𝟚𝟡 - Saturday Night Fever

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Mit zusammengebundenen Haaren betrat ich wieder den Vorraum der Kneipe. Mein Herz schlug wie wild und ich bemühte mich, meinen Atem unter Kontrolle zu halten. Jetzt, wo Gabriel mich wieder hinter die Theke führte und der Lautstärkepegel im Vergleich zum Hinterzimmer enorm zunahm, versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen. Ein kurzer Rundumblick verdeutlichte mir abermals die aktuelle Lage: Der Raum war komplett überfüllt mit Menschen. Die Barhocker direkt am Tresen waren alle besetzt, dazwischen drängten sich übereifrige oder ungeduldige Gäste und sprachen durcheinander. Soweit ich erkennen konnte, waren nur wenige Stühle an den restlichen Tischen frei, da die meisten wohl entschieden hatten, lieber in Grüppchen zu stehen. Aktuelle Chart-Musik lief über die zwei Lautsprecher, welche jeweils in den Ecken der Wände angebracht worden waren. Offenbar hatte Max es aufgegeben, seinen rustikalen Musikgeschmack durchzusetzen und stattdessen irgendeine Playlist angemacht, um allen Geschmäckern zu gefallen. Dieser wank uns eifrig zu sich, als er uns vor der Tür stehen sah. Vorsichtig trat ich neben Gabriel, als Max mich in Augenschein nahm und sich anschließend wieder an ihn wandte.

"Die Aushilfe?"

"Evelyn. Ich war schon mal hier." stellte ich mich selbst vor und versuchte mich an einem zaghaftem Lächeln. Für freundliche Gesten schien der Chef allerdings entweder keine Zeit zu haben oder tatsächlich nichts von zu halten. Max grunzte nur, bedachte meine Erscheinung mit einem letzten skeptischen Blick und zuckte dann mit den Schultern.

"Von mir aus. Gabriel, du weißt, was zu tun ist." Nach diesen Worten lief er an uns vorbei, flüchtete durch die Hintertür und ließ uns mit der Meute alleine. Kurz fragte ich mich, warum er uns hier vorne nicht half. Auch wenn er der Chef war, konnte er letztendlich dennoch mit anpacken, schließlich hatte er es bis eben auch noch geschafft. Möglicherweise brauchte er auch einfach nur eine Pause, wer weiß. Bevor ich diesbezüglich bei meinem Kollegen alias Gab nachfragen konnte, nahm ich eine Bewegung am Tresen wahr. Zwanghaft bemühte ich mich, die Panik herunter zu schlucken, als plötzlich ein angetrunkener Typ ein leeres Glas abstellte und mich mit erhobener Augenbraue ansah. Oh, verdammt. Was soll ich tun? Will er etwa ein Bier? Ich war doch noch gar nicht bereit! Und das Glas sieht viel kleiner aus, als die üblichen Bierkrüge...

"Atmen, Eve." ertönte die belustigte Stimme von Gabriel neben mir, als dieser meinen kleinen Anflug an Hilflosigkeit und Panik bemerkte. Als er eine Hand auf meine Schulter legte, überflutete mich sogleich eine Welle der Beruhigung. Diese Wirkung war so vertraut wie neu zugleich. "Ich zeig dir erstmal, was zu tun ist, okay?" Seine warme Stimme ließ mich wieder auf den Boden kommen, mein hektischer Puls fuhr langsam herunter und ich bemühte mich, tapfer zu sein. Schließlich war das hier ein Job wie jeder andere auch - das sollte ich doch hinkriegen, oder? Zumal Gab immer an meiner Seite war, wie ich im Laufe des Abends auch glücklicherweise feststellen musste.

Der Beginn verlief leider ziemlich holprig, was ich auf meine Kappe setzen musste. Gabriel hatte zunehmend Schwierigkeiten mir alles zu zeigen, das Bierzapfen beizubringen und Tipps zu geben, mehrere Gläser zu hantieren, während immer wieder Gäste dazwischenfunkten und sofort ein neues Getränk wünschten. Dass ich dabei mehr als nur einmal mit den Bestellungen durcheinander kam, ist daher unnötig zu erwähnen. Nichtsdestotrotz schien es mit jedem Gast besser zu laufen und ich hatte tatsächlich Zeit, zwischendurch auch in kleine Geplänkel zu fallen. Auch wenn die meisten schon ziemlich angetrunken waren, war die Stimmung ausgelassen und dies wurde immer deutlicher, je später es wurde.

Gerade balancierte ich vier Biergläser auf einem runden Tablett durch die Gruppen an Menschen. Der Versuch, nichts umzukippen, war bisher ganz gut gelungen, doch ich traute meinem Glück nicht. So vorsichtig wie möglich bewegte ich mich also auf den anvisierten Tisch zu, die lachenden Gäste stets im Blick. Mit einem erleichterten Lächeln erreichte ich mein Ziel und verteilte die gewünschten Bestellungen - dieses mal richtig. Gerade, als ich mich wieder abwenden wollte, hielt mich ein Mädel zurück. Sie war kaum älter als ich, hatte ein hautenges  rotes Kostüm und kleine Flügel auf dem Rücken. "Hier, das steht dir bestimmt super." Perplex starrte ich ihren Haarreif an, auf dem zwei rote Hörner thronten. Jetzt wurde auch deutlich, was sie genau darstellen wollte - einen Teufel. Nur in Sexy.

Damals wie HeuteWhere stories live. Discover now