77. Gespräch mit einem Toten

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«Tony! Was geht hier vor sich?!», rufe ich laut, sobald ich in den Raum gestürmt komme.

Schuldbewusst blicken alle auf den schwarzen Tisch.

«Raven, bitte beruhige dich», bittet mich Tony leise, doch ich starre ihn nur ungläubig an und frage hysterisch nach: «Ruhig?! Ich soll ruhig bleiben?! Tony du hast gerade verdammt noch mal Loki in eine der Zellen gesteckt, obwohl dieser tot sein sollte und dann sagst mir ich soll ruhig bleiben?! Also was ist hier los?!»

Ich bebe am ganzen Körper und bin mir selber nicht ganz sicher, ob es vor Wut ist oder weil ich gleich zusammenbrechen werde.

«Sag es ihr, Tony. Sie hat das Recht es zu wissen...», fordert Steve Tony auf, nachdem dieser noch immer zögert.

Ergeben seufzt er und beginnt schliesslich noch etwas unsicher: «Naja, wie du ja weisst, sind wir in der Zeit zurückgereist, um die Steine zu holen. Drei davon befanden sich in New York, einer bei Loki. Der Tesserakt...»

Mit einem scharfen Blick fordere ich ihn dazu auf weiterzusprechen.

«Jedenfalls, ging zuerst alles nach Plan. Steve hatte das Zepter, Bruce war dabei den Zeitstein zu besorgen und wir hatten den Tesserakt erwischt. Als wir jedoch gerade dabei waren das Gebäude zu verlassen, kamst plötzlich du, gefolgt von einem ziemlich wütenden Hulk aus dem Treppenhaus gestürmt und in seiner Genervtheit über die Treppe, schlug er uns aus Versehen die Tür um die Ohren. Dabei verloren wir den Tesserakt und Loki, der gerade in seine Zelle gebracht wurde, liess sich diese Chance natürlich nicht entgehen und schnappte ihn sich. Er war sofort verschwunden und wir hatten keine Ahnung, wo er hin war. Wir haben uns ehrlich gesagt auch nicht weiter Gedanken darüber gemacht, da wir da ja auch noch nicht wussten, dass Loki gestorben ist. Und jetzt... Naja...», beendet er seine Erzählung.

«Also willst du mir sagen, dass der Loki, den ihr gerade in eine Zelle gesperrt habt, derselbe ist, der vor mehreren Jahren New York angegriffen hat, nur dass es für ihn ein paar Sekunden her ist und für uns bereits Jahre?», hacke ich nach.

Tony nickt schweigend.

Schnaufend raufe ich mir die Haare und verlasse schliesslich fluchtartig den Raum.

Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt machen soll...

Eher zufällig ende ich schliesslich vor Lokis Zelle.

Langsam trete ich näher daran heran und blicke auf den Mann, den ich so sehr geliebt habe und noch immer so sehr liebe.

Und doch...

Es ist nicht derselbe.

«Haben sie dich etwa hier runter geschickt um mich zu Babysitten?», fragt Loki spöttisch.

Ich erstarre.

Genau das, hat er auch damals zu mir gesagt hat.

Sofort überrollt mich die Erinnerung daran.

«Haben sie dich etwa hier runter geschickt um mich zu Babysitten?» Vorsichtig trete ich noch etwas näher an seine Zelle heran und stehe somit vollständig ins Licht. Als er mein verweintes Gesicht und meinen zitternden Körper sieht, verliert sein Gesicht die spöttischen Züge. Schnell wische ich mir durchs Gesicht, zwinge meinen Körper sich zu beruhigen und verbanne jegliche Emotionen aus meinem Gesicht. «Beeindruckend», kommentiert Loki, «also bist du nicht hier um zu Babysitten. Ich vermute Mal, du hast nicht einmal beabsichtigt hier zu landen, ist es nicht so?»

Ich werde aus meinen Erinnerungen gerissen, als Loki nachfragt: «Hallo? Hörst du mir überhaupt zu? Typisch. Sperren dich ein und dann hören sie dir nicht einmal zu...»

«Frigga hat dich geliebt...», rutscht es mir heraus.

«Was?», entfährt es dem Gott, während er verwirrt den Kopf schief legt, «Woher kennst du den Namen meiner Mutter?»

«Sie hat dich geliebt. So wie Thor. Ich weiss, dass du mir nicht glaubst, aber ich muss es wissen», fahre ich fort, ohne auf seine Frage einzugehen.

«Was meinst du damit?!», fragt er mich mit einem scharfen Unterton.

«Du hast keine Ahnung, wo du hier bist, nicht wahr?», erkundige ich mich bei ihm.

«Natürlich ich bin bei den Avengers. Im Stark Tower», antwortet er ungeduldig.

Ich lache leise, während ich widerspreche: «Falsch. Bist du nicht.»

«Erleuchte mich...», spottet er und setzt sich abwartend auf die Bank in seiner Zelle.

«Du bist im Avengers Compound und zwar... In der Zukunft. Also ich meine, du greifst New York an und zerstörst dabei die halbe Stadt, es stellt sich jedoch heraus, dass du unter der Kontrolle des Titanen Thanos warst und so weiter... Das ist alles Jahre her. Bestimmt schon über zehn Jahre...», erkläre ich ihm nicht gerade sanft.

«Du lügst!», knurrt er jedoch nur wütend.

Aber ich kenne ihn gut genug...

Ich kann die Unsicherheit und leichte Angst in seinen Augen sehen.

«Du bist der Gott der Lügen, du weisst, wann ich lüge und wann nicht. Also, sag mir nochmals, dass ich nicht recht habe», entgegne ich schlicht.

Er sagt nichts.

«Wenn das hier die Zukunft ist? Wo bin ich dann? Also ich meine, das ich, welches nicht in die Zukunft gereist ist. Ich habe sie nämlich gesehen. Tony und die anderen. Und zwar doppelt. Das war ebenfalls Zeitreise, nicht wahr? Meine Flucht war nicht geplant», schlussfolgert er schliesslich, clever wie immer.

«Ja, das war ebenfalls Zeitreise und deine Flucht war tatsächlich nicht geplant. Eigentlich würdest du normal weiterleben und keine Abstecher in die Zukunft unternehmen», bestätige ich.

«Also, wo ist mein anderes ich? Was wäre mit mir geschehen, wenn ich den Tesserakt nicht an mich genommen hätte?», will er erneut wissen.

Ich weiche seinem Blick aus und schweige nun ebenfalls.

«Was ist mit mir geschehen?!», fragt er nochmals, diesmal schärfer.

«Du bist tot...», hauche ich beinahe lautlos.

Erschrocken zieht er die Luft ein.

«Du... Du hast dich geändert», beginne ich stockend zu erzählen, «Du konntest die Eifersucht gegenüber deinem Bruder endlich ablegen. Du hattest es nicht mehr nötig, ihn zu beneiden, denn du warst selber glücklich. Du wolltest das, was er hatte, gar nicht mehr. Und so hast du zufrieden gelebt, hast sogar den Avengers geholfen und wurdest ein Teil von ihnen, bis du dich dazu entschiedest zurück nach Asgard zu gehen. Auch dort war alles, so wie es sein sollte. Deine Mutter freute sich riesig und dein Vater mochte dich zwar noch immer nicht besonders, doch er akzeptierte dich endlich für den, der du bist. DasVolk von Asgard war sogar dazu bereit dich als König anzuerkennen, da Thor denThron ja nicht mehr wollte. Doch dann wurde Asgard zerstört... Nur die Hälfte der gesamten Bevölkerung hat überlebt und als ihr auf dem Raumschiff unterwegs zur Erde wart... da... da...»

Meine Stimme verliert sich und ich muss mich kurz räuspern, bevor ich es heiser schaffe fortzufahren: «Da wurdet ihr von Thanos angegriffen. Er hat nochmals die Hälfte aller Asgardianer getötet und verlangt den Tesserakt von dir. Du hast ihn ihm gegeben und danach hast du... Du hast dich geopfert und er hat dich... umgebracht...»

Ich drehe eilig meinen Kopf zu Seite, damit Loki, die Träne nicht sieht, die mir kalt über die Wange läuft.

«Er hat dich umgebracht und nun bist du seit etwa fünf Jahren tot!», fauche ich laut, wobei das Ende des Satzes eher einem Winseln ähnelt.

Überfordert drehe ich mich um und haste aus dem Zellentrakt...

Shadow and Ice: Der Tod als Begleiter (Loki ff)Where stories live. Discover now