betrunkenen Grüppchen auszuweichen, Eve dabei immer beschützend an meine Seite gedrängt. Sie folgte mir zügig nach draußen und erzitterte sofort bei der aufkommenden Kälte. Warum hatte sie auch keine Jacke mitgenommen? Seufzend zog ich mein kariertes Hemd aus und zog es ihr über. Beinahe hätte ich den bibbernden Anblick süß gefunden, wäre die Sorge nicht größer gewesen. Wenn ich sie nicht schleunigst nach Hause brachte, würde sie hier noch sprichwörtlich erfrieren. Gerade durch den Alkohol kühlte der Körper schneller ab, ohne dass sie es wirklich bemerkte.

Zügig zog ich sie zum Taxi, welche glücklicherweise immer vor Clubs auf die nächsten Kunden warteten. Nachdem die Adresse geklärt war und der Fahrer endlich Gas gab, schenkte ich ihr einen Seitenblick. Eve hatte die Augen geschlossen und schien schon beinahe ins Traumland abzudriften, was mich zum Schmunzeln brachte. Schon als Kind ist sie bei diversen Ausflügen immer zügig eingeschlafen, wenn wir im Auto oder Bus unterwegs gewesen waren. Bevor ihr Kopf allerdings gänzlich zur Seite rutschte und sie somit umkippen würde, platzierte ich mich auf den mittleren Sitz und legte ihren Kopf an meiner Schulter ab. Ein leises Murmeln war zu hören, doch ich konnte nicht verstehen, was sie sagte. Ihre Hände gruben sich derweil weiter in das Hemd und umschlangen ihren zarten Körper - ihr war wohl immer noch kalt. Glücklicherweise erreichten wir zügig unsere Straße, sodass die letzten Meter bis zur Haustür auch nicht mehr weit waren. Ich bezahlte den Fahrer, rüttelte Eve sanft wach und half ihr beim aussteigen. Durch die aufkommende Nachtluft und dem nahenden Zuhause schien sie zumindest minimal klarer zu werden. Zumindest musste ich ihr beim Laufen keine Stütze sein, daher ging ich zügig voraus, um schnell im Treppenhaus und der Wärmequelle anzukommen. Was mich allerdings etwas aus der Bahn warf, waren die plötzlich auftauchenden Eisfinger, die sich um meine freie Hand schlossen. "Warte, Gab." sagte Eve mit einem sich leicht beschwerenden Tonfall, welcher mich augenblicklich grinsen ließ. Den kleinen Schock über die plötzliche Kontaktaufnahme überwunden, drückte ich ihre Hand fester und zog sie mit zum Wohnblock. Es war irgendwie ein schönes Gefühl, dass sie zuerst die Nähe suchte - ich war meist eher vorsichtig, um keinen Anhaltspunkt für meine Gefühle zu liefern.

Damals wie HeuteWhere stories live. Discover now